Dieses ist eine lizensierte Übersetzung des gleichnamigen Artikels auf dem Blog „Altered States of Monetary Consciousness“ von Brett Scott (nur für zahlende Abonnementen zugänglich).

 

Ist dieses „globale Grundeinkommen auf der Blockchain“ tatsächlich das, was es zu sein vorgibt?

Ich habe meine Leserschaft nach Vorschlägen für Währungs-Projekte gefragt, die sie gerne „unboxed“ sehen würden, also eine Art öffentliches Unter-Die -Haube-Schauen. Ein erster Vorschlag war der “GoodDollar”, der von sich behauptet, ein „globales Grundeinkommen auf Basis der Blockchain“ zu sein, und so beschloss ich, mit diesem Projekt zu beginnen, da es in letzter Zeit auch recht häufig in Gesprächen auftauchte. Um ehrlich zu sein, war ich von Anfang an skeptisch, aber ich beschloss, unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Da “unboxing” ursprünglich in beliebtes Video-Format ist, gibt es zu diesem Artikel auch eine ausführliches Video (49min). Hier die Zusammenfassung meiner Recherche:

Was auf der Verpackung (Box) steht:

Das GoodDollar-Team behauptet, mit einem neuen Mechanismus zur Bereitstellung eines globalen Grundeinkommens „für die Ewigkeit“ (huch, das ist eine GROSSE Behauptung) zur Lösung der globalen Ungleichheit beizutragen. Es kommt mit einer Menge witziger Ästhetik daher, und auch mit einer raffinierten Blockchain-Sprache, um sich mit dieser Art dezentraler Innovation in Verbindung zu bringen. Oberflächlich betrachtet schafft dies eine gewisse Attraktivität für ein breites Publikum, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um ein Nebenprojekt der großen online Handelsplattform eToro handelt, das auch vom eToro-Gründer Yoni Assia gefördert wird.

Was sich tatsächlich in der Box befindet:

Wenn ich mir die Verpackung (also die Texte auf ihrer Webseite) näher ansehe, bin ich allerdings nicht besonders beeindruckt. Erstens gebe ich gerne zu, dass das Team einige beeindruckende technologische Experimente durchführt – sie experimentieren mit einer ganzen Reihe innovativer Blockchain-Verträge und den „DeFi“-Märkten -, aber die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Dimensionen von Grundeinkommen scheinen ziemlich banal behandelt zu werden. Man hat fast den Eindruck, dass sie mehr daran interessiert sind, mit technologischen Innovationen herumzuspielen, als wirklich über die Struktur der globalen Ungleichheit nachzudenken, über die sie sich angeblich Sorgen machen. Dadurch beschleicht mich der Verdacht, dass es sich hier um eine Art CSR-Projekt (Corporate Social Responsibility) von eToro handelt, das mehr Aufmerksamkeit erhält, als es verdient. Es hat auch eine sehr „techno-solutionistische“ Ausstrahlung, und der vorgeschlagene montäre Mechanismus ist – potenziell – politisch und wirtschaftlich fragwürdig.

Die Beschreibung des Mechanismus im Klartext:

Es ist leicht, sich von dem Krypto-Jargon umgarnen zu lassen, der das Projekt umgibt, und sich von seiner scheinbar innovativen Natur beeindrucken zu lassen. Aber wenn man das durchschaut und es auf das Wesentliche reduziert, ist es insgesamt ziemlich einfach zu verstehen. Hier also im Klartext (aber bedenken Sie, dass es die Implementierung über Blockchain-Protokolle wahrscheinlich macht, dass das GoodDollar Team die Sprache, die ich hier verwende, ablehnen würde):

  • Sie bringen Leute (insbesondere wohlhabende Krypto-Investoren) dazu, Geld zu spenden (in Form von an den US-Dollar gekoppelten „Stablecoins“).
  • Sie nehmen das Geld und verleihen es.
  • Sie nehmen die Zinserträge aus diesem Verleih und geben einen Teil davon an jeden, der sich bei der App angemeldet hat (ein Prozess, bei dem man seine “Menschlichkeit” (Legitimität) über biometrische Gesichtsdaten nachweisen muss). Dies ist dann die „Grundeinkommens-Komponente“ des Systems.

Mit anderen Worten: Wohlhabende Menschen stellen Kapital zur Verfügung, aus dessen Zinsen dann das Geld stammt, das als sogenanntes Grundeinkommen* ausgezahlt wird. Die Menschen, die dieses Kapital zur Verfügung stellen, können es auch jederzeit wieder abheben.

Um ein globales Grundeinkommen wirklich auf diese Weise zu finanzieren, müsste zunächst eine sehr große Menge an Kapital verliehen werden, um genügend Zinsen zu erwirtschaften, damit Millionen von Menschen ein sinnvolles Einkommen erhalten. Das System befindet sich derzeit in einer Pilotphase, aber damit es tatsächlich erreichen kann, was es vorgibt, erreichen zu wollen (ein globales Grundeinkommen), müssten riesige Mengen an Schulden geschaffen werden, so dass riesige Mengen an Zinsen abgezogen und dann an alle Bürger der Welt weitergeleitet werden könnten, um die globale Ungleichheit zu „lösen“. Dies erscheint problematisch.

Vielleicht geht es bei dem Projekt aber gar nicht darum, ein globales Grundeinkommen zu schaffen. Vielleicht geht es darum, nur das Profil der neuen „DeFi“-Märkte zu stärken, also der „dezentralisierten Finanzmärkte“, wie die Krypto-Version der normalen Finanztechnologie-Branche oftmals bezeichnet wird. In der Tat profitiert eToro grundsätzlich davon, wenn DeFi-Märkte die Aufmerksamkeit der Presse und potentieller Nutzer erhalten, da das Hauptgeschäft von eToro in der Bereitstellung einer Handelsplattform, unter anderem für Krypto-Tokens, besteht.

Aber was ist der „GoodDollar“ nun? Ist es eine neue Währung?

Der GoodDollar ist nicht wirklich eine neue Währung, nein. Im Grunde werden die Zinserträge aus den oben erwähnten Krediten in einen Pool eingezahlt, und der „GoodDollar“ ist eine Einheit, die als Anspruch gegen diesen Pool ausgegeben wird. Wer sich anmeldet, erhält „GoodDollars“, als ob es sich dabei um eine eigene Währung handeln würde, die aber eigentlich nur als „Einheit, gedeckt durch Krypto-Dollars aus Zinserträgen“ bezeichnet werden sollte.

Um dem GoodDollar jedoch den Anschein zu geben, eine einzigartige Währung zu sein, versucht das Team, einen Marktplatz zu schaffen, auf dem die Menschen, die ihn als „Grundeinkommen“ erhalten, bei Einzelhändlern direkt ausgeben können (die Einzelhändler sagen im Grunde: „Wir akzeptieren eine Einheit, die von Schuldzinsen abgeleitet ist, aber in dem Markennamen „Gooddollar“ verpackt ist, und geben vor, dass es sich um eine „neue Währung“ handelt). Den Einzelhändlern wird auch gesagt, dass sie durch die Annahme dieser „Währung“ etwas Gutes tun (als ob es etwas Gutes wäre, wenn sie US-Dollars annehmen, die unter einem neuen Namen an ihre Kunden verteilt wurden).

Das ist GoodDollar.

 

Vielleicht ist meine Einschätzung aber auch unfair. Vielleicht habe ich einige Elemente des Systems missverstanden. Schließlich handelt es sich hier nur um ein erstes Unboxing, das in begrenzter Zeit durchgeführt wurde. Vielleicht muss man noch tiefer gehen. Wenn Sie sich selbst ein Bild davon machen möchten, finden Sie hier drei Links:

Die Beschreibung des Projektes auf seiner Website: https://www.gooddollar.org/how-gooddollar-works/

Das White-Paper (ausführliche Projektbeschreibung): https://whitepaper.gooddollar.org/

Die Ankündigung der Markteinführung: https://www.gooddollar.org/gooddollar-basic-income-launch/

Was halten Sie davon?
Bitte hinterlassen Sie Kommentare auf meiner Webseite und schlagen Sie Ihre eigenen Unboxing-Projekte vor!

 

*Anmerkung der monneta-Redaktion: Der Begriff des Grundeinkommens wird im Englischen oftmals anders verwandt und verstanden als im Deutschen. Die geläufige Übersetzung des Begriffes ist “Universal Basic Income” (UBI). Dabei kann “Basic” zwar auch “Grund-” bedeuten (im Sinne von “Abdeckung von Grundbedürfnissen”), aber viel öfters wird es im Sinne von “grundsätzlich” oder “einfach” verwendet. Damit kann dann theoretisch ein Einkommen in jedweder Höhe gemeint sein, unabhängig davon welcher Minimalbetrag zur effektiven Abdeckung von Grundbedürfnissen nötig wäre.