Vollgeld ähnelt dem 100%-Geld, indem Geld und Kredit voneinander gelöst werden und die Geldschöpfungskompetenzen ausschließlich bei der Zentralbank liegen. Ausgehend von der Annahme, dass „die Geldordnung unmissverständlich ein Teil der öffentlichen Rechtsordnung ist“ und nicht einfach „privatrechtlich ausgeübten Geschäftsinteressen“ folge (Huber 1998: 14), soll private Geldschöpfung verhindert werden. (…)
Ein Unterschied liegt darin, dass Vollgeld ohne Reservepflichten auskommt, da Vollgeld selbst Zentralbankgeld darstellt und nicht als mit 100 Prozent Reserve gedecktes Geschäftsbankengeld entsteht. Im 100%-Geld-System stellen Kundenkonten bei der Bank damit weiterhin Ansprüche auf Zentralbankgeld dar, während sie im Vollgeldsystem selbst vollwertiges Geld sind. Für Huber entspricht der Vollgeld-Ansatz deshalb einer Wiederherstellung des „staatlichen Geldregals“. Buchgeld wird dem Bargeld gleichgesetzt:
Vollgeld bedeutet vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel, das als allgemeines reguläres Zahlungsmittel zu benutzen und zu akzeptieren ist. Vollgeld wird von der unabhängigen staatlichen Zentralbank oder einem vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Organ herausgegeben. (Huber 2012: 39)
Im Wesentlichen argumentieren Befürworter des Vollgeldes, dass die durch das System staatlicher Zentralbanken eingeführte Kontrolle der Geldsteuerung durch die technischen Entwicklungen der Buchgeldschöpfung nicht mehr funktionsfähig sei. Dies erfordere eine Anpassung an heutige Gegebenheiten. „Um die Geldschöpfung wirksam steuern zu können, muss die Zentralbank daher von Anfang an die Geldschöpfung kontrollieren können“ (Binswanger 2012: 24). Insbesondere müsse eben eine Form unbaren Geldes, nämlich die Sichtguthaben bei Banken, dem Bargeld gleichgestellt werden. Ziel ist es, „[d]em Giralgeld der Geschäftsbanken ein Ende [zu] setzen zugunsten von Zentralbankgeld, sinngemäß analog den Reformen des 19. Jahrhunderts, als private Banknoten durch Zentralbanknoten ersetzt wurden“ (Huber 2012: 37).
In der Tradition der Currency-Theorie stehend, fordert Vollgeld demnach vollständige Kontrolle des Geldes als Gemeingut durch den Staat (Huber 2004: 15). Im Vollgeldsystem wird Geld als allgemeines Zahlungsmittel (…) von einer staatlichen Institution bereitgestellt, sodass das Bankgeschäft ausschließlich in der Finanzierung ökonomischer Aktivitäten auf Basis des im Umlauf befindlichen Geldes besteht. Die politische Unabhängigkeit der Zentralbank nimmt zentralen Raum in den Überlegungen ein. Eine inflationäre, politischen Interessen untergeordnete Geldpolitik soll (dennoch) vermieden werden. Daher sieht das Konzept Verfassungsrang für die Geldsteuerung vor. Die Zentralbank soll zu einer unabhängigen „Monetative“ erhöht beziehungsweise durch eine solche ersetzt werden. Die Monetative ergänzt gleichberechtigt Legislative, Exekutive und Judikative.
Vollgeld soll in stärkerem Maße als 100%-Geld zur Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen. Es wird zinslos und dauerhaft dem Staat überlassen. Dieser kann damit etwa Schulden abbauen, Steuern senken oder Ausgaben tätigen. Wenn eine Reduzierung der umlaufenden Geldmenge erforderlich wäre, müsste der Staat eingeholte Steuern an die Monetative abführen. In der Überlassung des Vollgeldes an den Staat sehen Befürworter der Reform eine Möglichkeit der Lösung des Staatsverschuldungsproblems: Denn durch den langsamen Ersatz von Giralgeld durch Vollgeld entsteht (zunächst einmalig eine hohe) Seigniorage. Schließlich wird das neu geschöpfte Geld dem staatlichen Haushalt zur freien Verfügung überlassen. Die Seigniorage stellt den Gewinn der Geldschöpfung dar, also die Differenz des Betrages neugeschöpften Geldes sowie der zur Erstellung notwendigen Kosten. Huber schätzt die Höhe dieser einmaligen Seigniorage für Deutschland auf über 1.300 Mrd. Euro, die, über den einige Jahre andauernden Reformprozess verteilt, dem Haushalt zufließen und beispielsweise zu einer erheblichen Reduktion der Staatsschulden in Höhe von mehr als 2.000 Mrd. Euro beitragen könnten. Nach Abschluss der Systemreform entstünde jährlich weiterhin ein Seignioragegewinn durch den Geldmengenzuwachs, den Huber für Deutschland auf 40 bis 90 Mrd. Euro (bezogen auf die Jahre 2007 bis 2010) schätzt (Huber 2011: 133–139).
Vollgeld erfüllt die (…) Geldfunktionen nach Meinung der Befürworter besser als das momentane Geld. Es wird exogen durch eine Zentralbank geschöpft, welche als unabhängige Monetative die Steuerung der Geldmenge übernimmt. Vollgeld wird zinsfrei und dauerhaft dem Staat überlassen. Hauptziele sind eine effektive Kontrolle der Geldschöpfung zur systematischen Stabilisierung und zur Vermeidung von Inflation und spekulativer Finanzmarktblasenbildung. Weiterhin kann Vollgeld zur Finanzierung der Staatshaushalte herangezogen werden.
Mouatt kritisiert das Konzept (…) grundsätzlich, da es keine Anreize für monetäre Disziplin setzt, welche dem Kreditgeldsystem inhärent seien, in welchem Kredite stets zurückgezahlt werden müssten. Stattdessen setze es auf eine Stärkung zentraler staatlicher Kontrolle, welche allerdings nur schwer erzielbar sei (Mouatt 2010: 20). Bei einer zentralen Steuerung der Geldemission ohne Geschäftsbanken als Nachfrager entstehe ein Informationsdefizit, da die Zentralbank keine direkten Marktsignale erhalte (Creutz 2011: 24). Einige grundsätzlich wohlwollende Kritiker am Vollgeldansatz vermissen (außerdem) einen Mechanismus gegen Geldhortung. In der Tat lehnt Huber eine Umlaufsicherung ab, da er das Horten von Geld (Bargeld und Sichtguthaben) in einer modernen Volkswirtschaft als vernachlässigbar und unbedeutend ansieht (Huber 2011: 120; vgl. Löhr 2011b: 43). Creutz (2011) hingegen sieht im möglichen Horten von Sichtguthaben eine Gefahr (ähnlich Mouatt 2010; Löhr 2011b), da Vollgeld dann dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden kann. Daher fordert er eine Umlaufsicherung.
(frei zitiert nach Philipp Degens (2013): Alternative Geldkonzepte, MPIfG Discussion Paper 1/13, mit freundlicher Genehmigung des Autors – Literaturhinweise bitte bei Degens nachsehen.)