Zum vierten Mal traf sich diesen Mai die internationale Gemeinschaft der über Komplementärwährungen Forschenden, diesmal auf Einladung der Universität Oberta de Catalunya in Barcelona (IV International Conference on Social and Complementary Currencies). Während auf der vergangene Konferenz 2015 in Brasilien (wir berichteten darüber auf MONNETA.org) die Gruppe aufgrund der langen Anreise etwas kleiner ausfiel als die Jahre zuvor in Lyon und Den Haag, kamen diesmal wieder fast 400 Wissenschaftler, Praktiker und Interessierte zusammen, um sich über ihre Ideen, Forschungsergebnisse, Projekte und Herausforderungen auszutauschen.
Plenum zu Komplementärwährungen im öffentlichen Sektor
Unter dem diesjährigen Konferenztitel „Geld, Bewusstsein und Werte für den Sozialen Wandel“ (Money, Consciousness and Values for Social Change) gab es über 170 Beiträge, Vorträge und Workshops. Das besondere Anliegen dieser Konferenzserie, Wissenschaftler und Praktiker in direkten Austausch zu bringen, bereicherte auf der einen Seite das Programm. Auf der anderen Seite fiel jedoch die Qualität der Beiträge sehr unterschiedlich aus. Es wurden sowohl akademische Forschungsberichte als auch neue Projektideen vorgestellt und nicht alle schienen nur um den Informationsaustausch bemüht. Mehrfach wurde auch direkt zu engerer Kooperation und Unterstützung für die präsentierten Projekte aufgerufen. Zusammenfassungen der Beiträge, Videos und andere Dokumenationen der Konferenz könne auf dieser Webseite und dem Menüpunkt „IV Conferencia Internacional MSC“ abgerufen werden.
Vernetzung unter Palmen
Die meisten Teilnehmer kamen dabei aus Spanien, nicht nur wegen der offensichtlichen Nähe zum Konferenzort, sondern auch weil die dortige Komplementärwährungszene in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat. Die meisten lokalen Initiativen arbeiten nach wie vor an Systemen wie Tauschringen, aber es gab auch einige bahnbrechende Projekte mit Beteiligung des öffentlichen Sektors wie z.B. in Santa Coloma de Gramenet, nördlich von Barcelona. Die Stadt war von 2013 bis 2016 Projektpartner im Digipay4Growth EU Projekt. Mittlerweile vergibt die Stadtverwaltung einen Teil ihrer Subventionen in Form einer eigenen Währung. Diese kann nur nach einer Reihe von lokalen Transaktionen zum vollen Wert wieder in Euros getauscht werden. So erhofft sich die Stadt, Kaufkraft lokal zu halten und unabhängige Kleinunternehmer zu unterstützen. Zu dem Thema des Einsatzes und der Unterstützung von KWs im öffentlichen Sektor gab es diesmal eine ganzen Morgen mit internationalen Berichten von Stadtvertretern aus Bristol (Bristol Pound, England), Nantes (SoNantes, Frankreich), Lissabon (Pagoemlixo, Portugal) und Santa Coloma (Grama, Spanien), sowie aus weiteren Städten Spaniens, wie Cordoba und Sevilla.
Dieses Jahr war auch eine Gegensatz besonders wahrnehmbar, der sich schon seit mehreren Jahre in der Komplementärwährungsszene ablesen ließ: Auf der einen Seite die bekannten Modelle und Ansätze zu lokalen Währungen und auf der anderen die Faszination und technischen Möglichkeiten der sogenannten Kryptowährungen. Vielen kam dies wie eine quasi-babylonische Sprachverwirrung vor. Denn nicht nur wenn es um die technischen Begriffe und Protokolle geht, denen die neueste Generation von komplementären Währungen zu Grunde liegen, sondern auch was Zielsetzung, Problemstellungen und Lösungsansätze herkömmlicher Modelle angeht, scheine Realität und hoffnungsvolle Werbebotschaften auseinander zu laufen. „To a hammer everything is a nail“ sagte einer der Teilnehmer und lachte. Denn für die viele Advokaten und Jungunternehmer der hochtechnisierten und investionsreichen Kryptowährungs- und FinTech-Szene, sind anscheinend (oder eben scheinbar) alle Probleme, die die Umsetzung oder Verbreitung von Komplementärwährungen in Vergangenheit und Gegenwart hatten oder haben, mit den neuen Datenbanktechnologien und Handyapplikationen lösbar.
Social Currency Markt – Faire Produkte, faires Geld
Immerhin ließ sich aber auf dieser Konferenz und einem anschließenden Hackathon auch eine neue Gattung von Ansätzen erleben: Die Kreuzung von sozial-orientierten und technologie-getriebenen Ideen und Projekten. Ob diesen die Zukunft der komplementären Geldsysteme allgemein gehört, oder doch nur die Sparte in der es, ganz im Sinne der altbekannten neoliberalen Denkweise, um Effizienz und Profit geht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen.
Dies war auch die erste Konferenz, die offiziell unter dem Logo der 2015 gegründeten Forschungsvereinigung RAMICS organisiert wurde. Diese junge Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erforschung von komplementären Geldsystemen und anderen monetären Innovationen zu repräsentieren und ihre akademischen Stellung zu stärken. Die Konferenzen, die die Gründungsmitglieder schon in den Jahren vor dem Bestehen von RAMICS organisierten, sind ein wichtiger Grundpfeiler für dieses Anliegen. Die ersten zwei Jahre der Vereinigung waren vor allem durch administrative und Kommunikationstätigkeiten geprägt. In Barcelona wurde nun auch die erste Mitgliederversammlung abgehalten. Das Direktorium wurde für die nächsten zwei Jahre um August Corrons, der die diesjährige Konferenz federführend organisierst hatte, und Ricardo Orzi aus Buenos Aires erweitert.
Nun richten sich viele Augen erwartungsvoll in den Fernen Osten, denn RAMICS Direktoriumsmitglied Makato Nishibe hat am letzten Tag in Barcelona angekündigt die Organisation der 5. Konferenz zu monetären Vielfalt 2019 in Japan auszurichten. Wieviele und vor allem welche Ideen und Projekte, die dieses Jahr vorgestellt wurden, sind bis dahin wohl schon umgesetzt?
Die Organisatoren der RAMICS Konferenzen, von links: Jerome Blanc, Lyon (2011); Georgina Gomez, Den Haag (2013); Ariadne Scalfoni Rigo, Salvador de Bahia (2015); August Corrons, Barcelona (2017); Makoto Nishibe, Kyoto (2019)