Der Begriff Parallelwährungen wird heute in unterschiedlicher Bedeutung verwendet. Bei manchen Autoren lässt er sich nur unscharf von dem Begriff der komplementären Währungen absetzen.

Bei monneta.org versuchen wir, den Begriff etwas genauer zu fassen und bezeichnen damit nur solche komplementären Währungen, die neben der offiziellen staatlichen (oder, im wie im Falle des Euro, überstaatlichen) Währung ebenfalls von allen BürgerInnen generell verwendet werden können oder könnten.

In der unschärferen Variante wurde der Begriff bereits 1865 von Hermann Grote verwendet, der z.B. das gleichzeitige Bestehen von Gold- und Silberwährung ohne fixen Wechselkurs als solche bezeichnete (vgl. Hamm, 1927, S.4 ff.). Die Bedeutung wurde dann später von Friedrich August von Hayek als Teil eines Reformvorschlages für das internationale Währungssystem übernommen. Dabei sollten private Währungen als parallele Zahlungsmittel offiziell anerkannt werden. Durch ihre gegenseitige Konkurrenz sollte dann ein stabiles Währungssystem entstehen (Hayek, 1990). Dementsprechend gibt es in der Volkswirtschaft eine engere und eine weitere Definitionsmöglichkeit von Parallelwährung:

  1. Enge Definition: Als Parallelwährungen bezeichnen wir staatlich herausgegebene, offizielle Zweitwährungen ohne festen Wechselkurs neben dem gesetzlichen Zahlungsmittel. Eine Parallelwährung kann eine stabile, harte Währung sein (z.B. eine ausländische Währung), die neben der schwachen, weichen Landeswährung verwendet wird, um beispielsweise einer Hyperinflation in der Landeswährung zu entgehen. Umgekehrt kann aber auch eine schwache Inlandswährung als Parallelwährung herausgegeben werden, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln und die Exportwirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen.
  2. Weite Definition: Eine Parallelwährung ist eine zusätzliche, neben dem gesetzlichen Zahlungsmittel geduldete oder gar offiziell anerkannte weitere Währung mit einem universellen Anspruch als Zahlungsmittel. Beim Begriff Parallelwährung wird im Gegensatz zum Begriff Komplementärwährung (Ergänzung) von einem Konkurrenzprinzip der Währungen ausgegangen, und von einem Wechselkurs zur offiziellen Währung ausgegangen.

In der Literatur (Hahn, 1969) wird gelegentlich dazu noch unterschieden zwischen Parallelwährungen (mit frei schwankendem Wechselkurs) und Doppelwährungen (mit festem Wechselkursverhältnis zur offiziellen Erstwährung). Doppelwährungen waren bis ins 19. Jahrhundert vor allem in Münzgeld-Systemen verbreitet, so wurden z.B. Gold- und Silbermünzen oder Scheidemünzen mit einem festgelegten Wertverhältnis zueinander gehandelt bzw. verrechnet und akzeptiert. In den Jahren bis zur Euro-Einführung am 1. Januar 2002 stellten auch die Nationalwährungen unwiderruflich an den Eurokurs gekoppelte Doppelwährungen dar. Mit diesem Ansatz ließe sich auch das heutige konventionelle Währungssystem mit Bargeld das von den Zentralbanken herausgegeben wird und Giralgeld das von kommerziellen Banken geschöpft wird, als ein Doppelwährungssystem bezeichnen.

Wegen der Fülle an Formen komplementärer Währungen und einer dezidierten Offenheit gegenüber Herausgebern einzelnen Währungen verwenden wir bei monneta den Begriff Parallelwährung in der ersten, engeren Definition als einem Unterbegriff von Komplementärwährungen.

 

Parallelwährung kontrastiert damit auch immer den Begriff der Einheitswährung, der heute einen wichtigen Teil der Gelddebatte prägt, ohne dass er deswegen genannt wird. Die Vorstellung, mit einer einzigen Währung – die dann auch mit dem Begriff “Geld“ gleichgesetzt wird– alles machen zu können, wird allgemein angenommen und kaum hinterfragt. Die Idee, dass Nationalstaaten automatisch auch eine eigene ausschließliche Nationalwährungen haben müssten, resultiert aus der nationalistisch geprägten Vorstellung von Volkswirtschaften des 19. Jahrhunderts. Durch die Definition einer einzigen Währung als gesetzlichem Zahlungsmittel wird ein abgegrenzter, durch einfache Regelungen lenkbarer Wirtschaftsraum („Markt“) gebildet. Dies deutet auf die bis heute selten reflektierte Grundlogik hin, dass eine Währung eine der zentralen Voraussetzungen jeden Marktes ist. 1 Ein moderner Markt kann ohne eine Währung nicht existieren, weil jeder Kauf, als zentrale Marktfunktion nur mit den Transaktionen einer Währung  erfolgen kann. Dieses Konzept der Integration durch eine einzige Währung wird nun durch die Idee von Parallelwährungen in Frage gestellt. Diese werden auch als Korrekturfaktoren für verfehlte Wirtschaftspolitik postuliert. Durch zwei oder mehr Währungen entsteht erstmals eine Wahlmöglichkeit für die Nutzenden und damit können wirtschaftliche Ausgleichsvorgänge stattfinden.

Daraus lässt sich auch ableiten, dass ein Staat eine landeseigenen Währung benötigt – bei Verwendung einer internationalen Währung wie dem Euro wenigstens einer Parallelwährung – um gezielt und dosiert geldpolitisch Einfluss auf die eigene Binnenkonjunktur und Außenwirtschaft zu nehmen. Dies wird auch als Konzept des monetären Föderalismus bezeichnet (Theret, 2017).  Nur durch die Möglichkeit einer Werteverschiebung, d.h. Wechselkursanpassung, kann er seine Transfer- und Exportabhängigkeit entscheidend steuern. Parallelwährungen können deshalb ein Mittel sein, die staatliche Souveränität zu verstärken. Hierzu gab es immer wieder auch Ökonomen, die solche Konzepte vorschlugen. Ein heute fast vergessener war Robert Eisler, der verschiedene Vorschläge zur Geldreform machte und bereits um 1930 ein Parallelwährungskonzept vorschlug. Dabei sollte neben der existierenden Währung für die laufenden Ausgaben und Käufe (Current Money) eine zweite Währung als Recheneinheit und Kreditwährung (Contract Money; Banco Money) geschaffen werden. Diese zweite Währung würde von der Zentralbank als reine Buchwährung geführt, die durch einen Warenkorb wertstabil gehalten werden sollte. Durch einen Wechselkurs zwischen den beiden Währungen würde die Inflation ausgeglichen und eine Steuerung Richtung höherer Stabilität der Wirtschaft möglich. (vgl. Wenzlaff, 2019 und Löscher/Wenzlaff 2020) Eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Konzeptes fand in Brasilien vor der Einführung des heutigen Real mit der URV statt (siehe unten).

Die bewusste Einführung von Parallelwährungen als Korrekturmaßnahme wurde inzwischen aber zu einem fast vergessenen Konzept, das der noch immer herrschenden Lehrmeinung einer angeblichen Geldneutralität widerspricht. Trotzdem sind vor allem in den Jahren seit der Finanzkrise 2008 sehr viele neue Vorschläge zur Einführung von Parallelwährungen gemacht worden, wie zum Beispiel zur Lösung der Eurokrise in den PIGS-Staaten (siehe Griechenland im folgenden Abschnitt). Mit dem Auftreten der Blockchain Technologie hat sich die Diskussion wieder belebt und auch in der Praxis sind Parallelwährungen deshalb an vielen Orten zur realen Möglichkeit geworden.

 

Beispiele

 

Es folgen einige historische und aktuelle Beispiele für Parallelwährungen oder damit zusammenhängende Phänomene.

 

USA

In den USA hatte die Verwendung von Parallelwährungen lange Zeit Tradition. Ursprünglich schuf der Staat unter Abraham Lincoln während des Bürgerkriegs ein eigenes direkt emittiertes Papiergeld, die «Greenbacks» genannt wurden, weil ihre Rückseite nur in grüner Farbe bedruckt waren. Diese US-Noten war zuerst nicht mit Gold oder Silber gedeckt, also ein reines «fiat»-Geld. Die Greenbacks konnten parallel mit dem damals von den privaten Banken herausgegebenen Noten verwendet werden, waren aber neben den staatlichen Münzen alleiniges echtes gesetzliches Zahlungsmittel.

Erst 1913 wurde mit dem «Federal Reserve Act» ein Ende der privaten Banknoten beschlossen und das Herausgeben von Banknoten in eine einzige pseudo-staatliche Institution, der Federal Reserve transferiert. Somit bestanden ab dann zwei parallele sehr unterschiedliche Systeme (Doppelwährung) unter dem gleichen Namen «Dollar» als gesetzliche Zahlungsmittel.

Der Unterschied zwischen einer US-Note (Greenback) und einer Federal Reserve Note bestand darin, dass eine US-Note eine direkte staatliche Schuldverschreibung darstellte und vom Finanzministerium direkt und zinslos in den Umlauf gebracht wurde. Federal Reserve Notes dagegen werden zwar gegen staatliche Schuldverschreibungen herausgegeben, müssen aber mittels Zinsen bezahlt werden. Die zwölf Federal Reserve Banks zahlen ihren Eigentümern daraus eine Dividende aus. Das Ende der Bürgerfreundlichen Alternative Greenback kam 1971, als Präsident Nixon die Goldbindung des Dollars aufhob und gleichzeitig, man könnte auch sagen im Schatten der Turbulenzen, die daraus entstanden, wurde die Ausgabe Greenbacks eingestellt. Mit der lapidaren Begründung die US-Noten hätten keine Funktion mehr, die nicht bereits durch die Federal Reserve-Noten ausreichend erfüllt würden, wurden keine neuen US-Noten mehr in Umlauf gebracht. Sicherlich zur Freude der Eigentümer der Federal Reserve, die nun den vollen Zugriff auf die nationale Währung erlangten.

Es gab aber auch später wieder neue Versuche, nach dem Vorbild des Greenbacks staatliches Geld direkt herauszugeben. Zum Beispiel griff Arnold Schwarzenegger als Gouverneur für den US-Bundesstaat Kalifornien im Sommer 2009 auf staatliche Schuldverschreibungen, so genannte IOU’s (von „I owe you: Ich schulde Dir“) als Parallelwährung zurück, um einen Liquiditätsengpass zu überbrücken.

 

Deutschland und der Euroraum

Ohne hier auf die vielfältigen Experimente des frühen 20.Jahrhunderts einzugehen, wurde z.B.  die D-Mark in der DDR inoffiziell als Parallelwährung gehandhabt. Im Zuge der Deutsch-Deutschen Wiedervereinigung plädierten der damalige Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine und viele Sachverständige für die vorübergehende Beibehaltung der Ostmark als Parallelwährung zur DM. „Eine anfängliche Koppelung der Währungen durch einen festen Kurs von etwa 4:1 würde den Umbau der ostdeutschen Wirtschaft abschirmen und DDR-Produkte durch den Preisvorteil wettbewerbsfähig machen.“ (Jarausch, 1995, S.220) Damit sollte eine behutsame Anpassung an die wettbewerblichen Marktverhältnisse des Westens ermöglicht werden. Leider konnte dieser Vorschlag nicht gegen die simple Idee einer “Währungsunion” von Bundeskanzler Kohl durchgesetzt werden.

Und als Vorläufer des Euro wurde parallel zu den bestehenden europäischen Währungen die Europäische Währungseinheit (abgekürzt EWE oder ECU, von englisch European Currency Unit) als übergeordnete Parallelwährung eingeführt. Sie war von 1979 bis 1998 die Rechnungseinheit der Europäischen Gemeinschaften (EG), resp. der Europäischen Union (EU). Es bestanden bereits schon zum Start auch Überlegungen den ECU auszubauen und die Nationalwährungen weiter bestehen zu lassen (Graumann 1979). Darauf wurde aber nicht gehört.

In den ersten Jahren nach der Euro-Einführung flammte das Thema Parallelwährung noch einmal kurz und vereinzelt in außerparlamentarischen Kreisen auf, so z.B. in Großbritannien (Boyle 2003). Mit der Krise 2008 und dann besonders mit der Euro-Krise und dem Griechenland-Desaster von 2011 tauchten die Überlegungen in umgekehrter Richtung, d.h. zur Wiedereinführung von Nationalen Parallelwährungen, wieder auf.

Monneta Experte Ludwig Schuster zählt in der Studie Parallelwährung des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft BVMW (2012, S.6) rund dreissig neue Vorschläge für Parallelwährungen in der Eurozone, unter anderem von namhaften Ökonomen wie Thomas Meyer, Wilhem de Buiter und Richard Douthwaite.

Die Parallelwährungs-Vorschläge kamen aus den unterschiedlichsten ökonomischen und politischen Richtungen und unterschieden sich teils gravierend im Hinblick auf die Motive – „was soll damit eigentlich bezweckt und wem soll damit geholfen werden?“ – aber auch hinsichtlich der konkret vorgeschlagenen Maßnahmen. Bei aller Unterschiedlichkeit waren sich die Befürworter darin einig, dass Parallelwährungen angesichts stark unterschiedlicher wirtschaftlicher Bedingungen in den europäischen Mitgliedsstaaten ein Mittel zur ökonomischen Selbsthilfe und aufholenden Entwicklungen sein könnten. Bei entsprechender Zielstellung seien sie grundsätzlich geeignet, das volkswirtschaftliche Fundament in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu stärken und den gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraum zu stabilisieren, so die Unterzeichner der gemeinsamen Erklärung.

 

Griechenland

Wie bereits erwähnt, hatte die Idee einer staatlichen Parallelwährung bei Vorschlägen zur Bewältigung der Schuldenkrise in Griechenland besondere Aktualität gewonnen. Für Furore sorgte der „Geuro“-Beitrag des damaligen Deutsche Bank Chefvolkswirts Thomas Mayer. Eigene Vorschläge kamen auch von Monneta (Schuster/Kennedy 2011) und (Gelleri 2012). Selbst der griechische Finanzminister Yannis Varoufakis hatte bereits vor Amtsantritt seine eigene Parallelwährungs-Idee FT-Coins (Future-Taxes-Coin) auf Basis von Steuergutschriften und Blockchain-Technologie veröffentlicht und scherzhaft am 1. April 2015 die tatsächliche Einführung angekündigt (Bossone/Cattaneo, 2015). Das wurde ihm aber von den anderen Europäischen Finanzministern übel angerechnet.

Weiter wurde vorgeschlagen, die Drachme oder eine Neue Drachme, respektive einen Neuro (Gelleri, 2015) parallel zum Euro als Binnenwährung einzuführen. Damit sollte die Liquidität geschaffen werden, die durch den Abfluss des Euro entzogen wurde und ohne die die Bevölkerung trotz Leistungsbereitschaft und vorhandener Infrastruktur nicht aus der Not herauskommen kann. Gelleri und Meyer (2012) schlugen auch ein am Modell des Chiemgauer orientiertes Expressgeld vor, das durch den griechischen Staat als elektronische Währung parallel zum Euro herausgegeben werden könnte.

 

Osteuropäische Länder

Der Euro ist aber innerhalb der Europäischen Union nicht die einzige Währung. Besonders in Osteuropa haben sich unter den Ländern, die nicht dem Euro beigetreten sind, einige interessante Beispiele von faktischen Parallelwährungen herausgebildet:

  • Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien haben ihre eigene Währung mit flexiblem Wechselkurs zum Euro behalten. Der Euro spielt aber in der Praxis auch im Inland eine wichtige Rolle.
  • Kroatien hat eine eigene Währung, die in einem nach oben und unten begrenzten Rahmen parallel zum Euro geführt wird.
  • Bosnien und Bulgarien halten eine fixe Bindung ihrer Währung an den Euro mittels der Hilfe eines sogenannten «currency boards»

In einer IMF Studie (Belhocine et.al., 2016) wurden diese verschiedenen Systeme im Zeitraum 2003 bis 2016 miteinander verglichen. Die Resultate zeigen ein differenziertes Bild. Eindeutig zeigte sich, dass die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 von Ländern mit eigener Währung oder flexibler Anbindung besser bewältigt werden konnte. Durch die Anpassung ihrer Wechselkurse wurde der Schock gelindert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit konnte besser erhalten werden. Die Dauer der Rezession war wesentlich kürzer. Außerdem erlebten die Länder mit eigenständiger Währungspolitik danach eine stärkere Erholung ihrer Wirtschaft. Insgesamt deutliche Zeichen, dass eine eigenständige Währung ein gutes Werkzeug und Teil einer resilienten Souveränität eines Landes ist.

 

Italien

Die Parallelwährungsdiskussion flammte im Zusammenhang mit der weiter andauernden Krise des Euro in Italien wieder auf, als Anfang 2019 Pläne der Regierung Salvini/Di Maio bekannt wurden, eine Parallelwährung auf Basis einer staatlichen Schuldverschreibung («Mikroobligation») genannt Mini-Bot (Abkürzung für Mini Buono del Tesoro) herauszugeben. Eine entsprechende Motion wurde im Mai 2019 vom Parlament verabschiedet aber anschließend von den Europäischen Gremien heftig kritisiert. Um die Idee ist es nach der selbstverschuldeten Absetzung der rechten Regierung im September 2019 still geworden. Die Idee hat aber bei einigen Politikern und Künstlern bereits eine erstaunliche Anzahl von Vorschlägen zum Aussehen der möglichen Parallelwährung erzeugt.

 

Argentinien

Argentinien ist bezogen auf Parallel- und Komplementärwährungen eines der interessantesten Länder der Welt. Immer wieder wurden hier von den einzelnen Provinzen parallele Währungen auf der Basis von Schuldscheinen auf zukünftige Steuern herausgegeben. Théret zählt im Zeitraum von 1890 bis 2003 vier «Wellen» von solchen Erscheinungen (2017, p.11ff.), wobei die letzte Welle 2001-2003 während einer großen Währungskrise stattfand. (Diese wurde hervorgerufen durch eine neoliberale Politik und eine fixen Dollarbindung des Peso, was zu einer Überbewertung und einer daraus folgenden enormen Verschuldung führte.)

Die Provinzwährungen wurden «Bonos de Cancelación de Deudas» (Anleihen zur Schuldentigung) genannt und hießen dann z.B. «Quebracho» (Provinz Chaco), «Petrom» (Provinz Mendoza), “Bocade”  (Provinz Tucman) oder einfach «San Luis» (Provinz San Luis). Zum Höhepunkt der Bewegung in den Jahren 2001-2003 hatten 17 von 23 Provinzen eigene Währungen, viele davon waren zinslose Systeme. Mehr als 30% der nationalen Geldmenge wurde damit zeitweise von Parallelwährungen repräsentiert (Gómez, 2016, S.54). Damit konnte unter anderem der krisenbedingte Einbruch der Geldversorgung und die Einschränkungen der Provinzen durch hohe Überschuldung gemildert werden. Obwohl die argentinische Verfassung eine stark zentralisierte Nationalbank vorsieht, die alleine für die Geldpolitik verantwortlich ist, waren die Provinzwährungen keine Konkurrenz-, sondern Komplementärsysteme, die die zentrale Politik entlastete. Deshalb wurde sie auch offiziell unterstützt oder geduldet (Théret, 2017, p.26-27). In derselben Krise hatte in Argentinien noch ein zweites Währungsphänomen eine Blüte: Die «Redes de Trueque» (RT) (Tauschhandelsnetzwerke). Dies waren nachbarschaftliche Komplementärwährungen, die sich auch übergreifend zu Netzwerken verbanden und die direkte Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Dingen unterstützten (Gómez, 2016). Diese Komplementärwährungen gab es zum Teil bereits seit 1995, doch durch die Krise bekamen sie einen ungeahnten Auftrieb.

Das führte dazu, dass an vielen Orten bis zu vier verschiedene Währungsebenen vorhanden waren und miteinander funktionierten:

  • Lokale Währung (RT)
  • Provinzwährung (Bonos)
  • Landeswährung (Peso)
  • Dollar (als Hartwährung und Wertaufbewahrung)

Argentinien kann damit als gutes Beispiel eines föderalistischen, mehrstufigen Systems gesehen werden, das zwar ungeplant und nur durch die Krise «erzeugt» worden ist, das aber wichtige Hinweise auf ein echt stabiles und zukunftstaugliches Währungssystem geben kann.

Das Ende der Provinzwährungen wurde 2003 erreicht, als die Zentralregierung und auch die Provinzregierungen selbst unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds IWF das Versagen einiger weniger solcher Währungen zum Anlass nahmen, alle zusammen zurückzurufen und zu beenden (vgl. Théret, 2017, p.8).

 

Brasilien

Die Unidade Real de Valor oder URV (portugiesisch, Realwerteinheit) war eine Parallelwährung, die im März 1994 als Teil des “Plano Real” von Präsident Itamar Franco zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Überwindung wiederkehrender Inflationen in Brasilien geschaffen wurde. Sie war das theoretisch anspruchsvollste Stück des Plano Real und basierte auf einer früheren akademischen Arbeit von Pérsio Arida und André Lara Resende, dem „Larida-Plan“, der 1984 veröffentlicht wurde.

URV war als ein vorübergehendes Instrument konzipiert, um die „psychologische Trägheit“ aufzubrechen, die in der brasilianischen Mentalität vermutet wurde und die Preise als Folge der subjektiven Einschätzung der Inflation oder einer vorbeugenden Anpassung ohne Kostenbewertung ständig steigen ließ. Die URV sollte als Parallelwährung zu der damals bestehenden Nationalwährung “Cruzeiro-Real” (CR)  abgekoppelt werden von den Auswirkungen der Inflation auf letzteren, die damals 1.200% pro Jahr überstieg. Die Idee bestand darin, die Auswirkungen der Hyperinflation vollständig von der alten Währung (CR) absorbieren zu lassen, während eine neue Währung (nominal gegenüber dem Dollar) stabil sein sollte, indem ihr Wechselkurs gegenüber der alten Währung angepasst wurde. URV war aber eine reine Rechnungswährung. Als der Übergang geglückt war, wurde die neue Währung namens “Real” mit einer 1:1 Parität zur URV eingeführt und sowohl die alte Währung (CR), als auch die URV abgeschafft. Dieses Parallelwährungsexperiment gelang vollauf und transferierte die neue brasilianische Währung bezüglich Inflation wieder auf einen stabilen Wert. Bereits 1999 musste der Real dann aber wegen der grassierenden Kapitalflucht wieder um 50% abgewertet werden. 2

 

Venezuela

Die Idee einer parallelen „Petro“-Währung in Venezuela wurde bereits 2009 durch den damaligen Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, geäußert. Es sollte eine internationale Währung namens „Petro“ geschaffen werden, die hauptsächlich auf den Ölreserven einiger Länder der Welt basieren würde und die Vorherrschaft des Dollars als alleinige Währung im Ölgeschäft brechen könnte. Im Dezember 2017 kündigte der neue Präsident Nicolás Maduro dann die geplante Einführung einer solchen digitalen Währung an. Am 5. Januar 2018, kündigte Nicolás Maduro die Ausgabe von hundert Millionen «Petros» und die Veröffentlichung eines «Whitepapers» (also eines technischen Konzeptes der Währung) an (Chohan 2018). Seither herrscht eine widersprüchliche Informationslage vor. Die Währung sei zwar herausgegeben worden, aber noch keine einzige Transaktion sei vollzogen worden oder ähnliche Meldungen kursieren im Internet. Präsident Trump hat sie bereits verboten und effektiv scheint es diese Währung doch nicht zu geben, etc. (Prospero, 2019). Die Idee mittels einer digitalen Parallelwährung die desolate Lage der Nation zu verbessern ist vorhanden, aber die Umsetzung scheint bisher noch nicht gelungen zu sein. Inzwischen hat sich aber Bitcoin als wichtigste Parallelwährung in Venezuela als «Notwehr gegen den Staat» etabliert, wie die NZZ schreibt.

 

Blockchain-basierte Parallelwährungen

(Siehe auch unseren Einführungsartikel zum Thema)

Der Ursprung der Kryptowährungen liegt einerseits in wissenschaftlicher Forschung zu neuen Datenbanken und Informationssystemen, andererseits in der Bewegung von Cyberpunks, Hackern und Computer-Nerds mit libertären Ideen von Freiheit ohne Staat oder Hierarchien. Das erste funktionsfähige «Produkt» dieser Bewegung, das weltweit Furore machte, war die Kryptowährung Bitcoin (siehe nächster Abschnitt), die mittels der Blockchain-Technologie umgesetzt wurde. Inzwischen wurden die verwendeten digitalen Technologien auf allen Ebenen weiterentwickelt und tausende von neuen Kryptowährungen oder -token sind entstanden. Die meisten davon sind privat geschöpfte Komplementärwährungen, viele Experten sehen in der Blockchain-Technik jedoch eine Möglichkeit effizientere (und hoffentlich bezüglich Nachhaltigkeit auch effektivere) zentralbankgeschöpfte Parallelwährungssysteme zu entwickeln.

 

CBDC = Central Bank Digital Currency

CBDC (genauer Central Bank Issued Digital Currency) – digitales Zentralbankgeld – ist eine Bezeichnung für neue digitale Währungen, welche von Zentralbanken herausgegeben werden sollen. Die Idee dazu wurde etwa 2013/2014 durch den Erfolg von Bitcoin und weiterer Kryptowährungen angestoßen, hat aber inzwischen bereits verschiedene Wandlungen und Weiterentwicklungen erfahren: «Anfänglich hatte man sich das digitale Zentralbankgeld als ein Kryptogeld in Landeswährung vorgestellt, auf Basis der Distributed-Ledger- und Blockchain-Technologie. (…) Auch die Verlautbarungen der Bank von England zu Central Bank Issued Digital Currency suggerierten zunächst, es würde sich um Kryptogeld handeln.» (Huber, 2018, S.3) Bald wurde dies aber generalisiert und gesagt, digitales Zentralbankgeld sei eine neue Geldart, die zwar den privaten Kryptowährungen etwas entgegensetzen soll, die selbst aber kein Kryptogeld sein muss. «Es gehe vielmehr um eine ‚kontobasierte Lösung‘, also um unbares Zentralbankgeld auf Konten für den Publikumsverkehr.» (ebd.) Dies aufgrund der Erkenntnis, dass blockchainbasierte Währungen in absehbarer Zeit nicht imstande sein werden, die Anforderungen von Zentralbankgeld zu erfüllen (Z.B. ein ausreichender Durchsatz von Transaktionen). Somit sind die aktuellen Konzepte, an denen gearbeitet wird primär solche, die zentralisierte kontobasierte Währungen vorschlagen. Grundsätzlich handelt es sich also um Parallelwährungen nach unserer weiteren Definition, die 1:1 an die nationale Währung gekoppelt wären und einfach technisch auf einem anderen System betrieben würde, sei es eine Blockchain oder ein Serversystem für kontobasierte Versionen.

Bereits weit fortgeschrittene Überlegungen zu CBDC hat die schwedische Notenbank (Riksbank) mit der E-Krona gemacht. Dabei wurde besonders von der Situation ausgegangen, dass in Schweden die Bargeldnutzung stark schwindet und damit die Frage auftaucht, ob ein «Digitales Bargeld» (digital cash) als Ersatz und Komplement geschaffen werden sollte. Es wurden verschiedene Studien dazu gemacht, die folgende Punkte beinhalten (Söderberg, 2019):

  • Kann ein «Markt der Zahlungsmittel», der gänzlich von privaten Akteuren dominiert wird garantieren, dass Zahlungssysteme für die ganze Gesellschaft funktionieren?
  • Könnte eine staatliche digitale Währung, eine E-Krona, einige Probleme einer bargeldlosen Gesellschaft lösen (z.B. bei einem Stromausfall)?
  • Welche Effekte hätte eine E-Krona auf die Finanzmärkte?

Während Schweden damit einen Ansatz für die Sicherung der nationalen Währungsinfrastruktur für die Bevölkerung sieht und sich ausdrücklich als ein konto- basierter Ansatz versteht, lassen die Überlegungen der Bank of England es offen, ob digitale Währung Kryptogeld oder Kontogeld sein soll. Auch wurden im englischen Modell noch weitere Varianten vorgeschlagen, wo z.B. CBDC nur für Banken verwendbar wäre (was die Grundidee wieder stark relativieren würde, Huber, 2018, S.9f.).

Weitere Länder und Notenbanken prüfen Möglichkeiten und Auswirkungen einer eigenen digitalen Währung. Zusammen mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), haben die Bank of Canada, die Bank of England, die Bank of Japan, die Europäische Zentralbank, die Sveriges Riksbank und die Schweizerische Nationalbank kürzlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um Erfahrungen beim Evaluieren der Einsatzmöglichkeiten von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) in ihrem jeweiligen Heimatland bzw. Hoheitsgebiet auszutauschen. (SNB, 2020) Im deutschen Bundestag gab es 2019 bereits eine Anfrage der FDP zu CBDC und im Januar 2020 äußerte sich der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, in einer Rede zu offenen Fragen, die er sieht. « Je nach Ausgestaltung würden die Kunden womöglich in großem Stil von Bankguthaben in digitales Zentralbankgeld umschichten. Das würde längerfristig das Finanzsystem erheblich verändern. Und im Falle einer Bankenkrise könnte die Gefahr eines Bank-Runs steigen, wenn sich die Schäfchen per Mausklick ins Trockene bringen lassen.» Eine eventuelle CBDC-Herausgabe durch die Bundesbank erfordere jedoch eingängige Recherchen, so Weidmann. (Zitiert nach https://www.btc-echo.de/deutsche-bundesbank-erforscht-digitales-zentralbankengeld-cbdc/, Zugriff 06.02.20)

Indirekt gibt er damit natürlich zu, dass das bestehende Bankengeld krisenanfällig ist und ein CBDC als «Vollgeld light» (Huber) eine sicherere und bessere Lösung wäre. Dies allerdings auf Kosten der Geschäftsbanken, die damit möglicherweise einen lukrativen Teil ihres Geschäftsfeldes verlieren würden. Das Thema bleibt also aktuell.

 

Nachhaltigkeitswährungen

Das Konzept der Parallelwährung wird seit kurzem auch als Möglichkeit zur Verwirklichung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen vorgeschlagen. Die Weltakademie für Kunst und Wissenschaft (World Academy of Art & Science, WAAS) hat die „TAO of Finance“-Initiative ins Leben gerufen, die eine Finanzierung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO (Sustainable Development Goals SDG’s) vorschlägt. Dabei sollen „grüne“ Parallelwährungen geschaffen werden, mittels denen unmittelbar die notwendigen Nachhaltigkeitsmaßnahmen finanziert werden könnten. Damit wäre es möglich, die „lock-in“ Situation (Blockierung) zu lösen, in der sich die bestehende Wirtschaft befindet, in der jegliche größere Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit vom Prinzip her nicht machbar sind. Grund dafür ist das bestehende Geld- und Finanzsystem, das alle Finanzströme unaufhaltsam in Spekulation und Vermögenskonzentration ableitet. Der Spiritus Rector der Initiative ist monneta Experte Prof. Dr. Stefan Brunnhuber. Der Vorschlag umfasst eine Trennung der gesamten Wirtschaft in grüne und nachhaltige Belange und eine weiterbestehende konventionelle Wirtschaft. Der Vorschlag umfasst vorerst das „big picture“, also das Grundsystem zur Lösung der Finanzierungsfrage für die Nachhaltigkeitsziele (Brunnhuber 2018). Die genauen Details der neuen wirtschaftlichen Zusammenhänge und des grünen Währungssystems sind zur Zeit noch in Entwicklung. Dazu das Interview mit Professor Brunnhuber zu seinem Vorschlag im Tagesspiegel.

 

Zusammenfassung

Das Konzept der Parallelwährung wird meist als Bedrohung für stabile nationale Währungen dargestellt, hat jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung der Eurokrise und Wiederherstellung einer akzeptablen Lebensqualität für alle Menschen vor allem in den von Währungsturbulenzen betroffenen Ländern eine hohe Relevanz. Die bestehenden Vorschläge für Parallelwährungen zum Beispiel im Euroraum werden jedoch mehrheitlich ignoriert. Dies vor allem deshalb, weil die neoliberal geschulten Fachleute, die heute überall das Sagen haben, Geld als Ware sehen, die am besten weiterhin als staatlich garantiertes Monopol in privaten Händen bleibt. Dies ist sicher mit ein Grund, warum die weiter andauernde Finanzkrise nicht gelöst werden kann und die Stabilität des weltweiten Finanzsystems laufend sinkt. Die Idee von Parallelwährungen hat Potential und hätte es deshalb verdient, genau untersucht und als Lösungsansatz erprobt und umgesetzt zu werden.

 

Weiterführende Links:

MONNETA Aufruf: Ja zu einer Parallelwährung für Griechenland, 2012

Ludwig Schuster, Vortrag bei Ergänzungsveranstaltung zur VfS Jahrestagung in Göttingen, 2012 (PDF-Präsentation,Youtube Video)

Ludwig Schuster, Vortrag bei Veblen Institut, Paris, 2013 (PDF-Präsentation)

Das IFO Institut (Informations- und Forschungsstelle für Wirtschaftsbeobachtung) gibt immer wieder interessante Berichte zu Parallelwährungen heraus.

 

Literaturangaben:

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Bossone, B. / Cattaneo, M. (2015) A parallel currency for Greece: Part I+II. VOX CEPR policy portal. https://voxeu.org/article/parallel-currency-greece-part-i, https://voxeu.org/article/parallel-currency-greece-part-ii

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Brunnhuber, S. (2019):Transforming the Future of Money, Konferenzbeitrag, Inter-University Centre, Dubrovnik – November 18-20, 2019, http://www.worldacademy.org/conference-page/transforming-future-money-papers

Brunnhuber, Stefan (2017) : Financing the Future: An Argument for a Parallel Optional Currency, GLO Discussion Paper, No. 128, Global Labor Organization (GLO), Maastricht, https://www.econstor.eu/bitstream/10419/169413/1/GLO-DP-0128.pdf

BVMW Sammelband (2012): Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Die Parallelwährung: Optionen, Chancen, Risiken  (PDF)

Chohan, U.W. (2018): Cryptocurrencies as Asset-Backed Instruments: The Venezuelan Petro, SSRN: https://ssrn.com/abstract=3119606 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3119606

Council of the European Union (2019): Stablecoins, EF 314 ECOFIN 950, 6.11.2019, https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13571-2019-INIT/en/pdf

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Fußnoten:

  1. Polanyi (2014), definiert die Grundlagen der Wirtschaft und damit des Marktes als Arbeit, Boden und Geld, also nicht als ein undefiniertes „Kapital“, sondern als konkrete Währung.
  2. Quellen (übersetzt und angepasst): Suno Research unter https://www.sunoresearch.com.br/artigos/urv-unidade-real-de-valor/ und https://en.wikipedia.org/wiki/Unidade_real_de_valor