Klimabonus ist ein Konzept zur regionalen Gestaltung von Klimaschutz. Dreh- und Angelpunkt ist eine Sektoralwährung: der „Klimabonus“. Als Klimawährung sorgt diese für einen finanziellen Kreislauf im Bereich Klimaschutz. Dadurch wird einerseits klimafreundliches Handeln belohnt, andererseits können verbleibende Treibhausgasemissionen kompensiert werden. Dies motiviert Unternehmen, Kommunen sowie Einwohnerinnen und Einwohner sich stärker mit ihrem CO₂-Fußabruck zu beschäftigen und diesen durch die Unterstützung regionaler Klimaschutzmaßnahmen zu verringern.

Der Klimabonus richtet sich an alle Akteurinnen und Akteure in einer Region und trägt zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bei. Für Kommunen ist die Beteiligung mit einem doppelten Vorteil verbunden. Die CO2-Minderungen durch Förderprogramme werden transparent berechnet und die Auszahlung eines Klimabonus fördert lokale und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe.

Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert, ist monneta der Projektpartner für die Klimabonus-Region Flensburg.

Wie sieht dies in der Praxis aus?

Die Stadt Marburg fördert beispielsweise Lastenräder. Dabei wird der Zuschuss nicht in Euro, sondern in Form von Klimaboni ausgezahlt. Für die prognostizierte Minderung der Treibhausgasemissionen in Höhe von 1,25 Tonnen werden 125 Klimaboni ausgezahlt, was einem Wert von 100 Euro pro Tonne CO2 entspricht. Nach dem gleichen Prinzip fördert die Stadt Traunstein die Installation von Photovoltaikanlagen mit Klimaboni. Mit den so erhaltenen Klimaboni können anschließend klimafreundliche Produkte erworben werden. Auch können die Klimaboni an Freundinnen und Freunde oder direkt an Klimaschutzprojekte weitergegeben werden. Dabei entspricht ein Klimabonus einem Euro.

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Weiterhin werden Unternehmen und Vereine motiviert, nicht nur selbst CO2 zu reduzieren, sondern über Klimabonus-Prämien die eigenen Mitarbeitenden oder Kundinnen und Kunden einzubinden. Firmen im Chiemgau fördern zum Beispiel die Anschaffung von Balkonkraftwerken oder die Umstellung auf Ökostrom mit Klimaboni.

Privathaushalte können sich auch beteiligen, indem sie sich Klimaboni durch Reduktionsmaßnahmen verdienen. Nach der Erstellung der persönlichen CO2-Bilanz können sie Reduktionsmaßnahmen aus dem Katalog des Klimabonus auswählen. Wer sich zum Carsharing anmeldet, erhält ebenso Klimaboni, wie für das Reparieren von Jeans, elektrischen Geräten oder alten Fahrrädern. Die Ausgabe erfolgt über kooperierende Betriebe.

Um den Klimabonus bekannt zu machen, werden auf kreative Weise Informationsveranstaltungen durchgeführt: Marburg entwickelte etwa das „Klimadinner“ und in Lüneburg und Leipzig kann man in Stadtführungen verschiedene Möglichkeiten der CO2-Reduktion erkunden. Auch Einsparmöglichkeiten, für die es keine Anreize in Form der Klimaboni gibt – wie zum Beispiel das Vermeiden von Flügen – werden hier thematisiert.

Ziele

Leitend ist der Grundgedanke, den Einsatz des Geldes von seiner mitunter klimaschädlichen Wirkung zu befreien, um stattdessen klimafreundliches Verhalten zu fördern. Dieser Ansatz wurde bereits im Vorgängerprojekt entwickelt.

Im Rahmen des aktuellen Projektes wird dieser Ansatz auf weitere Regionen ausgerollt, was zu einer Einsparung von 40.000 Tonnen CO2 in drei Jahren führen soll. Ziel ist es, mindestens 10.000 Personen zu erreichen und die Bekanntheit des Projekts sukzessive in den beteiligten Regionen zu stärken. Vor allem die Gestaltung effektiver Förderprogramme auf lokaler Ebene soll mit der Sektoralwährung unterstützt werden. Die dabei durch den Klimabonus als „Klimawährung“ erzeugten ökologischen Kreisläufe sind auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Projektablauf

Im ersten Projektjahr werden die gesammelten Erfahrungen in den Projektregionen Chiemgau und Marburg mit Burgwald-Ederbergland vereint und als Anregung an die drei neuen Projektregionen weitergegeben. Es werden Kooperationen mit Städten und Gemeinden geschlossen, um diese in ihrer Klimaschutzstrategie zu unterstützen. Im Vordergrund steht die Aktivierung von Firmen und privaten Haushalten, die zur Treibhausgasminderung im Bereich der Kommune beitragen. Grundlage ist ein Kontrollplan für die Regionen, der innerhalb des ersten Projekthalbjahrs erarbeitet wird. Um die Rebound-Effekte gering zu halten, wird ein nachhaltiger regionaler Kreislauf aufgebaut. Dafür werden eine Mindestanzahl an Klimabonus-Annahmestellen benötigt, die vor allem im ersten Projektjahr gewonnen werden. In jeder Region wird die Vernetzung mit klimafreundlichen Institutionen gefördert und mit möglichst großen Synergien regionale Klimaprojekte umgesetzt. Nach dem ersten Jahr sollen mindestens 3.000 Tonnen CO2 in Projekten wie kommunalen Förderprogrammen oder mit Aktionen zur Reduzierung von CO2 in Betrieben eingespart werden.

Im zweiten Projektjahr wird das Netz der Akzeptanzstellen für den Klimabonus weiter ausgebaut und die Vorgänge weiter professionalisiert. Für die Bildung und breite Öffentlichkeitsarbeit wird ein Klimasparbuch angelegt. Auf Informationsveranstaltungen werden die Belohnungsaktionen mit dem Klimabonus vorgestellt und mit weiteren Hinweisen zur Reduzierung von Treibhausgasen ergänzt. Zum Abschluss des zweiten Projektjahres sollen mindestens 9.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Mit dem Aufbau der fünf regionalen Netzwerke gelingt dem Klimabonus-Projekt eine stärkere öffentliche Anerkennung. Firmen nehmen das Projekt als beständig und seriös wahr. Nach der Bewertung des CO2-Austosses am Firmenstandort, sind sie bereit Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftig die CO2-Emissionen zu reduzieren. Mit Hilfe des Klimabonus werden Mitarbeitende in diese Ideen und Maßnahmen einbezogen. Die einzelnen Bausteine werden dann zu einem einheitlichen Konzept verbunden. Zum Ende des Projekts sollen mindestens drei weitere Regionen bereit sein, das Klimabonus-Konzept umzusetzen. Zwei wissenschaftliche Fachartikel werden im Zusammenhang mit dem Klimabonus spätestens zum Abschluss des Projekts veröffentlicht.

Fazit

In der zweiten Projektphase wird der Ansatz des Klimabonus in weiteren Regionen ausgerollt. Dabei profitiert das Projekt von den gewonnenen Erfahrungen in Bezug auf die Entwicklung von Reduktions- und Kompensationsmaßnahmen. Die Effektivität soll dadurch deutlich gesteigert werden. Durch Projektpartnerschaften mit Kommunen, Verbänden und mittelständischen Firmen entstehen Synergien im Klimabonus-Verbund, im Netzwerk der NKI-Initiativen und im Verbund mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Das Angebot des Klimabonus enthält alle wichtigen Maßnahmen für eine erfolgreiche Klimaschutzstrategie in Kommunen. Diese Maßnahmenpakete reichen von der CO2-Bilanzierung, über die CO2-Minderung bis zum CO2-Ausgleich.

Zahlen und Fakten

Im Vorgängerprojekt, im Zeitraum von Juli 2019 bis Februar 2023, wurden 30.500 Tonnen CO2 gemindert. Über 10.000 Teilnehmende wurden mit dem Klimabonusprojekt bislang erreicht. Dies hat dem Klimabonusprojekt zu großer Bekanntheit verholfen. 60 Firmen haben den Klimabonus akzeptiert und ausgegeben. Es wurden mehrere Projekte für Natursenken (Moorprojekte Kälberteich und Cheiner Moor, Ackerbaumstreifen mit Ökodorf Siebenlinden, Baumpflanzprojekt „Otto pflanzt“) geplant und umgesetzt, davon drei eigenständig und zwei in kooperativen Projekten.

Handelt es sich hierbei, wie die Macher von Seeds behaupten, um eine „regenerative Kryptowährung“ oder um eine in Spiritualität getauchte Krypto-Spekulation?

Ein normales “Produkt-Unboxing” auf YouTube besteht aus zwei Teilen. Erstens untersucht die Person die Box und die Vision, die sie präsentiert. Zweitens öffnet sie die Schachtel, um die Realität zu enthüllen.

Wenn ich also “Unboxings” von Krypto-Token-Systemen mache, stehe ich vor einer einzigartigen Herausforderung, denn die Gründer solcher Systeme glauben oft, dass die äußere Verpackung und das Marketing ihrer Systeme (sozusagen die „Box“) entscheidend dafür ist, wie das Token-System im Inneren der Box zur Realität wird.

Wenn man die äußere Verpackung vieler Krypto-Projekte außer Acht lässt, bleibt oft etwas übrig, das sich recht leer anfühlt. Stellen Sie sich vor, Sie würden Bitcoin-Token begegnen, ohne zuerst den Namen „Bitcoin“ zu lesen, ohne Bilder von glänzenden Münzen oder das Logo zu sehen, oder ohne das Geschrei der Befürworter zu hören, die behauptet, diese Token seine X, Y oder Z. Was würden Sie sehen? Nun, Sie würden nur ein Computersystem zur Neuzuweisung einer begrenzten Anzahl von Nummern zwischen verschiedenen abstrakten Adressen sehen.

Dies ist nicht nur bei Bitcoin der Fall. Eine beträchtliche Anzahl von Krypto-Token-Systemen kann als „ein System zur Neuzuweisung einer begrenzten Anzahl von Nummern zwischen Adressen“ beschrieben werden. Im Laufe der Jahre sind Kryptosysteme immer komplexer geworden, vor allem durch die Einführung von Smart Contracts (Computer-Programme, die auf dem Blockchain-System gehostet und ausgelöst werden können), aber oft hält man Blanko-Token, die in der digitalen Welt eigentlich nur numerische Substantive sind (siehe mein Artikel “I, Token” – auf Englisch). Im Grunde hält man Nummern in limitierter Auflage “in der Hand” und nennt sie Tokens, aber es ist schwer, etwas für sie zu empfinden, wenn sie nicht in eine Geschichte verpackt und mit Farben, Logos und Ideen versehen sind.

Wenn ich ein Jagdmesser finde, zeigt mir allein das Spielen damit, was es kann. Es braucht keine externe Erzählung, und es wird nicht aufhören zu tun, was es tut, wenn man nicht an seine Schärfe glaubt. Krypto-Token-Projekte hingegen gehen oft davon aus, dass ihre Token von einer gemeinschaftlichen Geschichte getragen werden müssen, weshalb sie oft ebenso sehr in ihren Geschichten wie in ihrer Technologie konkurrieren. Einige Projekte präsentieren aggressive oder kriegerische Visionen, bei denen die Token-Inhaber dazu ermutigt werden, sich gegenseitig zu bekriegen und um einen sehr begrenzten Vorrat an Token zu kämpfen, während andere mit einer friedlichen Vision des Strebens nach einer besseren Welt aufwarten. Unabhängig von der Version hoffen sie alle, dass die Geschichte von Menschen aufgegriffen wird, die sie dann in ihre Spielmarken projiziert.

Diese Tendenz zu glauben, dass die „Box“ um die Token herum zu ihrer Realität beitragen wird, kann nicht von der Tatsache getrennt werden, dass viele Krypto-Projekte eine “Warenorientierung” in Bezug auf Geld haben, bei der Geld mit einer „Wertsubstanz“ gleichgesetzt wird. Sie stellen sich oft vor, dass eine Einheit digitalen Geldes ein positives Objekt ist, das durch einen Prozess der gemeinschaftlichen Verzauberung in eine fiktive Wertsubstanz verwandelt werden kann.

Diese Versuche, leere Kryptowährungen mit einer Geschichte zu ummanteln, gibt es inzwischen überall im politischen Spektrum. Faircoin zum Beispiel war ursprünglich nur ein Blanko-Token, der in ein radikal antikapitalistisches Branding gehüllt war, und ich habe linke Kommunen besucht, in denen Menschen sie allein in dem Glauben verwenden, dass sie ihn durch ihre Beharrlichkeit in einen Zustand der Geldwertigkeit bringen können.

Aber abgesehen von der Frage, ob es überhaupt möglich ist, diese Blanko-Marken als Grundlage für ein Geldsystem zu verwenden, gibt es eine noch dunklere Seite dieser Situation. Denn oft werden die Tokens von den Gründern oder Managern des Projekts gegen konventionelles Geld (Dollar, Euro, Pfund usw.) verkauft, was sie in der Regel damit begründen, dass sie das Geld für den Aufbau einer Infrastruktur verwenden werden, die später dabei helfen wird, die Blanko-Münzen in das Geld zu verwandeln, das sie sein sollen.

Aber während die Gründer vieler Krypto-Projekte alle Token an die Öffentlichkeit verkaufen, bestimmt die Geschichte, die sie erzählen, den Umfang der Prüfung die auf sie verwendet wird. Im Fall von aggressiv libertären Krypto-Projekten misstraut jeder jedem, und das kann eine Art von Disziplin für die Gründer schaffen, die ständig Gefahr laufen, als Betrüger bezeichnet zu werden. Bei utopisch geprägten Krypto-Projekten hingegen finden sich die Unterstützer unter dem Banner von Zusammenarbeit und Gemeinschaft zusammen, und die Hoffnung, die sie für eine bessere Welt hegen, kann dazu führen, dass sie den Gründern und ihren Geschichten weniger kritisch gegenüberstehen. Das erlaubt letzteren weitaus mehr Spielraum. Selbst wenn den Token-Inhabern nicht klar ist, wie sich das Projekt entwickeln wird und was die Token sind, halten sie womöglich  länger an ihrem guten Glauben fest.

Das ist es, was ich sehe, wenn ich die Teilnehmer bei SEEDS-Treffen beobachte.

 

Ich wurde im letzten Jahr auf SEEDS aufmerksam, weil viele meiner Hippie-Freunde anfingen, sie mir gegenüber zu erwähnen. Ich besuchte die SEEDS-Website und sah sehr schnell, dass sie einen Token (namens SEEDS) an spirituell orientierte Menschen verkaufen, die ein Gefühl der Verzweiflung gegenüber dem Standard-Kapitalismus empfinden und sich eine „bewusstere“ Gesellschaft wünschen. SEEDS vermarktet sich selbst als regenerative Kryptowährung, die helfen würde, die Ausbeutung der Umwelt zu stoppen und gleichzeitig eine „regenerative Renaissance“ zu unterstützen. Ein Blick auf die Website verriet mir, dass es sich bei dem Token um eine Form von Geld handelt und dass die Plattform auch regenerative Projekte finanzieren würde. Ich erkannte sofort, dass es sich um einen Kategorienfehler handeln müsse, und beschloss, ihn zu entwirren. Während ich dies schreibe (im November 2021), ist SEEDS immer noch aktiv, aber im Umbruch, so dass dieses Unboxing möglicherweise zu gegebener Zeit aktualisiert werden muss. Ich werde zunächst den ideologischen Hintergrund des Projekts beleuchten, bevor ich auf die technischen Aspekte eingehe. Abschließend werde ich auf die Probleme des Projekts eingehen, von denen viele auch für andere Krypto-Token-Projekte gelten.

 

Die äußere Verpackung von SEEDS

Es gibt mindestens drei verschiedene ideologische Traditionen, an die SEEDS mit ihrem Branding und dem Storytelling rund um seinen Token anknüpft. Die erste ist eine Vision der ökologischen und regenerativen Wirtschaft. Ein Großteil der SEEDS-Bilder und -Sprache basiert auf der Tiefenökologie: einer Philosophie, in der die Menschen ermutigt werden, in tiefer Harmonie mit der natürlichen Welt zu leben und ökologischen Mustern zu folgen, anstatt zu versuchen, sich aus dem Einklang mit ihnen herauszureißen. Wenn es im Standardkapitalismus um die zwanghafte und distanzlose Ausbeutung der Erde zum Zwecke des freudlosen Konsums geht, dann geht es in der ökologischen Ökonomie um den aufmerksamen Umgang mit unserer Umwelt, um das ganzheitliche Gedeihen sowohl der menschlichen als auch der nichtmenschlichen Welt. Das Streben nach einer „regenerativen“ Wirtschaft bedeutet, sich gegen den Standard des reinen Extraktivismus zu stellen.

Aber ökologisches Denken beschreibt die Marke SEEDS nicht vollständig. Es gibt viele bodenständige ökologische Praktiker (wie den verstorbenen Bill Mollison, den raubeinigen australischen Pionier der Permakultur), die sich von jeder New-Age-Kultur abwenden würden. Aber SEEDS versucht sehr wohl, die New-Wave-Spiritualität in seine Philosophie zu integrieren. Das zieht Menschen an, die sich für intentionale Gemeinschaften, psychedelische Erfahrungen, Meditation, Yoga und (nicht-westliche) indigene Weisheitstraditionen interessieren.

Schließlich greift SEEDS auf eine Ästhetik der Digitaltechnik zurück, insbesondere auf die Blockchain-Vision von dezentralen digitalen Infrastrukturen als das Betriebssystem einer neuen Welt. Es importiert Sprache aus der Kryptowelt (einschließlich solcher, die aus dem konservativen Libertarismus stammt) und verschmilzt sie mit der Sprache der ökologischen Regeneration und Spiritualität. Rein konservative, libertäre Krypto-Projekte sind besessen von einer hart kodierten „Vertrauenslosigkeit“. Aber SEEDS weicht davon ab und positioniert sich am progressiv-linken Ende des Krypto-Spektrums, indem es sich für eine dezentralisierte digitale Governance interessiert (in der alternative Management-Philosophien wie Soziokratie und Holokratie gedeihen und in der jeder ermutigt wird, an der Entscheidungsfindung mitzuwirken). Die Menschen sind eingeladen, sich als Mitglieder eines zusammenhängenden myzelartigen Netzwerks, eines Rhizoms, eines spirituellen Mandalas, oder als Samen einer regenerativen Renaissance zu fühlen.

Als ich die Online-Zoom-Calls der SEEDS-Gemeinschaft verfolgte, erlebte ich, wie sie sich das Verblassen der „alten Welt“ vorstellten, die mit der Ausplünderung der Erde verbunden war. Und das Aufblühen einer neuen Welt, die von Menschen mit einem neuen Bewusstsein getragen wird welches der Ganzheitlichkeit und „Herz-Zentriertheit“ Vorrang vor der Kommerzialisierung, der Klugheit und Kopf-Zentriertheit einräumt.

SEEDS sieht sich nicht in der Tradition eines linken Aktivismus, bei dem sich Aktivisten in einen anstrengenden und entbehrungsreichen Kampf gegen die Mächte der kapitalistischen Finsternis stürzen und sich dabei ggf aufreiben. Bei SEEDS geht es vielmehr um Wohlbefinden und Selbstfürsorge, und ihre Treffen sind voll von Menschen, die eine New-Age-Sprache wie „Sensing“, „Presencing“ und „Holding Space“ dafür verwenden um darüber zu sprechen wie sie sich fühlen. Ein SEEDS-Treffen kann damit beginnen, dass die Mitglieder zu einer Meditation angeleitet werden, in der sie ermutigt werden, sich eine neue Welt des Überflusses vorzustellen, in der das Teilen und Schenken über die Mentalität des Wettbewerbs triumphiert. Sie verwenden auch häufig das Wort „schön“, was wie eine Anspielung auf Charles Eisensteins Buch “The More Beautiful World Our Hearts Know Is Possible” wirkt. Alles in allem geht es nicht um einen Kampf gegen das System. Die alte Welt erscheint wie eine Raupe, in der sie sich einen Kokon bauen, um darin die Verkörperung einer neuen Wirtschaft zu werden – ein wunderschöner Schmetterling.

Dennoch ist das Projekt nicht ohne ein gewisses aktivistisches Element. SEEDS-Gründer Rieki Cordon verwendet Begriffe aus dem Hacker-Milieu, wenn er sich vorstellt, wie der Übergang zu einer neuen Welt beschleunigt werden kann, indem man sich die Kräfte der alten Welt zunutze macht. Genauer gesagt, haben Rieki und sein Team die Tatsache erkannt, dass eine enorme Menge an spekulativem Kapital derzeit hinter Krypto-Assets her ist. Er spricht davon, „den Schwung der Kryptowelt aufzugreifen“ und ihn als eine Art Brücke zum Neuen zu nutzen.

 

Die drei Gruppen

Was genau ist SEEDS also? Das Projekt hat eine sehr starke Ästhetik und eine bewundernswert starke Gemeinschaft, die es umgibt, aber es ist auch sehr verwirrend und bringt echte Spannungen mit sich. Ihr Einführungsvideo versucht das alles zu erklären, aber schafft das eigentlich nicht.

 

Im Folgenden werde ich also beschreiben, was ich im SEEDS-Ökosystem gesehen habe. Aber ich werde meine eigene Reihenfolge und Terminologie verwenden, weil die Art und Weise, wie die Gründer das Projekt beschreiben, oft vage und widersprüchlich sein kann. Zunächst müssen Sie wissen, dass das SEEDS-Ökosystem in drei Hauptgruppen mit miteinander verbundenen Rollen unterteilt ist.

 

Gruppe 1: Die Gründer/Manager, die den Token gegen Geld verkaufen

Das Projekt wurde 2017 von (soweit ich weiß) Rieki Cordon gestartet, und das Hauptteam läuft unter dem Namen Hypha. Rieki bezeichnet sich nicht gerne als Anführer, aber er wird eindeutig als solcher gesehen, und er und das Hypha-Team nehmen eine aktive Rolle beim Aufbau des Netzwerks ein. Ihre wichtigste anfängliche Aktion bestand darin, einen Blanko-Token namens Seeds zu erstellen, ihn als „regenerative Kryptowährung“ zu brandmarken und ihn nur auf Einladung an sympathisierende Mitglieder der Öffentlichkeit für Geld wie Dollar zu verkaufen (sie verkaufen ihn auch für BTC, aber die werden sie dann wohl für Dollar verkauft haben). Seitdem zahlen sie sich damit selbst auch ein Gehalt aus, während sie eine Infrastruktur für den SEEDS-Token aufbauen (z. B. eine iPhone-App usw.).

Die Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Token kaufen, werden anschließend als „Bürger“ bezeichnet, und sie erhalten ein Stimmrecht, um eine gewisse Kontrolle über die Gründer/Manager auszuüben. Im Einklang mit dem Bild der radikalen Demokratie möchte Hypha nicht als die dominierende Partei innerhalb von SEEDS gesehen werden, sondern bezeichnet sich selbst als „von den Bürgern von SEEDs angeheuert, um Werkzeuge für sie zu bauen“. Dies ist vor allem ein Wunschdenken, denn viele der Bürger verstehen das System nicht und haben die Token nur gekauft, weil sie vom Hypha-Team dazu ermutigt wurden. Dennoch möchte Rieki, dass die Bürger Hypha als einen reinen Auftragnehmer betrachten, der für sie arbeitet.

Steigen wir ein wenig tiefer in die Materie ein. Die genaue technische Struktur ist für unsere Zwecke eher irrelevant, aber hier ist eine grobe Annäherung:

  • Das Hypha-Managementteam nutzte ein Blockchain-System namens EOS, um 3.141.592.653 Blanko-Token zu prägen. Sie bezeichneten diese als „Seeds“.
  • Diese Token wurden zunächst einigen wenigen (Hypha-)Adressen im System zugeordnet. Stellen Sie sich diese Adressen als verschiedene digitale „Lagerhäuser“ vor, in denen das Team die Token aufbewahrt. Ein paar Lagerhäuser sind verschlossen und warten darauf, zu einem späteren Zeitpunkt geöffnet zu werden, während zwei offen sind:
  • Das erste offene Lagerhaus enthält 5% aller Token, die nach und nach an Mitglieder der Öffentlichkeit verkauft werden, um Geld für das Hypha-Team zu sammeln.
  • Die Token aus diesem Lager werden regelmäßig an einen “intelligenten Vertrag” übertragen (man kann sich das wie einen digitalen Verkaufsautomaten vorstellen), der sie an die Öffentlichkeit verkauft.
  • Der Erlös aus diesen Verkäufen geht an das Hypha-Team, aber es gibt Regeln dafür, wie viele Token das Team verkaufen kann und zu welchen Bedingungen: Sie verkaufen sie in Chargen von 1,25% und dürfen die nächste Charge nur verkaufen, wenn sie bestimmte Entwicklungsmeilensteine erreichen (z. B. die Entwicklung der App). Das bedeutet, dass sie sich gegenüber den Bürgern beweisen müssen, bevor sie die nächste Charge für mehr Geld verkaufen dürfen.
  • Der Verkaufsautomat wird streng kontrolliert und funktioniert derzeit nur auf Einladung. Das Team legt den Preis fest, zu dem die Token verkauft werden (es behauptet, eine Methode dafür zu haben, was die Token kosten sollten), und hat frühere Chargen von Token an frühe Käufer viel billiger verkauft als spätere Chargen, um Anreize zu schaffen, sich früh zu beteiligen.
  • Im zweiten bereits geöffneten Lagerhaus befinden sich 35% aller Token, die nach und nach an regenerative Projekte (wie Biobauernhöfe, Aufforstungsinitiativen usw.) verteilt werden. Die Bürger stimmen darüber ab, an wen wieviel verteilt wird.
  • Die verschlossenen Lagerhäuser haben unterschiedliche Zwecke. In einem werden 20% der Token als eine Art Bonus für Hypha aufbewahrt, unter der Bedingung, dass sie alle Etappenziele erreichen. In einem anderen werden 12% für Verbündete des Projekts aufbewahrt, und in einem weiteren werden 8% an „Botschafter“ vergeben, die weitere Menschen für das Projekt gewinnen. Ein weiteres hält die verbleibenden 20% aller Token als eine Art Stabilisierungsfonds für zukünftige Maßnahmen.

Die gesperrten Konten sollten nach dem sogenannten „Go Live“-Ereignis, das für Ende 2021 geplant war, freigegeben werden. Die Phase von SEEDS auf die sich dieser Artikel bezieht ist also „pre Go Live“ (zum aktuellen Status siehe joinseeds.earth).

 

Gruppe 2: Die Bürger, die Token (aus dem ersten Lager) gegen Geld kaufen

Personen, die Seeds-Token kaufen, werden „Bürger“ genannt. Sie halten dadurch einen Anteil am SEEDS-Netzwerk und damit auch ein Stimmrecht, mit dem sie die Handlungen der Gründer/Manager einschränken oder steuern können. Rieki und die anderen Manager werden also technisch von den Bürgern kontrolliert (haben aber in Wirklichkeit viel mehr technisches Know-how und damit mehr politische Macht im System).

Der Token ist übertragbar und hat einen Preis (der allerdings auf sehr undurchsichtige Weise festgelegt wird). Das bedeutet, dass er Tauschobjekt verwendet werden kann, und in dieser Eigenschaft oberflächlich betrachtet wie Geld aussieht. In Wirklichkeit handelt es sich aber um ein digitales Sammlerobjekt, das als Zugangsberechtigung zu einem Netzwerk zukünftiger Projekte der regenerativen Wirtschaft angesehen werden kann.

Sobald Sie ein Bürger von SEEDS geworden sind, gibt es eine ganze Reihe von spielerischen Anreizen, die Sie dazu bringen sollen, als Botschafter für das System zu werben, um neue Leute an Bord zu bringen. Für fast alles, was Sie im System tun, können Sie Punkte sammeln, und diese Punkte können dazu führen, dass Ihnen neue Token aus dem Botschafter.Lagerhaus zugewiesen werden.

Die Bürgerinnen und Bürger von SEEDS haben die Möglichkeit, an einer Reihe von Steuerungs- und Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob das Hauptteam die Meilenstein-Bedingungen erfüllt hat, um die nächste Charge von Token für sich freizuschalten, die für mehr Geld verkauft werden können. Die vielleicht bemerkenswerteste Errungenschaft war, dass sie sich dafür einsetzten, dass das Managementteam über die ursprünglichen “Hypha” hinaus erweitert wurde. Zuvor gab es andere Quasi-Management-Gruppen, darunter eine mit dem Namen Samara, die zum Ökosystem beitrugen, aber nicht bezahlt wurden, so dass jüngste Vorschläge darauf abzielten, diese auf die gleiche Weise wie Hypha zu bezahlen. Bei den jüngsten Diskussionen ging es darum, ob sich diese unterschiedlichen Verwaltungsgruppen in einer quasi wettbewerbsfähigen, quasi-kooperativen Dachorganisation namens SEEDS Commons zusammenschließen sollten, die den bereits erwähnten Automaten, über den Hypha früher die alleinige Kontrolle hatte, übernehmen soll.

Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden auch darüber, welche lokalen Projekte Zuschüsse in Form von SEEDS-Tokens erhalten. Wenden wir uns nun diesem Teil des Systems zu.

 

Gruppe 3: Projekte, die sich um Token-Zuschüsse bewerben

Wenn Sie eine Person sind, die ein Projekt betreibt, das den Werten der SEEDS-Plattform entspricht (z. B. ein Bio-Bauernhof, eine Aufforstungsinitiative oder ein psychedelisches Retreat-Zentrum), können Sie eine Zuteilung von Seeds-Token beantragen. Die Bürgerinnen und Bürger von SEEDS sehen eine Liste dieser Vorschläge auf der App und haben das Recht, für die Projekte zu stimmen, die ihnen gefallen. In regelmäßigen Abständen erhalten die Projekte mit den meisten Stimmen dann die beantragten Token.

Trotz der Rhetorik, dass Seeds eine Währung ist, die zur „Finanzierung“ dieser Projekte verwendet wird, wird dieser Prozess doch von der Dynamik des Tauschhandels bestimmt: Bei der Entscheidung, wie viele Seeds-Token man beantragt, nehmen die Projekte den gewünschten Dollar-Betrag und rechnen ihn über den aktuellen Seeds-Preis in eine entsprechende Anzahl von Token um. Nachdem sie die Token-Zuteilung erhalten haben, müssen sie dann versuchen, diese für die Dollar (oder eine andere Landeswährung) zu verkaufen, die sie für den weiteren Betrieb ihrer Projekte benötigen. Deutlicher gesagt: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen, das Bewässerungsrohre an einen Biobauern verkauft, Seeds-Token als Zahlungsmittel akzeptiert, vor allem wenn es diese Rohre wahrscheinlich von einem globalen Hersteller bezieht, der Metall von Megakonzernen wie ArcelorMittal kauft. Seeds Token sind also nur sehr begrenzt als direktes Zahlungsmittel einsetzbar.

Das SEEDS-Team möchte, dass die Plattform ein „globales Koordinierungssystem für die wirtschaftliche Regeneration“ wird. Theoretisch soll sich das Netzwerk in Zukunft selbst tragen, indem Menschen, die regenerative Projekte betreiben, ihre Seeds-Token verwenden können, um Dienstleistungen (oder Bewässerungsrohre) von anderen Bürgern zu erhalten, anstatt sie in Dollar umtauschen zu müssen, um dann wiederum Dinge in der normalen kapitalistischen Wirtschaft zu kaufen. Lassen Sie uns nun, von dieser Beschreibung ausgehend, die Probleme diskutieren, die ich dabei sehe.

 

Problem 1: Was ist die Grundlage für die Bewertung der Token?

Eines der chaotischsten Elemente des SEEDS-Systems ist die Tatsache, dass Projekte, die Token zur Unterstützung ihrer Projekte zugeteilt bekommen, die Token verkaufen müssen, es aber keine klare Möglichkeit, den Preis zu vorab zu kennen oder zu wissen, warum er gerade so ist, wie er ist. In der Telegram-Gruppe von Seeds gibt es eine Reihe von Leuten, die versuchen, ihre Token zu unterschiedlichen Preisen an andere zu verkaufen – während die Gründer versuchen, den Preis zu regulieren, damit sie weiterhin Token aus ihrem Automaten gewinnbringend verkaufen können und nicht von einem „Schwarzmarkt“ für Token untergraben werden. (Stellen Sie sich vor, Sie nähern sich dem Automaten, um die Token zum offiziellen Preis zu kaufen, werden dann aber von einem leicht verzweifelten Token-Inhaber abgefangen, der versucht, Ihnen seine Token billiger zu verkaufen).

Hier im Bild, ein reales Beispiel für diesen Vorgang aus der “Seeds-Swap” Telegram-Gruppe.

Das Hypha-Team kann zwar den Preis diktieren, zu dem die Token aus den digitalen Automaten verkauft werden können, hat dafür aber eine sehr undurchsichtige Methode. Doch sobald die Bürger Token erworben haben, wollen sie nicht unbedingt vom Team vorgegeben bekommen, wie hoch der Preis auf dem Sekundärmarkt sein soll. Entsprechend ist eine der Debatten, die in der SEEDS-Telegramgruppe geführt wird, ob der Token-Preis, den Hypha (zum Beispiel auf ihrer Website) angibt, besser auf einem offenen Markt abhängig von der Nachfrage bestimmt werden sollte.

In Wirklichkeit wissen weder „der Markt“ noch das Hypha-Team, was die Token letztendlich wert seien, da es sich um etwas handelt, das ich Blanko-Token nenne, und die sich als solche jeder formalen Bewertungsanalyse entziehen. Die Inhaber von Seeds-Token können diese untereinander weitergeben, aber es gibt im SEEDS-Netzwerk noch keinen Dienst, der erklären könnte, warum das sinnvoll wäre. Wenn es bestimmte Dinge gäbe, die es nur im SEEDS-Netzwerk gibt und auf die anderswo nicht zugegriffen werden kann, dann könnte der Token vielleicht als Zugangs-Token für diese Dinge angesehen werden. Aber das ist nicht der Fall.

Hypha versucht, die Token als Utility-Token zu charakterisieren, die eines Tages eine nicht zirkuläre Verwendung im Netzwerk haben werden. Ich sage „nicht-zirkulär“, weil es in bestimmten Krypto-Gruppen eine Tendenz gibt, zu behaupten, dass eine „Verwendung“ ihrer Token darin besteht, Gebühren für die Bewegung ihrer Token zu erheben. Um beispielsweise Bitcoin-Token von einer Adresse zu einer anderen im Bitcoin-Netzwerk zu bewegen, muss man einen kleinen Teil davon als Gebühren an Miner abgeben, und man könnte versuchen, dies als „Verwendung“ der Token zu bezeichnet. Diese Argumentation ist natürlich augenfällig genauso zirkulär, als wenn jemand behauptet, dass US-Dollar eben darum nützlich sein, weil sie zur Begleichung von Gebühren verwendet werden können, die bei der Überweisung anderer US-Dollar anfallen.

In Wirklichkeit scheint es so zu sein, dass die Nachfrage nach den Token entweder von Leuten kommt, die im Kryptowahn gefangen sind (die fast alles kaufen, was wie ein spekulativer Token aussieht), oder solchen, die einfach ihre Unterstützung für die regenerative Renaissance signalisieren wollen. Aber wenn ich regenerative Projekte unterstützen möchte, könnte ich ihnen auch einfach direkt meine Dollars spenden. Warum sollte ich diese selben Dollars dazu verwenden, um erst Seeds-Token vom Hypha-Managementteam zu kaufen, damit das Hypha-Team ein Netzwerk aufbauen kann, um die Seeds-Token hin und her zu bewegen, während der Token selbst für ein Projekt keinen direkten Zugang zu bestimmten regenerativen Dienstleistungen bietet? Momentan kann man nur von einer schwachen symbolischen Verbindung zwischen dem Kauf des Tokens und dem Ziel der Unterstützung einer regenerativen Wirtschaft sprechen.

 

Problem 2: Die Verwechslung von Finanzen und Geld

Es ist sehr auffällig, dass verschiedene Bürger von SEEDS nicht genau zu wissen scheinen, was genau sie besitzen, und dass die im System verwendete Sprache teilweise dafür verantwortlich ist. Insbesondere das Hypha-Team wechselt ständig zwischen verschiedenen Beschreibungen des Systems:

  • Ein Geldsystem, das auf eine regenerative Währung beruht, oder
  • eine Art Finanzsystem zur Finanzierung regenerativer Projekte.

Hier besteht eine große Spannung, denn normalerweise bedeuten Begriffe wie „finanzieren“ oder „finanzieren“ „Geld beschaffen“ (man denke an Sätze wie „wie sollen wir dieses Projekt finanzieren?“), und traditionell wendet man sich dazu nicht einem neuen „Geldsystem“ zu. Vielmehr wenden Sie sich an Finanzinvestoren, die Ihnen konventionelles Geld geben (das Sie sofort für den Kauf von Waren und Dienstleistungen verwenden können, die für den Start Ihres Unternehmens erforderlich sind). Im Gegenzug erhalten sie dafür Finanzverträge wie Aktien oder Anleihen, die das Anrecht auf künftige Gelderträge aus Ihrem Unternehmen einräumen. Bei Finanzverträgen und Aktien geht es um Geld, aber sie sind nicht dasselbe wie Geld.

Diese einfache Unterscheidung zwischen Geldsystem und Finanzsystem ist trotz möglicher Überschneidungen zulässig, denn es gibt zwar Finanzinstitutionen (wie Geschäfts- und Zentralbanken), bei denen die Schaffung von Finanzverträgen gleichzeitig auch neues Geld erschafft, aber viele Finanzinvestoren können dies eben nicht: Wie ein Künstler, der Farbe verwendet, ohne gleich die Farbenindustrie zu kontrollieren, lenken Institutionen wie Hedgefonds, Risikokapitalfonds, Private-Equity-Fonds und Pensionsfonds über kreative Finanzverträge nur bereits existierendes Geld weiter, ohne jedoch das zugrunde liegende Geldsystem zu kontrollieren.

Die Behauptung eines Krypto-Projekts, es baue ein System auf, das gleichzeitig als neues Geldsystem und als neues Finanzsystem fungiert, ist daher umstritten. Diese Behauptung aufzustellen, wäre nachvollziehbar, wenn es sich um Kreditgeld handelt, aber die meisten Krypto-Projekte operieren ausschließlich mit „warenähnlichen“ Blanko-Tokens. Was ist da also los?

Nun, SEEDS hängt sich an einen dominanten Trend der Kryptowelt an, der darauf  hinausläuft, Quasi-Finanzinstrumente (die zur Geldbeschaffung verwendet werden) als „Geld“ zu bezeichnen, und zwar aufgrund der Tatsache, dass sie verkauft werden können. Das Team verkauft den Token de facto, um Dollars für sich selbst zu beschaffen. Dies führt dazu, dass der Token wie eine Art Aktie aussieht, wenngleich ohne jegliche Rechtsansprüche. Gleichzeitig fühlen sich diejenigen, die ihn kaufen, als Investoren, die sich um den Wiederverkaufswert ihrer Investition sorgen. Wie ich bereits in meinem letzten Artikel beschrieben habe (siehe hier, nur für Abonnenten, auf Englisch), bedeutet die Tatsache, dass dieses Objekt 1. einen Preis hat, 2. bewegt werden kann, 3. nur sehr wenige Eigenschaften hat und 4. als „Geld“ vermarktet wird, dass es gut darin ist, sich an unserem Entdeckungsradar für Tauschhandel-Vorgänge vorbeizuschleichen.

Wenn SEEDS sagt, dass das System die Regeneration mit einer neuen „Währung“ „finanzieren“ wird, heißt das in Wirklichkeit: „Wir haben gegenläufige spekulative digitale Objekte mit einem Dollarpreis geschaffen und werden sie an Regenerationsprojekte weitergeben“.

So wie es aussieht, sehen sich die Token-Inhaber in diesem System zur Hälfte als Investoren, die eine Art langfristiges Finanzinstrument halten, und zur Hälfte als Geldbesitzer, die einen kurzfristig übertragbaren Geld-Token halten. Diese Dissonanz wird nicht offen zugegeben, sondern eher damit erklärt, dass es sich bei dem Token um eine Art radikal innovatives Hybridprodukt oder einen sogenannten „Utility Token“ handelt.

 

Problem 3: Transparenz beim Reiten auf der Kryptowelle

Faircoin war das erste der linksgerichteten Projekte, das offen darüber sprach, die spekulative Kryptowelle auszunutzen, um Dollar für linke Projekte zu sammeln. Auch das SEEDS-Team deutet dies an. Es gibt einen rasanten Spekulationsmarkt für Krypto-Tokens im Allgemeinen, und Rieki deutet manchmal die Idee an, dass SEEDS den Krypto-Hype nutzt, um Dollar für Regenerationsprojekte zu sammeln (oder, genauer gesagt, um Tokens an Projekte zu geben, damit diese sich dafür Dollars besorgen können). Wenn der Spätkapitalismus große Mengen von Geld in den Kauf von Krypto-Assets leitet, egal was diese repräsentieren, warum dann nicht auch „regenerative Krypto-Tokens“ herausgeben, um etwas davon abzufangen?

Dennoch scheuen sich die Macher davor, das Projekt vollständig in diesem Sinne zu charakterisieren. Es ist fast so, als ob sie zur Hälfte die spekulative Energie einfangen und zur Hälfte die Idee aufrechterhalten wollen, dass der Seeds-Token schließlich zu einer Art zweckgebundenem Gutschein für Dienstleistungen innerhalb des SEEDS-Ökosystems wird. Sie nutzen diese beiden Positionen, um die Bürger an Bord zu halten: Sie werden Geld verdienen (aka. Dollars), aber sie werden schließlich auch regenerative Dienstleistungen erhalten.

Dies bringt die Bürger in eine merkwürdige und zwiespältige Lage. Im Moment sind die Hauptnutznießer wahrscheinlich die Mitglieder des Hypha-Team, das seit ein paar Jahren von den Erlösen aus ihren Token-Verkäufen leben kann. Sie haben in dieser Zeit sicherlich einiges aufgebaut, aber wir sollten nicht um den heißen Brei herumreden: Rieki und sein Team haben die Spekulationswut der Kryptowelt erkannt und proaktiv einen Token geschaffen, um sich damit Geld zu beschaffen. Das allerdings ohne einen belastbaren Plan dafür zu haben, wie sich das System entwickeln wird, während sie versuchen, die Zeit zu überbrücken, indem sie einen (etwas wackeligen) dezentralen Governance-Prozess schaffen, der die Bürger als diejenigen auszeichnet, die die Kontrolle haben.

Wenn Sie durch die SEEDS-Telegramgruppe scrollen oder die Treffen verfolgen, werden Sie feststellen, dass einige Bürger sich selbst als Quasi-Spekulanten sehen, während andere sich selbst als Spender für ein Team sehen, welches ein Bezahlsystem für spekulative Token aufbaut. Dies alles während die meisten daran glauben, dass der Token schließlich zu einer Art „Geld“ wird, das nur für gute Zwecke verwendet werden kann (obwohl es keinen Grund gibt, warum ein bewegliches digitales Objekt mit einem Preis nicht beispielsweise gegen ein Fass Öl oder eine Waffe eingetauscht werden kann). Nur wenige haben den Eindruck, dass sie die zukünftige Richtung dieser Entwicklung bestimmen können, und genau diese Unklarheit führt zu den unvereinbaren Visionen darüber, wohin das Projekt gehen soll.

 

Problem 4: Die Unaussprechlichkeit von leeren Token

Eine der Möglichkeiten, wie das Team mit dieser Unbestimmtheit umgeht, besteht darin, in den Bereich des Mystischen abzugleiten, was erstaunlich einfach ist, wenn man den Menschen neben der Warenorientierung des Geldes auch gleich Blanko-Wertmarken präsentiert. Die SEEDS-Gemeinschaft muss, wie viele Krypto-Gemeinschaften, daran glauben, dass ihr Blanko-Token durch Annahmen und Glauben in eine fiktive Wertsubstanz verwandelt wird. Aber sie verlassen sich dabei – wie viele andere Krypto-Gemeinschaften auch – auf eine eigenartige Wendung: Sie stellen sich ihre Token als zunächst leere Gefäße vor, die nach und nach den Wert des US-Dollars “aufnehmen” werden.

In der Tat verwenden Rieki und die anderen häufig den Begriff „Wert“, wenn es um US-Dollar (oder andere nationale Währungen) geht, und verwenden Ausdrücke wie:

  • “Wert in das System einbringen“, um den Kauf des Seeds-Tokens mit konventionellem Geld zu umschreiben,
  • “Wert aus dem System herausziehen“ in Bezug auf Menschen, die ihre Seeds-Token gegen Geld verkaufen,
  • “Wert-Eroberung“ für jeden Prozess, durch den der Token im Preis steigt.

Diese Sprache beruht zum einen auf einer Warenorientierung des Dollars, der als Wertsubstanz betrachtet wird, und zum anderen auf der Vorstellung, dass die Tokens von Seeds diesen Wert irgendwie ebenfalls erfassen und „speichern“ können. Der Dollarpreis ist angeblich der Beweis für diese „Speicherung“, wird aber – in einer ironischen Wendung – auch benutzt, um zu zeigen, wie die eigenen Token besser sind als der Dollar.

Zusätzlich zu den oben gezeigten Ausdrücken sagt Rieki zum Beispiel auch Dinge wie: „Eines der Dinge, die die Akzeptanz von Seeds im Moment vorantreiben, ist, dass der Dollar an Wert verliert, während Seeds an Wert gewinnt“, obwohl sein Maßstab für die „Wertsteigerung“ von Seeds eben darin besteht, dass sie einen Dollarpreis haben. Eines der zweifelhaftesten sprachlichen Wendungen stammt ausgerechnet aus ihrem “Token Economics Paper” selbst. Es zeigt eine Grafik, die den Dollar im Abwärtstrend zeigt, während Krypto-Vermögenswerte in einem Aufwärtstrend sind – scheinbar ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass sich der „Aufwärtstrend“ von Krypto-Vermögenswerten allein in Bezug auf genau das Geld beschreiben läßt, das sie im Abwärtstrend sehen.

Wir haben es hier mit einer ganzen Verstrickung von Kategorienfehlern zu tun, aber lassen Sie uns ein wenig herauszoomen. Zunächst einmal sind diese Token eben kein Geld, das mit dem Dollar verglichen werden kann. Es handelt sich vielmehr um Tauscheinheiten, die in Dollar bewertet werden. Zweitens ist jede Formulierung, die impliziert, dass Krypto-Tokens den Wert des US-Dollars „halten“ oder „speichern“, eben jene Art von Verklärung, die für die Warenorientierung des Geldes typisch ist (siehe einen weitere meiner Artikel zu diesem Thema, auf Englisch). Die Tatsache, dass Menschen Geld verwenden, um einen spekulativen Token zu kaufen, bedeutet nicht, dass ein „Wert“ in das System einfließt. Wie ich in einem weiteren Artikel erörtert habe, handelt es sich bei “Wert” vielmehr um tatsächliche Waren und Dienstleistungen, die in einer Wirtschaft produziert werden, und es ist durchaus möglich, dass ein System ganz ohne tatsächlichen Wert, aber voller Spekulationskapital existiert. Bei SEEDS handelt es sich um ein Spekulationsobjekt mit einem variablen Dollarpreis. Mehr nicht.

Das ist leicht zu erkennen, wenn man es mit einem Projekt vergleicht, das ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften repräsentiert, wie ein Stück Ackerland oder eine seltene Briefmarke. Einem Blanko-Token jedoch fehlt solch ein „Rückgrat“, das dann mit dem Dollar verglichen werden kann, so dass es schnell zu einer Verwechslung mit seinem Dollarpreis kommen kann. Wie ich in “I, Token” erläutert habe, sind digitale Blanko-Token buchstäblich numerische Substantive – ausgeschriebene Zahlen -, die auf nichts anderes verweisen als auf sich selbst. Es gibt keinen Ankerpunkt, von dem aus sie im Verhältnis zu anderen Dingen gesehen werden könnten. 10.000 Krypto-„Token“ sind buchstäblich nur die Zahl 10.000, die in einem bestimmten System ausgeschrieben wird, und so ist die Frage, ob 10.000 Token ein Brot oder einen Ferrari wert sind, konzeptionell gleichbedeutend mit der Frage, ob die Zahl 10.000 ein Brot oder einen Ferrari wert ist. Wenn Sie keinen Bezugspunkt für diese Zahl haben, sagt sie Ihnen rein gar nichts über Brot oder Ferraris.

Die einzige Möglichkeit, diese Leere zu überwinden, besteht darin, auf die begrenzte Zahl der Token zu verweisen, in der Hoffnung, dass ein quantitativer Vergleich zwischen den Token und den realen Dingen möglich wird. In Wirklichkeit aber erzeugen leere Token lediglich ein Gefühl des Unbeschreiblichen, ein Gefühl von etwas Namenlosem, das in ihrem Zentrum liegt und das nur angedeutet, aber nie definiert werden kann.

“Unbeschreiblich“ bezieht sich dabei auf jenen Punkt des menschlichen Bewusstseins, an dem der Verstand nicht weiter projizieren kann. Es ist das Gefühl, das man bekommt, wenn man aufgefordert wird, sich vorzustellen, was jenseits von Zeit und Raum liegt. Es ist ein Punkt der Überlastung, an dem die Beschreibung aufhört zu funktionieren, und das ist es, was passiert, wenn den Menschen gesagt wird, dass sie leere Zeichen in eine Substanz von Wert verwandeln sollen, ohne dass sie eine Grundlage dafür haben. Man versucht, etwas festzulegen, das sich im Grunde genommen nicht festlegen lässt, weshalb diese Systeme ein allgegenwärtiges Gefühl des Geheimnisvollen haben.

Das ist auch der Grund, warum sie sich so leicht vom System des Dollars vereinnahmen lassen. In Wirklichkeit sind sie nur sammelbare und bewegliche Zahlen mit einem etwas willkürlichen Dollarpreis – der durch ziemlich willkürliche Spekulationen zustande kam und es ermöglicht, sie für ein Tauschgeschäft zu verwenden. Viele Krypto-Projekte erkennen dies jedoch nicht an und verlassen sich darauf, dass der Token im Laufe der Zeit irgendwie zum Referenzpunkt für „Wert“ selbst wird.

Im Fall von SEEDS hat das Team den Vorteil, dass das leere Zentrum, der leere Token, von einer Sprache ökologischer New-Age-Emergenz und radikaler Verwundbarkeit überlagert ist: Wir wissen nicht, was dieses System wirklich ist, aber das ist OK, denn wir werden es alle gemeinsam entdecken. Das bedeutet, dass bei den SEEDS-Treffen Menschen zusammenkommen, die zwar verunsichert sind, weil sie das Unbeschreibliche spüren, die aber alle in dem Glauben verharren, dass dies alles zu gegebener Zeit schon irgendwie klar werden wird.

Aber wenn eine Gruppe von Menschen eine Warenorientierung auf leere digitale Einheiten anwendet, drängt sie dies unweigerlich zu der Überzeugung, dass der Schlüssel zur Verwandlung des unbeschreiblichen Objekts in funktionales Geld darin liegt, immer mehr Nutzer davon zu bringen, ebendiesen verwirrenden Token zu verwenden. Das gibt ihnen einen Anreiz zum Missionarstum (vor allem, wenn der Token auch für konventionelles Geld verkauft werden kann). Hier kommen wir zu dem etwas bedenklichen Multi-Level-Marketing-Aspekt von SEEDS. Das System bietet alle möglichen Anreize, um Leute dazu zu bringen, andere mit ins Boot zu holen, mit Belohnungen für den Kauf von Seeds, Belohnungen für das Halten von Seeds, für die Überweisung von Seeds und so weiter.

Und hier kommen wir zur letzten Wendung: Ich habe bereits erwähnt, dass die Gemeinschaft ökologisches Denken mit New-Age-Spiritualität verbindet . Und hier liegt ein Problem, denn bei SEEDS dreht sich alles um „Fülle“. Aber dieser Begriff bedeutet in diesen beiden Bereichen zwei gänzlich verschiedene Dinge. In alternativen Wirtschaftsgruppen wird der Kapitalismus oft als eine Art Ausbeutungssystem kritisiert, in dem die Mächtigen Ressourcen horten und sie künstlich verknappen, um dann den Menschen, die diese Dinge brauchen, Profite abknöpfen. In diesem Zusammenhang bezieht sich das „Fülle-Denken“ auf einen Prozess des Loslassens von Konkurrenz, des Fließenlassens von Gütern und des Vertrauens darauf, dass man von anderen versorgt werden wird.

In der New-Age-Spiritualität kann es jedoch auch eine etwas andere Sichtweise geben. Hier wird das „Fülle-Denken“ manchmal als Gegensatz zur Mentalität von Aktivisten gesehen, die sich durch ihre strikte Weigerung, an der Marktwirtschaft teilzunehmen, selbst in eine körperliche und geistige Erschöpfung treiben und somit ein Leben in selbstgewählter Knappheit führen. “Fülle-Denken” kann in diesem Bereich bedeuten, dass es für uns in Ordnung ist, am normalen Kapitalismus teilzunehmen. Eine Person mit einem „Fülle-Denken“ könnte dazu ermutigt werden, die Schuldgefühle loszulassen, die sonst mit dem Verkauf überteuerter spiritueller Schmuckstücke an andere einhergehen würden. Das kann dann Deckmantel für eine Art spirituelle Gaunerei verwendet werden.

Da SEEDS an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Spiritualität angesiedelt ist, hat diese Zweideutigkeit ernsthafte Auswirkungen. Ich habe Menschen erlebt, die zwischen den beiden Definitionen schwanken und ihr Werben für einen spekulativen Krypto-Token als eine Art spirituellen Akt betrachten.

 

Schlussfolgerung

Ich könnte noch weitere Mängel des Projekts aufzählen. Ich könnte z. B. darauf hinweisen, dass in dem Token Economics Paper die Quantitätstheorie des Geldes mit der modernen Geldtheorie verwechselt wird. Ich könnte anmerken, wie sie von der konservativen Standard-Ökonomie beeinflusst wurden, die man auch sonst implizit in Krypto-Kreisen im Allgemeinen findet.

Aber ich möchte dem Projekt zu guter Letzt auch Anerkennung zollen. Rieki und sein Team sahen eindeutig eine Gelegenheit, eine bestimmte Gemeinschaft anzuzapfen, Geld von ihr zu sammeln und sie zu begeistern. Die Treffen sind in der Tat ein Forum für Menschen aus der ganzen Welt, die eine ähnliche Denkweise haben und die sich nun kennenlernen durften. Das ist ein Erfolg, Aber wenn sie wollen, dass das Projekt auch weiterhin erfolgreich ist, brauchen sie eine viel klarer Vision von und für ihren Token, und viel weniger Unklarheiten. Sie scheinen coole Leute zu sein, und ich möchte sie wirklich nicht in ein paar Jahren als Betrüger abstempeln müssen.

 

Ich beginne dieses Unboxing mit ein paar Vorwarnungen. Ich habe mir die Aufgabe gesetzt, ein obskures französisches Währungsexperiment namens „Duniter“ aufzudecken, und das war erwartungsgemäß anstrengend! Ich fand das Projekt sehr herausfordernd und sehr viel Energie ist in die Arbeit geflossen. Der folgende Artikel ist mein erster Versuch, Duniter zu beschreiben, und er könnte für diejenigen unter Ihnen, die sich mit diesen Themen nicht auskennen, zu lang, zu komplex und zu kompliziert sein. Verzweifeln Sie aber nicht, wenn dies der Fall ist. Ich habe für die Zukunft viele einfachere Themen vor, die Ihre Fähigkeit, sich mit schwierigeren “Unboxings” auseinanderzusetzen, verbessern werden.

Trotz seiner Länge und Komplexität möchte ich diesen Artikel jetzt veröffentlichen, um Feedback von denjenigen zu erhalten, die engagiert genug sind, das Ganze durchzuarbeiten. Dies wird mir helfen, einen zweiten, einfacheren Durchlauf zu einem späteren Zeitpunkt vorzubereiten, bei dem ich dann auch das übliche Video produzieren werde.

 

Duniter

 

Duniter ist ein alternatives Währungssystem, das in Frankreich entwickelt wird. Es ist ein Versuch, die “Relative Theorie des Geldes” in die Praxis umzusetzen. Diese Theorie wurde von dem französischen Mathematiker Stéphane Laborde entwickelt. Er wendet Einsteins Konzept der Relativitätstheorie auf das Geld an und versucht so, die ideale Wachstumsrate der Geldmenge und die Lenkung seiner Ausweitung zu bestimmen.

Diese Theorie wurde jedoch vor Duniter entwickelt und sollte unabhängig von ihm betrachtet werden. Duniter ist ein Versuch, sie auf die Ausgabe und Verteilung von Krypto-Tokens anzuwenden.

Was dies mit unseren letzten Unboxings zu tun hat

Bevor wir jedoch weitermachen, möchte ich anmerken, dass ich bei diesem Unboxing dabei ertappte, wie ich auf Konzepte aus einem früheren Unboxing zurückgriff. Als ich die klassische Währung aus dem Monopoly Brettspiel untersuchte zog ich daraus die folgende Lehre:

  •     Im Zusammenhang mit einem Spielbrett, das es verankert, ist Monopoly-Geld extrem stark, aber ohne dieses Brett ist es extrem schwach.
  •     Bestimmte Arten von Alternativwährungen befinden sich in letzterer Position. Einheiten werden in die Welt geworfen, aber ohne ein „Brett“, das sie verankert. Und dann sehen sich ihre Gründer mit der existenziellen Angst konfrontiert, wie sie diese Einheiten den Menschen sinnvoll erscheinen lassen können.
  •     Das „Monopoly-Money-without-a-board“-Problem (MMWAB) ist eine schwache Ausgangsposition, aber ich habe drei mögliche Wege vorgeschlagen, ihr zu entkommen. Die erste besteht darin, intensiv an der Fetischisierung der Einheit zu arbeiten und eine Mystik um sie herum zu schaffen. Dies verleiht ihnen eine soziale Macht, die über ihrern tatsächlichen Nutzen hinausgeht. Die zweite besteht darin, zu versuchen, ein interdependentes Netzwerk von Menschen um die Einheit herum aufzubauen, so dass sie „eingeschlossen“ sind als wären sie auch einem Spielbrett. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, sie in ein Sammlerstück zu verwandeln, das in einer anderen Währung gehandelt wird, und sie dann hauptsächlich für den Finanzhandel zu verwenden (so funktionieren die meisten Kryptowährungen wie Bitcoin).

Duniter befindet sich ebenfalls in einer MMWAB-Situation. Hinter dem Namen steckt eine tiefschürfende Philosophie und ein ganzer Haufen ausgefallener Mathematik, aber letztlich handelt es sich um ein System, das „einseitige“ Kapital-Token an Menschen ausgibt und dann hofft, dass diese Menschen sie als Währung verwenden.

In der Tat ist Duniter am besten als ein Experiment zur Verteilung und Umverteilung digitaler Tokens zu sehen, und es bietet interessante Lektionen in diesem Bereich. Aber die Token, die tatsächlich ausgegeben und weitergereicht werden, sind nicht besonders interessant. Das System basiert auf einer innovativen Low-Energy-Blockchain-Architektur und verfügt über ein interessantes „Web-of-Trust“-System, das den Nutzen Zugriff darauf gewährt, aber ich werde mich hier mehr auf das monetäre Design als auf die technische Umsetzung des Überweisungssystems konzentrieren.

Die Philosophie

Die grundlegende Philosophie von Duniter beginnt mit einer Beschreibung und geht über zu einem Rezept. Ich würde die Beschreibung in etwa so formulieren.

Die Wirtschaft ist kein statisches, in der Zeit eingefrorenes Netzwerk. Sie ist organisch und miteinander verknüpft. Man kann nicht 20 Jahre lang einen Winterschlaf halten und dann erwarten, dass man im künftigen Wirtschaftsnetz den gleichen Wert oder Wohlstand hat wie zuvor. In jeder Wirtschaft gibt es einen dynamischen Fluss zwischen den Generationen, der anerkannt werden sollte.

Dies ist ein wichtiger Ausgangspunkt, der mir gefällt. Es ist ein großer Kontrast zur Philosophie von etwas wie Bitcoin, die die Wirtschaft als eine Art statisches Feld darstellt, in dem der Kaufkraftverlust des Geldes im Laufe der Zeit eine Art „Ungerechtigkeit“ darstellt (siehe meinen Beitrag über Bitcoin-Zeitreisen, um zu sehen, was ich damit meine).

Mit anderen Worten: Duniter erkennt an, dass man Teil eines sich dynamisch verändernden Netzwerks ist, in das immer neue Leute einsteigen, während andere sterben. Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn „Early Adopters“ zum Nachteil der Späteren belohnt werden, denn die zukünftigen Generationen sind diejenigen, die die Produktion wie eine Welle durch die Zeit tragen. Wenn man eine Person ist, die aufgehört hat zu arbeiten, kann man nicht eine jüngere Generation als Geisel halten, indem man ein begrenztes Tauschmittel hortet. Sie können sich dann auch nicht darüber beschweren, dass neue Mitglieder einer Wirtschaft Ihnen die “Kaufkraft stehlen“, indem sie die Einführung neuen Geldes in das System verlangen.

Im Gegensatz zu der hortenden Early-Adopter-Mentalität von Bitcoin ist Duniters Philosophie weit weniger puritanisch und erkennt an, dass eine menschliche Wirtschaft, die durch einen Fluss von Leben und Gütern im Laufe der Zeit gekennzeichnet ist, eher eine dynamische als eine statische Währung benötigt.

Dafür stehe ich auf und spende Beifall. Bravo!

Die eigentliche Frage wird jedoch sein, ob Duniter diese Philosophie tatsächlich in die Praxis umsetzen kann.

Was sie über sich selbst sagen

Duniter geht in seiner Philosophie aber noch weiter. Sie postulieren auch, dass alle Menschen frei und gleich an Rechten sind und dass niemand bei der Geldschöpfung privilegiert werden sollte. Der letztgenannte Punkt erweist sich als sehr zweideutiges Konzept, auf das ich später noch eingehen werde, aber nehmen wir es erst einmal für bare Münze.

Sie interpretieren diese Philosophie wie folgt: „Geldschöpfung sollte gleichmäßig in Raum und Zeit verteilt sein“.

Gleichmäßig im Raum bedeutet einfach, dass jeder an einem bestimmten Startpunkt gleich viel Geld ausgeben sollte. Das bedeutet, wenn man eine Volkswirtschaft von Grund auf neu gründen würde, zusammen mit einem neuen Geldsystem, dann würde jedes Mitglied dieser Volkswirtschaft die Geldmenge gleichermaßen mit erschaffen.

Der Begriff „gleichmäßig in der Zeit“ bezieht sich auf Menschen, die dem System später beitreten werden (nennen wir sie „künftige Generationen“), die „denselben relativen Anteil an Geld schaffen“ müssen wie frühere Generationen (dieses Zitat habe ich aus dem Video, in dem Martin Batiste das System beschreibt).

Der erste Teil des Jargons, den man in der Welt des Duniter verstehen muss, ist, dass man jedes Mal, wenn neue Einheiten in das System eingeführt werden, sagt, dass „eine universelle Dividende ausgegeben wird“. In jedem anderen System würde man dies einfach als „Geldschöpfung“ bezeichnen.

Im Duniter-System ist die Geldschöpfung („universelle Dividende“) ein fortlaufender Prozess, der jeden Tag stattfindet. Mit anderen Worten: Jeden Tag erschafft das Kollektiv gleichermaßen neue Einheiten.

Die beiden Dimensionen (Raum und Zeit) führen sie zu einer mathematischen Gleichung über die Geschwindigkeit beziehungsweise Höhe, mit der sie dies tun sollten. Die Formel erhöht die Geldmenge um etwa 0,026 % pro Tag oder 10 % pro Jahr, ausgehend von einer Lebenserwartung von 80 Jahren in Europa. Nach Angaben des Entwicklers Gael:

    “Zehn Prozent sind so kalibriert, dass man in einem halben Menschenleben, also in 40 Jahren, den gleichen Anteil an der Geldmenge schafft wie jedes Mitglied zuvor. Man sollte nicht privilegiert sein und in seinem Leben einen größeren Anteil an Geld schaffen, nur weil man früher oder später zu Duniter gestoßen ist.“

Das Wachstum der Geldmenge um etwa 10 % im Laufe eines Jahres durch diese wiederholten „Universaldividenden“ bedeutet, dass die Geldmenge exponentiell größer wird, wenn man sie über eine ausreichend lange Zeitspanne betrachtet. Aber während die absolute Zahl der Einheiten wächst, beginnt der relative Prozentsatz der Geldmenge, den jede Person besitzt, mit der Zeit zu konvergieren. Warum das so ist, werde ich später in diesem Beitrag zeigen, aber letztlich bedeutet es, dass diejenigen, die im System reich geworden sind, im Laufe der Zeit relativ weniger Macht haben (mit anderen Worten: die Ungleichheit wird verringert).

Auf alle Probleme, die die Duniter-Methode mit sich bringt, werde ich später in diesem Beitrag eingehen, aber für den Moment wollen wir die grundlegenden Intuitionen hinter dem System in drei Teilen zusammenfassen.

  1. Die Geldmenge sollte dynamisch sein
  2. Die Geldmenge sollte gleichmäßig im Raum verteilt sein
  3. Die Geldmenge sollte über die Zeit gleichmäßig verteilt sein (bzw. zeitlich auftretende Ungleichgewichte in den Geldbilanzen sollten bekämpft werden)

Es gibt verschiedene mathematische Formeln, die sie dazu einführen, um diese Eigenschaften zu beschreiben, aber der Grund, warum ich Duniter so verdammt kompliziert finde, ist nicht wegen seiner Mathematik. Vielmehr liegt es an der eigenwilligen Art und Weise, in der sie darüber sprechen. Lassen Sie uns dies bei der Erläuterung der Strategie näher betrachten.

Die Strategie

Strategie Teil 1: Das System teilt die Einheiten aus

Um bei Duniter einzusteigen, müssen Sie das „Web of Trust“-System durchlaufen. Wir brauchen hier nicht ins Detail zu gehen, aber im Grunde wird damit überprüft, ob Sie tatsächlich ein Mensch sind und nicht ein Algorythmus, der versucht, das System auszunutzen. Im Wesentlichen bürgen einige Freunde, die bereits auf der Plattform sind, für Ihre Existenz, ähnlich wie die bestehenden Mitglieder eines Clubs für ein neues Mitglied bürgen könnten. Ich selbst habe es noch nicht geschafft, mich anzumelden, weil ich nicht genug Leute im System kenne.

Ich weiß aber, dass das System, wenn man erst einmal drin ist, eine Adresse für einen anlegt (nennen wir es der Einfachheit halber ein Konto), der dann Einheiten gutgeschrieben werden, die G1 genannt werden.

An diesem Punkt können wir zwischen drei Dingen unterscheiden:

  1. Das, was technisch im System passiert
  2. Die sprachliche Beschreibung des Geschehens, die vom Team gegeben wird
  3. Die Erfahrung dessen, was geschieht, oder wie es sich anfühlt

Das verwirrendste Element von Duniter ergibt sich aus der Kollision von 2 und 3: Die Beschreibung des Systems entspricht nicht der Erfahrung, die man mit ihm macht. Der Hauptgrund dafür ist einfach: Das Team verkürzt das Konzept der Geldausgabe (oder Geldschöpfung) auf das Konzept des Geld-Erhalts.

Sehen Sie sich den Screenshot oben an. Mir wird gesagt, dass ich Einheiten „produzieren“ werde, und in vielen anderen Mitteilungen sagt das Team, dass die Mitglieder als Teil einer Gemeinschaft Geld imitieren – oder „mit erschaffen“. In Wirklichkeit erhalten Sie jedoch Einheiten auf Ihr Konto ohne etwas zu tun. Die Ausgabe ist ein “Emanationskonzept” (Einheiten gehen von mir aus, entfernen sich dann aber von mir) und der Empfang ist ein „Einsammelkonzept“ (Einheiten werden von mir angezogen).

In Wirklichkeit ist es das Duniter System selbst, das Einheiten schafft und an Sie ausgibt, während es sagt, dass Sie – und jeder andere – die Ausgabe vornehmen.

Die genauere Art, sich das Duniter-System vorzustellen, ist, es einfach als ein wohlwollendes „digitales Lagerhaus“ zu betrachten, das Einheiten erzeugt und sie dann im Laufe der Zeit gleichmäßig an alle verteilt. Wenn man in den Club eintritt, kann man diese Einheiten aus dem Lagerhaus beziehen. Das ist eine ganz andere Erfahrung als das Gefühl, eine Einheit zu „erschaffen“ und sie an andere weiterzugeben.

Duniter spricht auch von Rechten an Geld, aber es ist sehr unklar, was das eigentlich bedeutet. Wenn jemand zu mir sagt: „Du hast das gleiche Recht, dieses Feld zum Weiden deiner Schafe zu nutzen“, ist das eindeutig, aber wenn jemand zu mir sagt: „Aufgrund deines Geburtsrechts solltest du das gleiche Recht auf Geld haben“, kann das viele verschiedene Dinge bedeuten.

In einem Standard-Kreditgeldsystem beispielsweise gibt es tatsächlich zwei verschiedene Klassen von Akteuren – Geldemittenten und Geldnutzer – mit unterschiedlichen Beziehungen zum Geld. Das Recht, Geld zu schaffen, ist nicht dasselbe wie das Recht sich Geld von anderen geben zu lassen.

  • Das Grundeinkommen zum Beispiel ist normalerweise ein Konzept, das mit letzterem zusammenhängt: Geldnutzer haben das Recht, gleiche Mengen von Geldeinheiten zu erhalten, die von einem Geldemittenten ausgegeben wurden.
  • Das gleiche Recht auf Ausgabe ist dagegen ein Konzept, das eher mit gegenseitigen Kreditsystemen in Zusammenhang gebracht wird, bei denen jeder die Möglichkeit hat, Einheiten bis zu einer vereinbarten Grenze auszugeben und dabei implizit zu schöpfen.

Duniter neigt stark dazu, diese Unterscheidungen in einer einzigen Klasse zusammenzufassen, was sehr verwirrend ist. Auf ihrer Website schreiben sie zum Beispiel folgendes:

    “Jedes Mitglied ist Mitproduzent des Geldes, ohne etwas zu tun, sondern nur weil es Teil der monetären Gemeinschaft ist. So entsteht das Geld: Jedes Mitglied erhält regelmäßig eine Universaldividende (d.h. ein monetäres Grundeinkommen), die aus neuem Geld stammt, das direkt von Mitgliedern und für Mitglieder herausgegeben wird.“

Sie machen auch ähnliche Aussagen wie „nur weil du lebst, schaffst du Geld wie jeder andere“, aber während ich die einzelnen Worte in diesen Sätzen verstehen kann, erzeugen sie zusammengenommen einen Zusammenprall widersprüchlicher Konzepte, die mehrere widersprüchliche Bilder von dem erzeugen, was du tust.

Zum Beispiel in dem oben zitierten Absatz:

  •     Ich ‚produziere‘ angeblich Geld, ohne etwas zu tun
  •     Aber dann kommt das Geld von anderen Mitgliedern zu mir
  •     Aber es kommt als „Grundeinkommen“ an, was impliziert, dass ich ein Geldnutzer und nicht ein Geldausgeber bin
  •     Aber ich „emittiere“ es auch, was bedeutet, dass ich ein Geldemittent bin.
  •     Aber wir geben es alle gleichermaßen an einander heraus, ohne etwas zu tun.

Denken Sie darüber nach. Ein gleiches Recht, Geld zu emittieren, bedeutet nicht, dass Sie gezwungen sind, es an alle gleichermaßen zu emittieren, und ebenso bedeutet ein gleiches Recht, emittiertes Geld zu erhalten, nicht, dass jeder ein Emittent sein muss. Was würde es überhaupt bedeuten, wenn alle gleichermaßen Geld ausgeben und erhalten würden? Dies ist eine sehr abstrakte Art, sich Geld vorzustellen.

Das Duniter-Team hat in der Tat einige konzeptionelle Fehler bei der Darstellung seines Systems gemacht, und alles wäre viel einfacher, wenn sie es einfach so ausdrücken würden:

    “Unser System ist so programmiert, dass es Ihnen zu gleichen Teilen Einheiten gutschreibt, die Sie dann verwenden können. Sie haben das gleiche Recht wie alle anderen, diese Einheiten zu erhalten. Ihr müsst nichts tun. Sie kommen einfach zu Ihnen. Es liegt jedoch an Ihnen, zu versuchen, diese Einheiten in ein brauchbares Geldsystem zu verwandeln, denn in ihrem ursprünglichen Zustand sind sie nur digitale Token, die Ihnen ausgehändigt werden.”

Dies ist eine viel realistischere Grundlage für das Verständnis des Systems. Es bedeutet jedoch, dass Sie jedes Mal, wenn Sie jemanden aus dem Duniter-Team sagen hören, „jeder gibt im System gleich viel heraus“, dies durch Umkehrung der Reihenfolge in „das System gibt an jeden gleich viel heraus“ übersetzen müssen.

Strategie Teil 2: Die Leute geben die Einheiten weiter

Sobald Ihr Konto erstellt und mit Einheiten aus dem „digitalen Lager“ aufgeladen ist, können Sie diese weitergeben. Das Duniter-Team bemüht sich sehr um die Einrichtung von Marktplätzen (siehe z. B. den Gannonce-Marktplatz). Um das MMWAB-Dilemma zu bekämpfen, muss ein dichtes Netz von Menschen sich verpflichten, echte Waren und Dienstleistungen freizugeben, wenn sie von einem anderen Mitglied des Systems eine Zahlung in Duniter Einheiten erhalten. Auf diese Weise können die Einheiten den Eindruck erwecken, dass sie im Hintergrund doch ein „Spielbrett“ haben.

Die Marktplätze scheinen recht aktiv zu sein, was recht beeindruckend ist und darauf hindeutet, dass es ein motiviertes Team gibt, das die G1-Einheit in einer Gemeinschaft propagiert. Also, bravo dafür.

Strategie Teil 3: Das System gibt mehr Einheiten aus, um die Ungleichheit im Laufe der Zeit zu bekämpfen

Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat das „digitale Lager“ eine bestimmte Anzahl von G1-Einheiten ausgegeben. Duniter neigt dazu, dies als „Geldmasse“ zu bezeichnen. Man könnte sie auch als „Geldmenge“ bezeichnen, oder – wenn ich pedantisch sein will – als „Tokenmenge“ (Token dürfen sich erst dann „Geld“ nennen, wenn sie ihre Geldwertigkeit bewiesen haben)

Diese „Geldmasse“ kann im Prinzip mit der Gesamtzahl der Waren und Dienstleistungen verglichen werden, die auf den Marktplätzen zum Kauf angeboten werden.

Sobald es jedoch Marktplätze und ein wirtschaftliches Netzwerk von Menschen gibt, besteht für bestimmte Personen in diesem Netzwerk die Möglichkeit, mehr Einheiten anzuhäufen als andere (d. h. reich zu werden).

Stellen Sie sich also vor, eine Person schafft es, 15 % der Einheiten anzuhäufen. Dies würde sie in eine mächtige Position bringen. Der normale Ansatz zur Verringerung der Ungleichheit bestünde darin, den Reichen die Einheiten wegzunehmen und sie an andere umzuverteilen, aber die Duniter-Methode besteht darin, einfach neue Einheiten an alle gleichermaßen auszugeben.

Dies mag zunächst kontraintuitiv erscheinen – wie kann die Ausgabe von mehr Einheiten die Ungleichheit verringern?

Nun, wenn alle gleichermaßen neue Anteile erhalten (durch die so genannte „Universaldividende“), erhöht sich zwar die Gesamtgeldmenge, aber die Person, die zuvor 15 % davon besaß, wird nach der Erhöhung einen relativ geringeren Anteil besitzen. Hier eine stark vereinfachte Darstellung mit einer 10%igen „Universaldividende“.

  •     Stellen Sie sich vor, es gäbe 1000 Einheiten im System und 100 Personen, die alle mit je 10 Einheiten beginnen.
  •     Nachdem im Laufe des Handels eine Reihe von Zahlungen erfolgt sind, schafft es ein Großer in der Gemeinschaft, 150 der Einheiten anzuhäufen, was 15 % der Geldmasse entspricht
  •     Stellen Sie sich nun vor, das System gibt jeder Person 1 neue Einheit als „universelle Dividende“ (das sind 10% von 1000, geteilt durch 100 Personen, also 1 Einheit pro Person).
  •     Durch diese Aktion gelangen 100 neue Einheiten in das System. Das bedeutet, dass sich die Gesamtgeldmenge auf 1100 erhöht hat, während der neue Kontostand des Großverdieners nun 151 beträgt. Ihr Anteil an der Geldmasse wurde soeben auf 13,7 % gesenkt. (Von 150 Einheiten von 1000 auf jetzt 151 Einheiten von 1100)
  •     Auf der anderen Seite hat jemand, der vorher 0 hatte (nachdem er seine Einheiten an den Big-Shot gegeben hat), jetzt 1. Sein Guthaben ist von 0% auf 0,09% der Geldmasse gestiegen (0 von 1000 auf 1 von 1100)
  •     Jemand, der vorher 10 hatte, hat jetzt 11, was 1% entspricht (11 von 1100). Man beachte, dass er ursprünglich auch 1% hatte (10 von 1000), sein Anteil ist also konstant geblieben. Die relativen Veränderungen in der Macht sind nur auf den Konten eingetreten, auf denen die ursprüngliche Ungleichheit aufgetreten ist.

Es handelt sich um ein „Rücksetzungssystem“, das für jede Form der Ungleichheit zwischen den Räumen und Zeiten im System gilt. Es betrifft nicht nur „bestehende Generationen mit höheren Guthaben als zukünftige Generationen“. Es betrifft reiche Menschen mit höheren Guthaben als ärmere Menschen.

Und um es klar zu sagen: Das System gewährt Ihnen nicht so sehr ein „Grundeinkommen“ oder eine „Universaldividende“, sondern es verwässert die Guthaben derjenigen, deren Anteil an der Geldmasse höher ist als der durchschnittliche Anteil (berechnet durch Division der Geldmasse durch die Anzahl der Personen im System), während die Guthaben derjenigen, die unter dem Durchschnitt liegen, gestärkt werden. Jeder Reset bringt die Menschen näher an den Durchschnitt heran, was zu einer Konvergenz zum Mittelwert führt.

Strategie Teil 4: Bekämpfung der Inflationsphantasie

Um ein traditionelles Grundeinkommen einzuführen, könnte ein Staat Geld aus dem Verkehr ziehen – beispielsweise durch Besteuerung – und es dann in gleicher Höhe an alle ausgeben. Der Nettoeffekt ist, dass die Geldmenge gleich bleibt, während die Reichen durch die Besteuerung mehr Geld verlieren als sie durch das Grundeinkommen gewinnen. Dies führt zu einer Nettoumverteilung der Macht im System, während die Macht der Geldeinheiten ungefähr gleich bleibt.

Bei Duniter hingegen werden keine Einheiten durch Besteuerung abgezogen. Vielmehr vergrößert das „digitale Lagerhaus“ die Geldmasse, indem es neue Einheiten gleichmäßig auf alle Konten ausschüttet. Dies hat zwar den Effekt, dass sich die Machtverhältnisse im System ändern, aber – in seiner jetzigen Formulierung – auch, dass die Macht der Einheiten sinkt. Mit anderen Worten: Die G1-Einheiten expandieren unabhängig davon, ob die Produktion oder der Markt expandiert.

Dies birgt die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, die Token würden sich ins Nichts aufblähen, was das bestehende MMWAB-Problem weiter verschärft. Dies stellt ein echtes Problem dar, wenn es darum geht, die Nutzer zur Annahme der Tokens zu bewegen, denn das Angebot wächst nach einer abstrakten Formel und nicht als Reaktion auf einen Anstieg der tatsächlichen Produktion von realen Waren und Dienstleistungen.

Ein traditionelles Grundeinkommen würde diese Psychologie vermeiden, denn erstens wird es erst eingeführt, wenn die Menschen bereits stark von den Geldeinheiten abhängig sind, und zweitens sind sich die Menschen der Besteuerung bewusst (im Hinterkopf ist der Glaube, dass der Staat Geld einnimmt, bevor er es wieder ausgibt).

Anstatt die Ungleichheit durch ungleiche Besteuerung und Umverteilung aus dem System herauszuholen, versucht Duniter, sie durch eine gleichmäßige Geldausgabe zu beseitigen, aber das bedeutet, dass sie ständig Gefahr laufen, eine Inflationsangst zu erzeugen. Dies erfordert eine Möglichkeit, die Sichtweise der Menschen auf die Einheiten an die Inflation anzupassen, und dies geschieht durch die Schaffung einer völlig neuen „konstanten Einheit“.

Es gibt eine komplizierte Art, diese Einheit zu beschreiben, oder eine einfachere Art. Ich entscheide mich für Letzteres, auch wenn das Team diese Methode nicht verwendet, um sie zu beschreiben. Es ist erwähnenswert, dass ich die Beschreibung des Teams sehr verwirrend fand, so dass es möglich ist, dass ich falsch interpretiert habe, was hier vor sich geht (wenn Sie denken, dass ich das habe, lassen Sie es mich bitte wissen!)

Es läuft also folgendermassen:

  •     Der Schlüsselmechanismus des Duniter-Systems besteht darin, dass jede Person jeden Tag eine universelle Dividende erhält, die sich aus einer wechselnden Anzahl von G1-Einheiten zusammensetzt
  •     Kürzen wir den Begriff „Universaldividende“ auf UD ab und formulieren wir den letzten Satz formaler: Jede Person erhält täglich 1 UD, bestehend aus X Einheiten G1.

In dem obigen Satz sind zwei Mengen enthalten.

  1.     Die 1 UD, einmal pro Tag
  2.     Die Anzahl der G1-Einheiten pro Person

Die erste Größe bleibt konstant – die Menschen erhalten immer „eine Universaldividende pro Tag“ – während sich die zweite Größe ändert. Wenn Sie die Aufmerksamkeit auf das lenken wollen, was konstant ist, und nicht auf das, was sich ändert, könnten Sie die Aufmerksamkeit auf die „1 UD pro Tag“ lenken.

Duniter verwendet dies, um ihr System in zwei Einheiten zu unterteilen: Die eine bezieht sich auf die absolute Anzahl der digitalen Einheiten, die Ihnen vom System zur Verfügung gestellt werden. Dies ist G1.

Die andere ist die Anzahl von G1, ausgedrückt in der Anzahl der UDs, die es repräsentiert. Dies wird als UDg1 bezeichnet.

Man könnte UDg1 als „die Anzahl der Male, die das System Ihnen ein UD aushändigen müsste, um die Anzahl der G1-Einheiten zu erhalten, die Sie haben“ formulieren. Wir können daraus eine Tautologie bilden, indem wir sagen: 1 UD = 1 UDg1, was umgangssprachlich bedeuten würde: „Eine Universaldividende ist X Anzahl von G1. Um X Anzahl von G1 zu erhalten, braucht man eine Universaldividende“.

Jede Menge an G1 im System kann durch diese Linse betrachtet und in Bezug auf die Anzahl der darin enthaltenen UDs eingeordnet werden. Da die Tagesdividende (UD) in absoluten Zahlen im Laufe der Zeit ansteigt, werden die früher ausgegebenen Tagesdividenden im Vergleich zur aktuellen relativ weniger. Ältere Guthaben, die aus älteren Tagesdividenden bestehen, sind implizit „verfallend“, wenn man sie durch die Linse der neuen Tagesdividenden betrachtet, die in absoluten Zahlen höher sind.

Diese Zweiteilung der Mengen bedeutet, dass alles im System auf zweierlei Weise betrachtet werden kann, einschließlich Ihres Guthabens, der Preise, der Überweisungsbeträge und so weiter. Dies hat jedoch den Nebeneffekt, dass es sich anfühlt, als gäbe es zwei verschiedene Einheiten im System mit zwei verschiedenen Dynamiken. In der folgenden Diskussion werde ich der Frage nachgehen, ob sie als ein und dasselbe System funktionieren oder ob tatsächlich zwei getrennte Systeme geschaffen wurden.

Die Probleme

Während ich Duniter durchging, wurden meine monetären Spionage-Sinne durch verschiedene Probleme alarmiert, die ich als solche empfand. Diese sind nicht unbedingt unüberwindbar, aber gehen wir sie doch einmal durch.

Problem 1: Das System ist auf der Aktivseite des Geldes festgefahren

Das Duniter-System bietet einige interessante Möglichkeiten, Einheiten auszugeben und zu verteilen, aber fast nirgends wird definiert, was diese Einheiten eigentlich sind. Die Einheiten kommen einfach auf Ihrem Konto an, und führen zu einem positiven Guthaben.

Wenn Sie eine Kreditorientierung in Bezug auf Geld haben, werden Sie positive Guthaben wahrscheinlich so verstehen, dass sie durch einen Emittenten „in die Pflicht genommen” werden. Genauso wie ein Versprechen von einer Person als „etwas Erhaltenes“ und von einer anderen als „etwas Ausgegebenes“ empfunden wird, ist das positive Geldvermögen einer Person in anderen Systemen eine Verbindlichkeit gegen eine andere Stelle (im Fall unseres modernen Systems sind es Verbindlichkeiten des Bankensektors und des Staates).

Wenn Sie meine Videos verfolgt haben, wissen Sie, dass ich oft darauf hinweise, dass die meisten Menschen nur die Aktivseite des Geldes kennen: Das sind die „positiven Objekte“ (die Geldeinheiten oder die Zahlen auf unserem Bankkonto, die mit positiven Werten versehen sind), die aber nur existieren, weil es irgendwo anders im System einen „negativen Schatten“ oder eine Passivseite gibt.

Wenn Sie also versuchen, ein eigenes alternatives Geldsystem aufzubauen, und auch eine “Kreditorientierung” haben, klingen Aussagen wie „wir sollten alle gleichermaßen Geld haben“ wie „wir haben alle das Recht zu verlangen, dass unsere Mitmenschen uns gleichermaßen Versprechen geben“.

Aber das ist nicht wirklich die Stimmung, die das Duniter-System vermitteln will. Der Besitz eines positiven Saldos auf Ihrem Duniter-Konto bedeutet nicht, dass Ihnen jemand „etwas verspricht“. In der Tat wird in Duniter über Geld meist so gesprochen, als wäre es eine natürliche oder gemeinschaftliche Ressource, auf die man ein natürliches Recht hat und die einem nun ausgehändigt wurde, ohne dass damit Bedingungen verbunden sind. Dies ist eine sehr starke “Warenorientierung”.

Jedes System, das einfach von positiven Objekte ausgeht, aber keine Beschreibung des negativen Schattens enthält, der sie aktivieren wird, fällt in diese Ausrichtung, weil es implizit den Anspruch erhebt, dass seine Objekte für sich selbst stehen können – oder irgendwann stehen werden. Deshalb nenne ich dies eine „Warenorientierung“, denn die Bilder sind auf diese positiven Einheiten ausgerichtet, die schließlich zu einer „Wertsubstanz“ werden sollen, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann.

Aber was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie bei Duniter dazukommen und sehen, dass Einheiten auf Ihrem Konto gutgeschrieben werden? Handelt es sich dabei wirklich um „Waren“ mit einem intrinsichen Nutzen? Nun, eindeutig nicht. In Wirklichkeit handelt es sich bei den Einheiten um das, was ich als „Blanko-Token“ bezeichnen würde, also um positive Einheiten ohne wirkliche Definition (ich werde bald mehr über das Konzept der Blanko-Token schreiben).

Systeme wie Bitcoin geben genau dieselbe Art von Einheit aus, aber sie erzeugen eine andere Stimmung, indem sie verlangen, dass riesige Mengen an Energie aufgewendet werden, bevor die leere Einheit erstellt wird, und sie beschwören explizite Warenbilder herauf, indem sie Begriffe wie „Mining“ verwenden und gleichzeitig harte Grenzen für den Vorrat an leeren Token schaffen. Auf diese Weise versucht Bitcoin, sich selbst als „Cyberspace-Ware“ oder – zumindest – als eine Art gebrandmarktes Cyber-Sammelgut zu charakterisieren (und hat damit manchmal auch Erfolg).

Aber während Duniter implizit eine Warenorientierung annimmt, vermeiden sie eine explizite Warensymbolik, ohne jedoch eine alternative Symbolik anzubieten. Die Einheit ist kein Versprechen oder Schuldschein, der von irgendjemandem ausgestellt wurde, aber sie ist auch kein Sammlerstück, das wie eine Ware dem Cyberspace durch verschwenderischen Energieaufwand abgerungen wurde. Was ist sie also?

Diese Unklarheit wird durch das bereits erwähnte sprachliche Problem noch verstärkt, bei dem das Team die Unterscheidung zwischen Geldemittenten und Geldnutzern immer wieder verwischt. Sie vermischen austauschbar die Idee des Ausgebens von Einheiten und des Empfangens von Einheiten, aber wenn diese Sprachkörper in dasselbe sprachliche Universum gestellt werden, heben sie sich gegenseitig auf, wie zwei Ströme, die ineinander fließen und sich gegenseitig auslöschen. Dadurch entsteht ein Gefühl der Unbestimmtheit rund um die Einheit.

Wie bereits erwähnt, gibt keine Person im System tatsächlich etwas heraus. Das System selbst gibt Einheiten heraus, die wir empfangen. Aber was bedeutet es, diese Einheiten gleich wie alle anderen zu erhalten? Wenn ich Tüten mit Lebensmitteln gleichmäßig an alle Leute verteile, bekommen alle gleich viel zu essen. Wenn ich aber zweideutige Einheiten an alle gleichermaßen verteile, gibt es keine Garantie, dass das überhaupt etwas bedeutet.

In einem normalen Geldsystem gibt es zunächst eine Struktur – der Staat und das Bankensystem stellen Schuldscheine aus, die die Grundlage für einen riesigen Netzwerkwirbel bilden -, der dann wiederum gewisse Funktionen annehmen kann: Die verflochtenen Schuldscheine können zum Beispiel als „Rechnungseinheiten“ dienen, aber nur, weil sie in diese Struktur eingebettet sind.

Entfernt man die Struktur und teilt einfach Objekte mit Nummern aus, wirken sie wie flüchtige Messeinheiten ohne Rechtfertigung darüber warum sie in der Welt Macht haben sollen. Das ist Duniters Hauptproblem: Das System teilt im Laufe der Zeit immer wieder eine Art „Recheneinheit“ aus, aber ohne eine starke Kredit-(oder Waren-)Struktur wirken diese Einheiten wie bloße Recheneinheiten ohne aktive Macht.

Wenn man den Weg einschlägt, Geldeinheiten als bloße passive Rechnungseinheiten zu beschreiben (anstatt sie als Teil einer aktiven Struktur zu beschreiben, die sie aktiviert und ihre Funktionen wie „Rechnungseinheit“ hervorbringt), landet man in einem sehr spezifischen Denkparadigma. Ich nenne dies das Paradigma „Geld repräsentiert Wert“.

Die Idee, dass „Geld Wert repräsentiert“, kann der Idee gegenübergestellt werden, dass Geld ein „Anspruch auf Wert“ ist (was eine Kreditorientierung ist), oder dass Geld „Wert ist“ (was eine reine Warenorientierung ist). Geld, “das Wert repräsentiert“ ist eine Mischform, die entstehen kann, wenn man eine Warenorientierung auf eine Einheit ohne Eigenwert anwendet. Das ist es, was zu einer „Monopoly-Geld-ohne-Brett“-Stimmung (MMWAB) führt. Am Ende steht die Wischiwaschi-Behauptung, dass eine Geldeinheit einen Wert in der Welt „repräsentiert“ oder auf einen Wert „hinweist“, der in numerischer Form ausgedrückt wird, ohne dass diese Einheit jedoch eine direkte Möglichkeit hätte, diesen Wert zu steuern.

Menschen, die auf diese Weise über Geld sprechen, neigen oft zu Aussagen wie „Geld ist nur ein Glaube“ und sehen es vielleicht als eine Art symbolisches Abzeichen, das als Anerkennung für einen zugrunde liegenden Warenfluss herumgereicht wird. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um einen hybriden Ableger der Warenorientierung handelt, könnten wir andere Begriffe für das MMWAB-Gefühl erfinden: Vielleicht sind die Einheiten eine „Repräsentationsware“, eine „Pseudoware“ oder eine „Messsubstanz“, aber unabhängig davon, wie wir sie letztendlich beschreiben, müssen wir hart daran arbeiten, solchen Einheiten das Gefühl zu geben, dass sie eine aktive Macht haben.

Problem 2: Ist Duniter tatsächlich ein Schattenkreditgeldsystem?

Duniters Einheiten scheinen aus einem „digitalen Lager“ zu kommen und erscheinen als positive Objekte ohne negativen Schatten, was sie in den oben erwähnten vagen Bereich einer MMWAB-„Repräsentationsware“ oder eines Abzeichens oder etwas Ähnlichem fallen lässt.

Es gibt jedoch auch eine andere Interpretation dessen, was sie sein könnten. Sind sie tatsächlich die positive Hälfte einer Schattenseite, die einfach nicht gezeigt wird?

Wenn zehn von uns 100 Einheiten erhalten haben, wogegen stellen diese Einheiten Ansprüche dar? Gibt es eine verborgene Schatteninstitution, die bei -1000 steht und versuchen möchte, wieder auf 0 zu kommen, was wiederum unseren positiven Einheiten Macht verleihen würde?

Soweit ich weiß, gibt es keine versteckte Schatteninstitution, die im System sitzt. Das bedeutet, dass die Inhaber der positiven Einheiten selbst die Schattenseite schaffen sollen, was wiederum den positiven Einheiten das Gefühl gibt, dass sie aktive Macht haben. Schließlich möchte ich, dass sich die 100 Einheiten auf meinem Konto so anfühlen, als ob sie aktive Forderungen gegenüber anderen Menschen wären.

Dies führt jedoch zu einer weitaus komplexeren Frage. Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass ein Geldsystem ein interdependentes Geflecht von Menschen ermöglicht, die sich ständig gegenseitig verpflichten und wieder “ent-pflichten”, dann müssen auch negative Werteinheigen vorhanden sein. Wenn man jedoch nur positive MMWAB-Messeinheiten an die Leute verteilt und sie gleichzeitig auffordert, ein interdependentes System zu schaffen (in dem sie den Prozess des Eingehens und Lösens von Verpflichtungen messen müssen), wird wahrscheinlich etwas Seltsames passieren. Sie werden wahrscheinlich negative Zahlen simulieren müssen, indem sie die Nulllinie zurücksetzen.

Wenn man jeder Person in einem interdependenten Netzwerk 100 digitale MMWAB-Einheiten aushändigt, werden diese Einheiten – in ihrem Anfangszustand – keine Ansprüche gegenüber den anderen darstellen. Vielmehr könnten sie als Ausgangspunkt dienen, von dem aus die Interdependenz gemessen werden kann. Implizit wird die Nulllinie einfach auf „100“ hochgesetzt, so dass der Besitz von 100 Einheiten dem Besitz von nichts gleichkommt. Wenn jemand auf 120 und ein anderer auf 80 geht, sind die tatsächlichen Salden +20 und -20.

Dies führt zu einem existenziellen Dilemma: Messeinheiten gleichmäßig zu verteilen ist ein bisschen so, als würde man nichts verteilen. Ein wirklich interdependentes Netzwerk wird sie automatisch auf Null setzen, um “den Schatten zu internalisieren„.

Problem 3: Das Schisma

Duniter steht also vor zwei anfänglichen Problemen: Die Einheit fühlt sich passiv an und läuft dann Gefahr, auf Null neutralisiert zu werden, wenn die Menschen versuchen, sie in ein aktives System zu verwandeln.

Ein psychologischer Trick, um dem entgegenzuwirken, könnte darin bestehen, sie mental an ein externes System wie den Euro zu „koppeln“, und mir wurde gesagt, dass dies im Duniter-System möglicherweise geschieht.

Aber es gibt noch ein anderes Problem. Es gibt zwei Einheiten in dem System.

Duniter möchte die räumlichen und temporalen Ungleichheit verringern, was sie durch die tägliche Emission von neuem G1 erreichen, was aber wiederum das Gefühl des „Aufblähens ins Nichts“ hervorruft, was sie dazu veranlasst, ihr System in zwei Einheiten aufzuteilen, von denen sich eine viel stabiler anfühlt. Dabei spalten sie das System jedoch psychologisch in zwei Teile. Es gibt nun zwei verschiedene Gruppen von „positiven Objekten“ in dem System: das G1 und das UDg1.

Ich habe das Gefühl, dass bei Duniter die wahre Einheit eigentlich die UDg1 ist, dass aber die G1 als eine Art „Pseudo-Einheit“ verwendet wird, um die Ungleichheit der UDg1-Salden im System zu verringern. Ich habe das Gefühl, dass es sich um eine Art „Demurrage“ in einer Einheit handelt, die sich in der anderen als „universelle Dividende“ präsentiert. Ich muss allerdings länger darüber nachdenken, bevor ich mir sicher sein kann.

Nach Angaben des Teams wird sich das System im Laufe der Zeit der durchschnittlichen Geldmenge von 10 UD pro Person annähern. Wenn wir dies im Lichte meiner obigen Ausführungen zu Problem 2 betrachten, könnte dies bedeuten, dass 10UD im Laufe der Zeit wahrscheinlich der verborgene Nullpunkt sein wird, was bedeutet, dass – in Wirklichkeit – eine „Geldausgabe“ im System nur dann stattfindet, wenn es eine Abweichung von diesem Durchschnitt gibt.

Meines Erachtens könnte dasselbe System auch ohne die „Universaldividende“ aufgebaut werden, indem man es einfach so programmiert, dass es Einheiten von den Konten, die über dem Durchschnitt liegen, auf die Konten derjenigen umleitet, die unter dem Durchschnitt liegen. Das widerspricht jedoch der Philosophie der Universaldividende und wäre – so vermute ich – schwieriger zu programmieren und zu bewerben. Ich habe auch das Gefühl, dass das Team weitgehend in der Kryptowelt verankert ist, was erklären würde, warum sie sich im Bereich der „Ausgabe von Objekten aus einem digitalen Lager“ bewegen, was in Kryptokreisen eine sehr gängige Praxis ist. Dieses System versucht, sich als eine Abweichung von Bitcoin und eine Verbesserung desselben darzustellen, aber es bleibt im selben allgemeinen Paradigma gefangen.

Habe ich etwas übersehen?

Dies ist ein erster Versuch, Duniter zu verstehen. Um es ganz offen zu sagen: Ich muss immernoch erst in das System aufgenommen werden, habe also noch keine Erfahrungen aus erster Hand. Ich würde alles Weitere also gerne auf ein zweites Unboxing aufschieben, mit Korrekturen und einem Video, sobald ich mehr Erfahrung gesammelt habe. Aber in der Zwischenzeit freue ich mich auf Ihr Feedback. Bitte hinterlassen Sie Kommentare auf meinem Blog oder per email.

 

Dieses ist eine lizensierte Übersetzung des gleichnamigen Artikels auf dem Blog „Altered States of Monetary Consciousness“ von Brett Scott (nur für zahlende Abonnementen zugänglich).

 

Ist dieses „globale Grundeinkommen auf der Blockchain“ tatsächlich das, was es zu sein vorgibt?

Ich habe meine Leserschaft nach Vorschlägen für Währungs-Projekte gefragt, die sie gerne „unboxed“ sehen würden, also eine Art öffentliches Unter-Die -Haube-Schauen. Ein erster Vorschlag war der “GoodDollar”, der von sich behauptet, ein „globales Grundeinkommen auf Basis der Blockchain“ zu sein, und so beschloss ich, mit diesem Projekt zu beginnen, da es in letzter Zeit auch recht häufig in Gesprächen auftauchte. Um ehrlich zu sein, war ich von Anfang an skeptisch, aber ich beschloss, unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Da “unboxing” ursprünglich in beliebtes Video-Format ist, gibt es zu diesem Artikel auch eine ausführliches Video (49min). Hier die Zusammenfassung meiner Recherche:

Was auf der Verpackung (Box) steht:

Das GoodDollar-Team behauptet, mit einem neuen Mechanismus zur Bereitstellung eines globalen Grundeinkommens „für die Ewigkeit“ (huch, das ist eine GROSSE Behauptung) zur Lösung der globalen Ungleichheit beizutragen. Es kommt mit einer Menge witziger Ästhetik daher, und auch mit einer raffinierten Blockchain-Sprache, um sich mit dieser Art dezentraler Innovation in Verbindung zu bringen. Oberflächlich betrachtet schafft dies eine gewisse Attraktivität für ein breites Publikum, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um ein Nebenprojekt der großen online Handelsplattform eToro handelt, das auch vom eToro-Gründer Yoni Assia gefördert wird.

Was sich tatsächlich in der Box befindet:

Wenn ich mir die Verpackung (also die Texte auf ihrer Webseite) näher ansehe, bin ich allerdings nicht besonders beeindruckt. Erstens gebe ich gerne zu, dass das Team einige beeindruckende technologische Experimente durchführt – sie experimentieren mit einer ganzen Reihe innovativer Blockchain-Verträge und den „DeFi“-Märkten -, aber die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Dimensionen von Grundeinkommen scheinen ziemlich banal behandelt zu werden. Man hat fast den Eindruck, dass sie mehr daran interessiert sind, mit technologischen Innovationen herumzuspielen, als wirklich über die Struktur der globalen Ungleichheit nachzudenken, über die sie sich angeblich Sorgen machen. Dadurch beschleicht mich der Verdacht, dass es sich hier um eine Art CSR-Projekt (Corporate Social Responsibility) von eToro handelt, das mehr Aufmerksamkeit erhält, als es verdient. Es hat auch eine sehr „techno-solutionistische“ Ausstrahlung, und der vorgeschlagene montäre Mechanismus ist – potenziell – politisch und wirtschaftlich fragwürdig.

Die Beschreibung des Mechanismus im Klartext:

Es ist leicht, sich von dem Krypto-Jargon umgarnen zu lassen, der das Projekt umgibt, und sich von seiner scheinbar innovativen Natur beeindrucken zu lassen. Aber wenn man das durchschaut und es auf das Wesentliche reduziert, ist es insgesamt ziemlich einfach zu verstehen. Hier also im Klartext (aber bedenken Sie, dass es die Implementierung über Blockchain-Protokolle wahrscheinlich macht, dass das GoodDollar Team die Sprache, die ich hier verwende, ablehnen würde):

  • Sie bringen Leute (insbesondere wohlhabende Krypto-Investoren) dazu, Geld zu spenden (in Form von an den US-Dollar gekoppelten „Stablecoins“).
  • Sie nehmen das Geld und verleihen es.
  • Sie nehmen die Zinserträge aus diesem Verleih und geben einen Teil davon an jeden, der sich bei der App angemeldet hat (ein Prozess, bei dem man seine “Menschlichkeit” (Legitimität) über biometrische Gesichtsdaten nachweisen muss). Dies ist dann die „Grundeinkommens-Komponente“ des Systems.

Mit anderen Worten: Wohlhabende Menschen stellen Kapital zur Verfügung, aus dessen Zinsen dann das Geld stammt, das als sogenanntes Grundeinkommen* ausgezahlt wird. Die Menschen, die dieses Kapital zur Verfügung stellen, können es auch jederzeit wieder abheben.

Um ein globales Grundeinkommen wirklich auf diese Weise zu finanzieren, müsste zunächst eine sehr große Menge an Kapital verliehen werden, um genügend Zinsen zu erwirtschaften, damit Millionen von Menschen ein sinnvolles Einkommen erhalten. Das System befindet sich derzeit in einer Pilotphase, aber damit es tatsächlich erreichen kann, was es vorgibt, erreichen zu wollen (ein globales Grundeinkommen), müssten riesige Mengen an Schulden geschaffen werden, so dass riesige Mengen an Zinsen abgezogen und dann an alle Bürger der Welt weitergeleitet werden könnten, um die globale Ungleichheit zu „lösen“. Dies erscheint problematisch.

Vielleicht geht es bei dem Projekt aber gar nicht darum, ein globales Grundeinkommen zu schaffen. Vielleicht geht es darum, nur das Profil der neuen „DeFi“-Märkte zu stärken, also der „dezentralisierten Finanzmärkte“, wie die Krypto-Version der normalen Finanztechnologie-Branche oftmals bezeichnet wird. In der Tat profitiert eToro grundsätzlich davon, wenn DeFi-Märkte die Aufmerksamkeit der Presse und potentieller Nutzer erhalten, da das Hauptgeschäft von eToro in der Bereitstellung einer Handelsplattform, unter anderem für Krypto-Tokens, besteht.

Aber was ist der „GoodDollar“ nun? Ist es eine neue Währung?

Der GoodDollar ist nicht wirklich eine neue Währung, nein. Im Grunde werden die Zinserträge aus den oben erwähnten Krediten in einen Pool eingezahlt, und der „GoodDollar“ ist eine Einheit, die als Anspruch gegen diesen Pool ausgegeben wird. Wer sich anmeldet, erhält „GoodDollars“, als ob es sich dabei um eine eigene Währung handeln würde, die aber eigentlich nur als „Einheit, gedeckt durch Krypto-Dollars aus Zinserträgen“ bezeichnet werden sollte.

Um dem GoodDollar jedoch den Anschein zu geben, eine einzigartige Währung zu sein, versucht das Team, einen Marktplatz zu schaffen, auf dem die Menschen, die ihn als „Grundeinkommen“ erhalten, bei Einzelhändlern direkt ausgeben können (die Einzelhändler sagen im Grunde: „Wir akzeptieren eine Einheit, die von Schuldzinsen abgeleitet ist, aber in dem Markennamen „Gooddollar“ verpackt ist, und geben vor, dass es sich um eine „neue Währung“ handelt). Den Einzelhändlern wird auch gesagt, dass sie durch die Annahme dieser „Währung“ etwas Gutes tun (als ob es etwas Gutes wäre, wenn sie US-Dollars annehmen, die unter einem neuen Namen an ihre Kunden verteilt wurden).

Das ist GoodDollar.

 

Vielleicht ist meine Einschätzung aber auch unfair. Vielleicht habe ich einige Elemente des Systems missverstanden. Schließlich handelt es sich hier nur um ein erstes Unboxing, das in begrenzter Zeit durchgeführt wurde. Vielleicht muss man noch tiefer gehen. Wenn Sie sich selbst ein Bild davon machen möchten, finden Sie hier drei Links:

Die Beschreibung des Projektes auf seiner Website: https://www.gooddollar.org/how-gooddollar-works/

Das White-Paper (ausführliche Projektbeschreibung): https://whitepaper.gooddollar.org/

Die Ankündigung der Markteinführung: https://www.gooddollar.org/gooddollar-basic-income-launch/

Was halten Sie davon?
Bitte hinterlassen Sie Kommentare auf meiner Webseite und schlagen Sie Ihre eigenen Unboxing-Projekte vor!

 

*Anmerkung der monneta-Redaktion: Der Begriff des Grundeinkommens wird im Englischen oftmals anders verwandt und verstanden als im Deutschen. Die geläufige Übersetzung des Begriffes ist “Universal Basic Income” (UBI). Dabei kann “Basic” zwar auch “Grund-” bedeuten (im Sinne von “Abdeckung von Grundbedürfnissen”), aber viel öfters wird es im Sinne von “grundsätzlich” oder “einfach” verwendet. Damit kann dann theoretisch ein Einkommen in jedweder Höhe gemeint sein, unabhängig davon welcher Minimalbetrag zur effektiven Abdeckung von Grundbedürfnissen nötig wäre.

 

 

Die Sardex-Währung wurde als Reaktion auf den wirtschaftlichen Niedergang der italienischen Insel Sardinien nach der letzten Finanzkrise ins Leben gerufen.1 Im Jahr 2010 gründeten vier junge Unternehmer mit wenig Hintergrund und Erfahrung im Finanz- oder Geschäftswesen die Initiative als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Sardex s.r.l.), um die Zusammenarbeit und Netzwerkeffekte zum Nutzen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) auf der Insel zu fördern2. Sardex ließ sich von anderen komplementären Währungsinitiativen inspirieren, und seine Gründer beteiligten sich aktiv am Business-to-Business-Handel3 und gehörten auch zu den wenigen geschäftsorientierten Währungsinitiativen, die in der Forschungsgemeinschaft für Gemeinschaftswährungen gut aufgenommen wurden4. Nach Jahren erhöhter Investitionen und schnellen Wachstums, das dem Unternehmen im Jahr 2017 sogar einen Platz unter den „Europe 1000“ der Financial Times einbrachte5, wurde Sardex 2016 in eine Aktiengesellschaft (Sardex Spa) mit über 50 Mitarbeitern umgewandelt6.

 

Ziele

Das Hauptziel der Initiative bestand darin, durch die Unterstützung lokaler Unternehmen Beschäftigungsmöglichkeiten in der lokalen Wirtschaft Sardiniens zu schaffen und ein vitales Unternehmen zu gründen7. Sekundäre Ziele waren die Schaffung einer kollaborativen Wirtschaft als Alternative zur vorherrschenden wettbewerbsorientierten Marktideologie8 durch die Verbindung und Unterstützung lokaler Wirtschaftsakteure9. Dies sollte unabhängig von der Verfügbarkeit konventioneller Finanzdienstleistungen und Liquidität mit einem monetären Instrument, der Sardex-Währung, ermöglicht werden, das auf Vertrauen basiert und die Wirtschaft sowie die soziale Nachhaltigkeit fördert10.

 

Wie funktioniert der Sardex?

Durch die Teilnahme am Sardex-Netzwerk erhalten Unternehmen eine Kreditlinie in Komplementärwährung, die für den Kauf von Waren und Dienstleistungen innerhalb des Netzwerks genutzt werden kann. Die Kredite lauten auf Euro, können aber nicht in Euro umgetauscht oder mit Euro gekauft werden11. Die Transaktionen werden über eine Online-Banking-Webseite12 oder eine Mobiltelefonanwendung ausgeführt, die auch Kontoauszüge erstellt oder als POS-Zahlungsstation fungiert, die Zahlende und Zahlungsempfänger mit Hilfe von QR-Codes und der Handykamera identifiziert13. Für Offline-Zahlungen wird ein Scheckbuch zur Verfügung gestellt, um Zahlungen zu erfassen und einzureichen, die zu einem späteren Zeitpunkt gebucht werden. Für Steuer- und Buchhaltungszwecke werden alle Einnahmen in Sardex als gleichwertig mit Einnahmen in Euro deklariert. Im Jahr 2017 überstieg das Transaktionsvolumen von Sardex 212 Millionen Einheiten (gleicher Gegenwert in Euro)14.

Um den Handel zwischen den Mitgliedern zu erleichtern, bietet die Website ein Unternehmensregister und einen Werbebereich für Sonderangebote. Darüber hinaus wird vom Hauptsitz des Unternehmens in Serraman im Süden Sardiniens ein Maklerservice angeboten. Dieser bietet eine Orientierung während des individuellen Einführungsprozesses für neue Mitglieder und Unterstützung bei der Beschaffung und dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen innerhalb des Netzwerks15. Zu den weiteren Werbemitteln gehören gedruckte Broschüren, Flyer, ein Tür-Aufkleber um Unternehmen zu kennzeichnet, die Sardex als Zahlungsmittel akzeptieren (siehe Bild oben), sowie ein regelmäßiger Newsletter, in dem neue Mitglieder und Angebote des Netzwerks vorgestellt werden. Darüber hinaus veranstaltet Sardex Netzwerkveranstaltungen und Messen, um die Mitglieder miteinander in Kontakt zu bringen und ihre Teilnahme zu fördern16.

 

Organisation und Netzwerk

Die Nutzer des Sardex-Netzwerks sind alle auf der Insel Sardinien ansässig, keine Unternehmen von außerhalb können Konten im System eröffnen. Die Initiative unterscheidet zwischen Einzelhändlern, KMU, Großunternehmen sowie Einrichtungen des dritten und öffentlichen Sektors17. Für diese Gruppen wurden 2017 über 3800 Mitgliedskonten registriert18. Sardex ermöglicht es auch Einzelpersonen, Konten zu führen und Zahlungen in Sardex zu tätigen, gewährt ihnen aber keine Kreditlinien. Diesen Konten müssen Guthaben als Teil des Gehalts für Angestellte oder als Gewinnabschöpfung für Einzelhändler gutgeschrieben werden. Im Jahr 2017 waren über 2300 solcher Konten im Netzwerk registriert.

Auf der Website des Netzwerks wird eine Reihe von Partnerorganisationen genannt, von denen viele Geldgeber und Investoren in den verschiedenen Entwicklungsphasen des Unternehmens sind19⁠. Die Europäische Kommission ist unter ihnen aufgeführt, da Sardex Partner in einem Forschungs- und Entwicklungskonsortium des von der EU kofinanzierten Projekts Digipay4Growth war20⁠. Die Regionalregierung von Sardinien war ein weiterer Partner in diesem Projekt, wodurch die gemeinsamen Entwicklungsmöglichkeiten beider Organisationen weiter ausgebaut wurden. Zu den internationalen Partnern des Konsortiums gehörten lokale Behörden und Währungsinitiativen aus dem Vereinigten Königreich, Österreich, Spanien und den Niederlanden, was Sardex die Möglichkeit zum Wissenstransfer und zum gemeinsamen Lernen über verschiedene Währungsmodelle und Implementierungen hinweg bot21. Sardex ist auch Mitglied der International Reciprocal Trade Association (IRTA), einer Organisation, die über 100 Business-to-Business-Währungsunternehmen vor allem in den USA vertritt 22.

Auf nationaler Ebene hat Sardex in elf Regionen des italienischen Festlands Währungsinitiativen initiiert. Die Währungsinitiativen werden in Zusammenarbeit zwischen der Sardex S.p.a. und lokalen Partnern ins Leben gerufen und sind in deren Besitz. Diese angeschlossenen Systeme bauen auf der Technologie und dem geistigen Eigentum auf, die für das sardische System entwickelt wurden, und unterliegen denselben ethischen Ansprüchen23. Der Handel zwischen den Mitgliedern des gesamten nationalen Netzwerks ist möglich. Falls diese überregionale Nutzung der Währung(en) zunimmt, könnten künftige Analysen der Sardex-Währungsinitiative eher auf der Ebene der gesamten Gruppe als auf der Ebene des regionalen Netzwerks relevant werden.

Die Sardex-Initiative profitiert außerdem von der engen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, wie Paolo Dini (LSE) und Laura Sartori (Universita di Bologna), und den Medien24. Aufgrund ihres Erfolgs und Wachstums in den ersten sieben Jahren ihres Bestehens und ihres innovativen Ansatzes zur Linderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise fand die Initiative großen Anklang in den nationalen und internationalen Medien, selbst in der Finanzpresse und bei Finanz- und Innovationspreisen25.

Die Initiative führt auch die italienische Bank „Banca Etica“ unter ihren Partnerorganisationen auf. Diese Bank ist die einzige Geschäftsbank in Italien, die sich voll und ganz ethischen Anlageoptionen verschrieben hat26. Mit ihr wurde eine Vereinbarung getroffen, durch die Sardex-Mitgliedern Vorzugskonditionen bei ihren Bankdienstleistungen gewährt wird27⁠. Da Sardex-Einhaiten nicht gegen Euros gehandelt werden können, fällt ihre Emmission in die technische Kategorie der „Closed-Loop-Zahlungssysteme“ und ist in den Ländern der EU und den USA im Allgemeinen nicht durch die Finanzaufsichtsbehörden reguliert28⁠. Die gehandelten Einheiten werden von den Finanzaufsichtsbehörden weder als „Geld“ noch als „Wertpapier“ angesehen, und die Betreiber der Initiativen gelten nicht als Emittenten, sondern als buchführende Dritte. Haftung und Steuerpflichten bei der Nutzung solcher Systeme bleibt bei den teilnehmenden Unternehmen29.

 

Die technischen Einzelheiten

Die geldpolitischen Regeln des Sardex spiegeln den in der Komplementärwährungsliteratur als „mutual credit“ bekannten Ausgabemechanismus wider30. Die Nutzer beginnen mit einem Nullsaldo auf ihren Konten, erhalten aber ein Kreditlimit, bis zu dem sie ihr Konto ins Minus bringen können, ähnlich wie bei Überziehungskrediten auf konventionellen Bankkonten, wobei jedoch keine Zinsen für Negativsalden berechnet werden. Wenn sie bei Sardex einen Einkauf tätigen, wird ihr Konto mit dem Kaufbetrag belastet. Umgekehrt erhalten sie bei einem Verkauf eine Gutschrift auf ihr Konto. Da es sich bei den Transaktionen immer um Bewegungen zweier Mitgliederkonten handelt, von denen eines mit dem gleichen Betrag belastet und das andere mit diesem Betrag gutgeschrieben wird, ist die Gesamtsumme aller Salden immer gleich Null. Es gibt kein zentrales Konto des Betreibers des Systems, das an der Ausgabe von Währungen oder an Transaktionen beteiligt ist. In diesem Modell ergibt sich die maximale Menge der umlaufenden Währung deshalb rechnerisch aus der Summe der für alle Benutzerkonten festgelegten Kreditlimits.

Sardex veröffentlicht weder individuelle noch die aggregierten Kreditlimits, die es den Unternehmen im Netzwerk gewährt31 , aber einige allgemeine Regeln zur Bestimmung dieser Limits sind in Artikeln veröffentlicht worden, die von den Gründern des Systems mitverfasst wurden: Die Kreditlimits werden auf individueller Basis festgelegt, wenn ein neues Mitglied dem Netzwerk beitritt, und belaufen sich auf etwa 1% des Jahresumsatzes des Mitglieds. Im Gegensatz zu anderen „mutual credit“-Systemen arbeitet Sardex auch mit einer Höchstgrenze für positive Salden, die etwa 10% des Umsatzes des Mitglieds beträgt32⁠⁠. Auf seiner Website stellt Sardex eine „goldene Regel“ für den Handel innerhalb eines Netzwerks vor, an die sich die Mitglieder halten sollen: Sie sollen nur so viele Einheiten in Sardex ausgeben, wie sie in einem bestimmten Zeitraum voraussichtlich wieder einnehmen werden33⁠. Da für positive Salden keine Zinsen gezahlt werden, bringt der Verzicht auf Ausgaben keine Vorteile für die Mitglieder mit sich. Wird hingegen ein negativer Kontostand nicht innerhalb von 12 Monaten ausgeglichen, können Strafzahlungen in Euro fällig werden34, und Mitglieder, die sich nicht an diese Regeln halten, können rechtlich belangt werden35.

Diese Regeln ermutigen die Mitglieder, ihre Handelsaktivitäten in Sardex konstant und ihre Konten ausgeglichen zu halten, was wiederum dazu führt, dass die „Umlaufgeschwindigkeit“ der Währung – ein ökonometrischer Ausdruck für das Verhältnis zwischen dem Transaktionsvolumen und dem Gesamtbetrag der positiven Salden – deutlich höher ist als bei herkömmlichen Währungen (1,5 in Euro gegenüber 11,56 in Sardex im Jahr 2016)36.

Da die Sardex-Währung nominell an den Euro „gekoppelt“ ist, müssen die Preise(schilder) bei Verkäufen innerhalb des Netzes nicht geändert werden, allerdings sind spezielle Rabatte und Angebote üblich. Einkäufe im Wert von mehr als 1.000 Euro können teilweise in Sardex und teilweise in Euro bezahlt werden. Die Mehrwertsteuer und andere Steuern werden zum vollen Gegenwert in Euro fällig, was ein weiterer Grund dafür ist, warum ein Unternehmen Sardex nur begrenzt akzeptieren kann, da es weiterhin Einnahmen in Euro benötigt, um seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen37.

Was die Regeln für die Leitung der Initiative und die Verwaltung des Netzes betrifft, so ist eine Reihe von Werten zu nennen, zu denen sie sich explizit bekennen. Dazu gehören Transparenz, Zusammenarbeit, Gegenseitigkeit und Vertrauen38. Einige dieser Werte scheinen mit der Natur eines gewinnorientierten Unternehmens in Konflikt zu stehen. So steht beispielsweise die Nichtveröffentlichung der Mitgliedschaftsbedingungen und der Heuristik für die Festlegung von Kreditlimits im Widerspruch zu Transparenz und symmetrischer Information. Die Eigentümerstruktur des Unternehmens wird jedoch in der Pressemappe auf der Sardex-Website offengelegt, wo auch ein umfassender „Verhaltenskodex“ zu finden ist39. Dieser legt die Grundsätze der internen Prozesse und der Beziehungen zu den Stakeholdern fest und kann als Prüfstein für die Selbstbeschreibung des Unternehmens als „Sozialunternehmen“ herangezogen werden 40.

 

(Dieser Artikel wurde aus der Dissertation von Dr. Leander Bindewald, Lancaster University 2018, wiederveröffentlicht)

 

Weitere Informationen und Aktualisierungen zu Sardex finden Sie auf der Website des Unternehmens: www.sardex.net

 

 

Fußnoten:

  1. Sartori, L. and Dini, P. (2016) ‘From complementary currency to institution: A micro-macro study of the Sardex mutual credit system’, Stato e Mercato, (107), pp. 273–305.
  2. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, pp. 1–16.
  3. BSI Group (2013) Capacity Trading Standardisation Workshop Report. Available at: https://www.cityoflondon.gov.uk/business/economic-research-and-information/research-publications/Documents/research-2013/Capacity Trading Workshop Report.pdf.
  4. Greco, T. H. (2015) ‘Sardex, a brief report by Thomas H. Greco, Jr. August 15, 2015’, pp. 2–5
  5. Stabe, M., Rininsland, A. and Bernard, S. (2017) The FT 1000: Europe’s fastest-growing companies, Financial Times. Available at: https://ig.ft.com/ft-1000 (Accessed: 9 February 2018).
  6. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit. Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  7. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, pp. 8
  8. Sartori, L. and Dini, P. (2016) ‘From complementary currency to institution: A micro-macro study of the Sardex mutual credit system’, Stato e Mercato, (107), pp. 276.
  9. Sardex (no date h) The circuit. Available at: https://www.sardex.net/il-circuito/?lang=en (Accessed: 12 March 2018).
  10. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, p. 15
  11. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, p. 16
  12. Sardex (2018) Conto. Available at: https://sardex.nosu.co/ (Accessed: 12 March 2018).
  13. Google Play (2017) Io pago Sardex – Android App. Available at: https://play.google.com/store/apps/details?id=net.sardex.iopagosardex&hl=en_GB (Accessed: 12 March 2018)
  14. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit. p. 6, Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  15. Sardex (no date c) Come funziona. Available at: https://www.sardex.net/come-funziona/ (Accessed: 12 March 2018).
  16. Sardex (no date d) Eventi. Available at: https://www.sardex.net/category/sardegna/sardegna-eventi-circuito/ (Accessed: 12 March 2018).
  17. Sardex (no date b) Circuito di Credito Commerciale Sardo. Available at: https://www.sardex.net/#stat (Accessed: 12 March 2018).
  18. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit. p. 6, Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  19. Sardex (no date f) Il circuito. Available at: https://www.sardex.net/il-circuito/ (Accessed: 12 March 2018).
  20. European Commission: CORDIS (2014) Digipay4Growth. Available at: https://www.cordis.europa.eu/project/rcn/191828_en.html (Accessed: 12 March 2018).
  21. Sartori, L. and Dini, P. (2016) ‘From complementary currency to institution: A micro-macro study of the Sardex mutual credit system’, Stato e Mercato, (107), pp. 298.
  22. IRTA (no date d) IRTA Fact Sheet. Available at: https://www.irta.com/about/irta-fact-sheet/ (Accessed: 12 March 2018).
  23. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit, p.8 Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  24. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, pp. 17.
  25. Sardex (no date g) Parlano di noi. Available at: https://sardex.net/category/sardegna/parlano-di-noi-sardegna/ (Accessed: 12 March 2018).
  26. The Economist (2013) Ethical banking in Italy, 01 June. Available at: https://www.economist.com/news/finance-and-economics/21578691-bank-takes-its-name-seriously-ethical-banking-italy (Accessed: 11 February 2018).
  27. Sardex (no date a) Accordo tra Sardex e Banca Etica. Available at: https://sardex.net/accordo-sardex-banca-etica/ (Accessed: 12 March 2018).
  28. Magnien, F. (2013) Le guide des échanges interentreprises de biens et services, PIPAME. Available at: https://www.francebarter.coop/GUIDE-PRATIQUE-BARTER-echanges-inter-entreprises.pdf.
    CCIA (2015g) Legal and Regulatory Framework for Complementary Currencies in the UK. Available at:https://monneta.org/en/ccia-legal-compliance-reports-2015/.
  29. IRTA (no date a) Advocacy. Available at: https://www.irta.com/about/advocacy/ (Accessed: 12 March 2018).
  30. CCIA (2015h) People Powered Money – Designing, developing & delivering community currencies. Edited by L. Bindewald, A. Martin, and D. McCann. New Economics Foundation, p. 175.
    Prifits, T. and Slater, M. (2015) Credit Commons Proposal.
  31. In personal communication with the Sardex team the terms and conditions and exact processes for auditing members and setting credit limits were said to be “trade secrets”.
  32. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, p. 16.
  33. Sardex (no date e) How it works. Available at: https://www.sardex.net/come-funziona/?lang=en (Accessed: 12 March 2018).
  34. Sartori, L. and Dini, P. (2016) ‘From complementary currency to institution: A micro-macro study of the Sardex mutual credit system’, Stato e Mercato, (107), p. 278.
  35. Posnett, E. (2015) The Sardex factor, Financial Times. Available at: https://www.ft.com/content/cf875d9a-5be6-11e5-a28b-50226830d644 (Accessed: 9 February 2018).
  36. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit, p.6. Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  37. Sartori, L. and Dini, P. (2016) ‘From complementary currency to institution: A micro-macro study of the Sardex mutual credit system’, Stato e Mercato, (107), p. 279.
  38. Sardex (2017) Company Overview, Press Kit, p.4. Available at: https://www.sardex.net/?lang=en.
  39. Sardex (2016) Codice Etico. Available at: https://s3-eu-west-1.amazonaws.com/nosu-media/wp-content/uploads/2017/02/14181726/2016_10_25_CM_codice-etico_IT_def1.pdf (Accessed: 9 February 2018). Upgedated 2022 unter https://www.sardexpay.net/app/uploads/2022/05/2022_05_11-Codice-etico.pdf
  40. Littera, G. et al. (2017) ‘From an Idea to a Scalable Working Model: Merging Economic Benefits with Social Values in Sardex’, International Journal of Community Currency Research, 21, p. 8.

 

WIR GEMEINSAM ist ein Zeit-Tausch System, gegründet von monneta-Experten Tobias Plettenbacher in Österreich.

Hier die Beschreibung der Initiative von ihrer Webseite (www.wirgemeinsam.net):

Bei WIR GEMEINSAM geht es um den Aufbau nachhaltiger und sozialer Wirtschaftskreisläufe durch „soziales Tauschen“. Dienstleistungen oder Waren werden ohne Geld ausgetauscht, bei WIR GEMEINSAM dient Zeit als Währung.

„Social Barter“ ist eine Bewegung aus dem englischsprachigen Raum und bedeutet „SozialesTauschen“. Bei dieser Form des Tauschhandels werden Dienstleistungen oder Waren ohne Geld ausgetauscht. Stattdessen werden Gutschriften auf Konten mit virtuellen Verrechnungseinheiten verbucht, die wieder zur Bezahlung von Dienstleistungen oder Waren berechtigen.

Der Schwerpunkt liegt auf sozialen Zwecken und der Nachhaltigkeit (z.B. Aufbau regionaler Wirtschaftsnetzwerke). Es handelt sich um sog. komplementäre Währungssysteme, also neue Währungen, die von Menschen oder Unternehmen als Tauschmittel akzeptiert werden und die offizielle Währung um soziale Funktionen ergänzen, die diese nicht unterstützt.

Weltweit gibt es mittlerweile über 4.000 komplementärer Währungen, teils mit mehreren Millionen Mitgliedern (z.B. in Japan). Der Vorteil dieser Systeme ist, dass sich die Mitglieder gegenseitig zinsfreie Kredite gewähren können. Man kann damit Leistungen finanzieren, die mit Euro nicht finanzierbar wären, da entweder das Geld fehlt, niemand bereit wären, dafür Geld zu bezahlen, oder es sich um langfristige Investitionen handelt, die durch enorme Zinsen belastet wären. Komplementäre Währungen ermöglichen hingegen die zinsfreie Finanzierung nachhaltiger sozialer, ökologischer und ökonomischer Aufgaben.

Das 3 Säulen-Modell

Um eine klare Trennung zwischen wirtschaftlichen, sozialen und Vorsorgezielen zu erreichen, verfolgt WIR GEMEINSAM als Ziel die funktionelle Dreigliederung: Nachbarschaftshilfe, Regionalwirtschaft und Zeitvorsorge.

Diese Dreigliederung entspricht auch der gewohnten Trennung im Geldbereich

Nachbarschaftshilfe = Privatkonto

Regionalwirtschaft = Geschäftskonto

Zeitvorsorge = Sparbuch

Zeit als Währung

Das Besondere an WIR GEMEINSAM ist die Abrechnung über eine Zeitbank: Auf den Konten werden nicht Euro, sondern Zeit verbucht. Wer anderen 1 Stunde hilft, erhält eine Gutschrift von 1 h auf seinem Zeitkonto und kann damit wieder 1 Stunde Hilfe beziehen.

Dabei ist im Privatbereich jede Arbeit gleichwertig. Im Wirtschaftsnetz muss man hingegen Euro-Preise in Sozialzeit umrechnen (vorerst 10 € pro Stunde). Dieser Umrechnungskurs wird regelmäßig angepasst, damit der Wert einer Stunde nicht abnimmt (Inflationsausgleich).

WIR GEMEINSAM Stunden sind also eine „Währung“ im eigentlichen Sinn: Zeit währt dauerhaft. Wer heute 100 Stunden anspart, hat auch in 30 Jahren einen Anspruch auf 100 Stunden bzw. Waren und Leistungen mit konstantem Gegenwert. Zeit-Guthaben sind somit besonders inflations- und krisensicher.

Das Besondere an WIR GEMEINSAM ist die Abrechnung über die Zeitbank: Auf den Konten werden nicht Euro, sondern Zeit verbucht. Wer anderen 1 Stunde hilft, erhält eine Gutschrift von 1 Stunde auf seinem Zeitkonto und kann damit wieder 1 Stunde Hilfe beziehen.

Um eine klare Trennung zwischen wirtschaftlichen und sozialen Zielen zu erreichen, gliedert sich WIR GEMEINSAM derzeit in die WIR GEMEINSAM Nachbarschaftshilfe sowie die WIR GEMEINSAM Regionalwirtschaft. Mittelfristig ist auch die WIR GEMEINSAM ZEITVORSORGE für das Alter angedacht.

Im Privatbereich der Nachbarschaftshilfe ist jede Arbeit gleichwertig, in der Regionalwirtschaft werden Euro-Preise in Sozialzeit umgerechnet (vorerst 10 € pro Stunde), da wir uns ins bestehende System integrieren. Dieser Umrechnungskurs wird regelmäßig angepasst, damit der Wert einer Stunde nicht abnimmt (Inflationsausgleich).

WIR GEMEINSAM Stunden sind also eine „Währung“ im eigentlichen Sinn: Zeit währt dauerhaft. Wer heute 100 Stunden anspart, hat auch in 30 Jahren einen Anspruch auf 100 Stunden bzw. Waren und Leistungen mit konstantem Gegenwert.

Zeit-Guthaben sind somit besonders inflations- und krisensicher.

 

Mehr zu WIR GEMEINSAM auf ihere Webseite, zum direkten Download hier ein Flyer (PDF) und eine Kurzbeschreibung zur Gründung neuer regionaler Gruppen (PDF).

Angeregt durch die Berichte eines Zeitgutschriftenmodells für Betreuungsleistungen in Japan startete 1996 der Verein Talente Vorarlberg mit ersten Umsetzungsversuchen in Österreich. Vom grundsätzlichen Zuspruch ermutigt, wurde weiter am Thema Zeitwährungen geforscht und das Konzept weiterentwickelt.

Später übernahm die ALLMENDA Social Business eG Projekte des Vereins und erhielt den Auftrag zur Konzeptentwicklung einer Zeitvorsorge für die Stadt St. Gallen, Schweiz. Die Beauftragung erfolgte durch das Bundesamt für Sozialversicherungen und der Stadt St. Gallen.

Heute ist das Konzept der Zeitvorsorge im neuen, österreichweiten Projekt „Zeitpolster“ umgesetzt:

Die Zeitpolster-Organisation unterstützt freiwilliges Engagement und nachbarschaftliche Hilfe. Dieses Netzwerk gibt dem sozialen Handeln einen organisatorischen und strukturellen Rahmen. Im Fokus steht die eigene Vorsorge für das Alter oder Krankheitszeiten und das gemeinwohlorientierte, nachhaltige Geben und Nehmen. Ziel ist es, die Lebensqualität aller Beteiligten und deren Wertschätzung zu erhöhen und die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gesellschaft zu pflegen. Alle Helfer/-innen sind selbstorganisiert, freiwillig tätig und erhalten somit keine direkten Vorgaben, wie Leistungen erbracht werden sollen.

​Durch Zeitpolster kann jeder älteren Menschen oder Familien mit verschiedensten einfachen Unterstützungsleistungen helfen. Dafür erhält man eine Zeitgutschrift, die später eingelöst werden kann, wenn man selbst Betreuung benötigt. Die Stunde kostet acht Euro. Je Stunde fließt ein Anteil dessen auf ein Notfallkonto, das als Sicherstellung für die Zeitgutschriften dient. Sollte in Zukunft niemand gegen eine Zeitgutschrift aktiv werden wollen, können Betreuungsleistungen zugekauft werden. Für Gemeinden, Vereine, Gruppen, Betriebe o. Ä. gibt es ein Handbuch und volle Unterstützung zur Umsetzung einer eigenen Zeitpolster-Gruppe.

Mehr Informationen auf www.zeitpolster.com

Die holländische Stiftung STRO (Social Trade Organisation, vormal Strohalm) wurde bereits 1970 von Henk van Arkel gegründet. Ihr ursprünglicher Fokus auf umweltpolitsche Themen ist dabei vor allem in den letzen 20 Jahren immer weiter zu Gunsten von Aktivitäten im alternative Wirtschaftsberich und vor allem in Komplämentärwährungen gewichen – immer der Überzeugung folgend, dass wirtschafltiche und monetäre Bedingungen die Hauptdeterminanten unserer gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellen.

Seit 1995 haben sich die Forschungs- und Pilotprojekte von STRO auf Lateinamerika fokussiert, wo sowohl die negativen Effekte der Geldwirtschaft am deutlichsten zu spüren waren und mit der “Economia solidaria” bereits eine erstarkende Gegenbewegung vorhanden war. Dabei zielten die Lösungsvorschläge stets auf die Unterstützung kleiner Unternehmen und nachhaltiger Gemeinschaften ab.

STRO ist im Bereich der Komplementärwährungen vor allem für das C3 model und die Cyclos Software bekannt, die von vielen Komplementärwährungen und anderen nicht-kommerziellen Finanzdienstleister verwendet wird.

Heute unterhält STRO Initiativen in Uruguay, Brasilien, Honduras, Costa Rica and El Salvador und hat neuerdings auch wieder Projekte in Europa, vor allem in Holland, Spanien, Norwegen und Portugal. STRO ist auch der Hauptpartner im EU Projekt DigiPlay4Growth.

The current economic and financial crisis clearly shows that the current monetary system with its interest bearing money doesn’t work at all. For two decades, the STRO Group has been working on new ways to make money work to get regions out of economic crises. STRO has developed and tested monetary tools in pilot projects and built the banking software that supports these tools. The Spend Local campaign aims to promote the worldwide use of STRO tools. Presently STRO has a whole range of instruments and approaches available to support private or public initiatives that make money work and stimulate economies.”

Zitat von der STRO website http://www.socialtrade.nl

Mit Regionalgeld werden regionale Kreisläufe und gemeinnützige Vereine vor Ort gefördert. Folgende Regiogeld-Netzwerke sind seit mehreren Jahren aktiv, um die Kaufkraft an die Region zu binden und zinsgünstige Finanzierungen zu ermöglichen:

  • Landkreise Rosenheim und Traunstein: Chiemgauer

  • Berchtesgadener Land: Sterntaler

  • Stadt und Landkreis Freising: Bärling

  • Oberland, München, Darmstadt und weitere Regionen: Regio

Bekannt ist das Regiogeld vor allem in Form von baren Scheinen: Chiemgauer, Sterntaler, Ampertaler und viele andere „Taler“ und „Blüten“ wandern in den Regionen umher.

Eine Karte – viele Möglichkeiten.

Aus den Erfahrungen mit dem Chiemgauer hat die Regios eG ein softwaregestütztes System entwickelt, welches die Einführung und Betreuung von Regiogeld stark vereinfacht. Kern dieses Konzepts ist die Regiocard in Kombination mit Regiogeld-Konten. Mit der Regiocard können Zahlungen bargeldlos abgewickelt werden. Verbraucher melden sich kostenfrei bei ihrem Regiogeld-Verein an und erhalten innerhalb von 14 Tagen die Regiocard zugeschickt. Die Regiocard funktioniert wie eine EC-Karte: Die Kunden können mit ihr Gutscheine von ihrem Konto »abheben« oder auch direkt am Terminal an der Kasse bezahlen. Mit dieser Karte ist Regiogeld in der modernen Welt des elektronischen Zahlungsverkehrs angekommen. Sie macht den Umgang mit Regiogeld einfach und leicht verständlich – für Anbieter, Verbraucher und Vereine. Um den Service für die Verbraucher anbieten zu können, benötigen Regiogeld-Unternehmer ein Regiocard-Kartenlesegerät. Dieses kostet 10 Regio/Euro im Monat, in Kombination mit einem ec-Terminal kosten beide Terminals 15 Regio/Euro.

Die Rechenzentrale für Regiogeld-Initiativen

Die Regios eG ist derzeit Rechenzentrale für den Chiemgauer und den Sterntaler. Sie sorgt dafür, dass die Regiogeld-Kasse stimmt, dass die Regiogeld-Nutzer bequem und komfortabel bezahlen können und mit Hilfe des elektronischen Regiogeldes auch größere Summen bewegt werden können. Um einen Umsatz von vier Millionen Chiemgauer bewegen zu können, braucht es im Hintergrund ein geräuschloses Abwicklungssystem. Mit Karte zahlen und dabei automatisch einen guten Zweck begünstigen, per Knopfdruck 10.000 Chiemgauer überweisen oder 100 Chiemgauer in bar abheben.

Für unsere Regiocard sind die Regiogeldkonten die technische Grundlage. Unternehmen und Vereine, die am Regiocard-System teilnehmen, benötigen ein Regiokonto. Auf dieses werden die Zahlungen der Verbraucher und die Ausschüttungen für die Vereine gebucht. Bei Zahlungen zwischen Regiokonten (also von Regiokonto zu Regiokonto) wird keine Rücktauschgebühr fällig. Dieser Regionalbeitrag wird erst erhoben, wenn von einem Regiokonto auf ein anderes Bankkonto überwiesen wird, welches nicht Teil des Regiokonten-Systems ist. Die Regios eG versteht sich auch als Dienstleister für Regiogeld-Initiativen.

http://www.regios.eu/

Die Mitglieder der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe nachhaltiges Geld haben sich zum Ziel gesetzt, folgende Fragen tiefergehend zu analysieren:

  • Verhält sich Geld so neutral, wie es die Wirtschaftswissenschaft in den meisten ihrer Modelle voraussetzt? Oder treibt die Konstruktion des Finanzsystems, treibt das Geld selbst wirtschaftliches Wachstum mit an?
  • Inwieweit ist die Geldarchitektur auf Wachstum angewiesen, um ihre eigene Stabilität nicht zu gefährden?
  • Eröffnen sich der Politik hier neue, bisher übersehene Gestaltungsspielräume, um das Wachstumsparadigma zu überwinden?

Mitglieder sind derzeit:

  • Jonathan Barth
  • Anastasia Biermann
  • Christoph Freydorf
  • Elena Hofferberth
  • Christian Kimmich
  • Marvin Landwehr
  • Anne Löscher
  • Alexander Mauthner
  • Alison Schultz
  • Ludwig Schuster
  • Thomas Seltmann
  • Oliver Richters
  • Benedikt Weihmayr
  • Ferdinand Wenzlaff

Publikationen der Arbetisgruppe sind auf deren Website zu finden:

http://geld-und-nachhaltigkeit.de

Kennen Sie schon unseren Grundkurs „Geldreform“? Klicken Sie sich durch und erhalten Sie eine erste Einführung!

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Since meeting Margrit Kennedy in 2004, our network expert Stephanie Rearick from Wisconsin, USA, has been working with complementary currencies and building, from the ground up, a social and solidarity economy that is true to its name. To take local learning and tools into the world, and being ever curious about what work elsewhere, she […]

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Bericht: 6. Internationale Forschungskonferenz zur monetären Vielfalt: Sofia, Okt 2022

  Die internationale Forschungsvereinigung RAMICS organisiert eigentlich alle zwei Jahre einen großen Forschungskongress zu Komplementärwährungen, den einzigen weltweit: Im September 2019 fand der Vorletzte in Hida-Takayama in Japan statt (wir berichteten). Nur wenige Monate später brachte die Covid-Pandemie nicht nur unseren Veranstaltungskalender zum Stillstand. Die folgende  Konferenz war  damals bereits für den September 2021 angesetzt, […]

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Collaborative Finance #2 – Serving Local Communities

We need to re-organise work, wages, cooperation, food, community, procurement, health, education, even government. Financial innovation is a critical part of the solution, re-imagining investment, ownership, pensions, money, cooperation, supply chains and resilience. There are too many ideas to process, it can be hard to look beyond our specialist bubbles and impossible to coordinate, to […]

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