Auf nationaler Ebene hat Sardex in elf Regionen des italienischen Festlands Währungsinitiativen initiiert. Die Währungsinitiativen werden in Zusammenarbeit zwischen der Sardex S.p.a. und lokalen Partnern ins Leben gerufen und sind in deren Besitz. Diese angeschlossenen Systeme bauen auf der Technologie und dem geistigen Eigentum auf, die für das sardische System entwickelt wurden, und unterliegen denselben ethischen Ansprüchen. Der Handel zwischen den Mitgliedern des gesamten nationalen Netzwerks ist möglich. Falls diese überregionale Nutzung der Währung(en) zunimmt, könnten künftige Analysen der Sardex-Währungsinitiative eher auf der Ebene der gesamten Gruppe als auf der Ebene des regionalen Netzwerks relevant werden.
Die Sardex-Initiative profitiert außerdem von der engen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, wie Paolo Dini (LSE) und Laura Sartori (Universita di Bologna), und den Medien. Aufgrund ihres Erfolgs und Wachstums in den ersten sieben Jahren ihres Bestehens und ihres innovativen Ansatzes zur Linderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise fand die Initiative großen Anklang in den nationalen und internationalen Medien, selbst in der Finanzpresse und bei Finanz- und Innovationspreisen.
Die Initiative führt auch die italienische Bank „Banca Etica“ unter ihren Partnerorganisationen auf. Diese Bank ist die einzige Geschäftsbank in Italien, die sich voll und ganz ethischen Anlageoptionen verschrieben hat. Mit ihr wurde eine Vereinbarung getroffen, durch die Sardex-Mitgliedern Vorzugskonditionen bei ihren Bankdienstleistungen gewährt wird. Da Sardex-Einhaiten nicht gegen Euros gehandelt werden können, fällt ihre Emmission in die technische Kategorie der „Closed-Loop-Zahlungssysteme“ und ist in den Ländern der EU und den USA im Allgemeinen nicht durch die Finanzaufsichtsbehörden reguliert. Die gehandelten Einheiten werden von den Finanzaufsichtsbehörden weder als „Geld“ noch als „Wertpapier“ angesehen, und die Betreiber der Initiativen gelten nicht als Emittenten, sondern als buchführende Dritte. Haftung und Steuerpflichten bei der Nutzung solcher Systeme bleibt bei den teilnehmenden Unternehmen.
Die technischen Einzelheiten
Die geldpolitischen Regeln des Sardex spiegeln den in der Komplementärwährungsliteratur als „mutual credit“ bekannten Ausgabemechanismus wider. Die Nutzer beginnen mit einem Nullsaldo auf ihren Konten, erhalten aber ein Kreditlimit, bis zu dem sie ihr Konto ins Minus bringen können, ähnlich wie bei Überziehungskrediten auf konventionellen Bankkonten, wobei jedoch keine Zinsen für Negativsalden berechnet werden. Wenn sie bei Sardex einen Einkauf tätigen, wird ihr Konto mit dem Kaufbetrag belastet. Umgekehrt erhalten sie bei einem Verkauf eine Gutschrift auf ihr Konto. Da es sich bei den Transaktionen immer um Bewegungen zweier Mitgliederkonten handelt, von denen eines mit dem gleichen Betrag belastet und das andere mit diesem Betrag gutgeschrieben wird, ist die Gesamtsumme aller Salden immer gleich Null. Es gibt kein zentrales Konto des Betreibers des Systems, das an der Ausgabe von Währungen oder an Transaktionen beteiligt ist. In diesem Modell ergibt sich die maximale Menge der umlaufenden Währung deshalb rechnerisch aus der Summe der für alle Benutzerkonten festgelegten Kreditlimits.
Sardex veröffentlicht weder individuelle noch die aggregierten Kreditlimits, die es den Unternehmen im Netzwerk gewährt , aber einige allgemeine Regeln zur Bestimmung dieser Limits sind in Artikeln veröffentlicht worden, die von den Gründern des Systems mitverfasst wurden: Die Kreditlimits werden auf individueller Basis festgelegt, wenn ein neues Mitglied dem Netzwerk beitritt, und belaufen sich auf etwa 1% des Jahresumsatzes des Mitglieds. Im Gegensatz zu anderen „mutual credit“-Systemen arbeitet Sardex auch mit einer Höchstgrenze für positive Salden, die etwa 10% des Umsatzes des Mitglieds beträgt. Auf seiner Website stellt Sardex eine „goldene Regel“ für den Handel innerhalb eines Netzwerks vor, an die sich die Mitglieder halten sollen: Sie sollen nur so viele Einheiten in Sardex ausgeben, wie sie in einem bestimmten Zeitraum voraussichtlich wieder einnehmen werden. Da für positive Salden keine Zinsen gezahlt werden, bringt der Verzicht auf Ausgaben keine Vorteile für die Mitglieder mit sich. Wird hingegen ein negativer Kontostand nicht innerhalb von 12 Monaten ausgeglichen, können Strafzahlungen in Euro fällig werden, und Mitglieder, die sich nicht an diese Regeln halten, können rechtlich belangt werden.
Diese Regeln ermutigen die Mitglieder, ihre Handelsaktivitäten in Sardex konstant und ihre Konten ausgeglichen zu halten, was wiederum dazu führt, dass die „Umlaufgeschwindigkeit“ der Währung – ein ökonometrischer Ausdruck für das Verhältnis zwischen dem Transaktionsvolumen und dem Gesamtbetrag der positiven Salden – deutlich höher ist als bei herkömmlichen Währungen (1,5 in Euro gegenüber 11,56 in Sardex im Jahr 2016).
Da die Sardex-Währung nominell an den Euro „gekoppelt“ ist, müssen die Preise(schilder) bei Verkäufen innerhalb des Netzes nicht geändert werden, allerdings sind spezielle Rabatte und Angebote üblich. Einkäufe im Wert von mehr als 1.000 Euro können teilweise in Sardex und teilweise in Euro bezahlt werden. Die Mehrwertsteuer und andere Steuern werden zum vollen Gegenwert in Euro fällig, was ein weiterer Grund dafür ist, warum ein Unternehmen Sardex nur begrenzt akzeptieren kann, da es weiterhin Einnahmen in Euro benötigt, um seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Was die Regeln für die Leitung der Initiative und die Verwaltung des Netzes betrifft, so ist eine Reihe von Werten zu nennen, zu denen sie sich explizit bekennen. Dazu gehören Transparenz, Zusammenarbeit, Gegenseitigkeit und Vertrauen. Einige dieser Werte scheinen mit der Natur eines gewinnorientierten Unternehmens in Konflikt zu stehen. So steht beispielsweise die Nichtveröffentlichung der Mitgliedschaftsbedingungen und der Heuristik für die Festlegung von Kreditlimits im Widerspruch zu Transparenz und symmetrischer Information. Die Eigentümerstruktur des Unternehmens wird jedoch in der Pressemappe auf der Sardex-Website offengelegt, wo auch ein umfassender „Verhaltenskodex“ zu finden ist. Dieser legt die Grundsätze der internen Prozesse und der Beziehungen zu den Stakeholdern fest und kann als Prüfstein für die Selbstbeschreibung des Unternehmens als „Sozialunternehmen“ herangezogen werden .
(Dieser Artikel wurde aus der Dissertation von Dr. Leander Bindewald, Lancaster University 2018, wiederveröffentlicht)
Weitere Informationen und Aktualisierungen zu Sardex finden Sie auf der Website des Unternehmens: www.sardex.net