Tauschringe und Regiogeld werden häufig in einem Atemzug genannt und dabei voreilig in einen Topf geworfen. Das mag an den besonders hervorstechenden Merkmalen liegen, denn beide Erscheinungen sind den komplementären Währungen zuzurechnen und verdanken sich freiwilligem Engagement von Bürgern. Tatsächlich kennzeichnen sie bei allen Gemeinsamkeiten auch erhebliche Unterschiede, vor allem im Hinblick auf ihre Bedeutung, auf Teilnehmer, Träger, Ziele und Grundsätze, auf Angebot und Währung sowie auf Arten, die Wirtschaftsform und eine mögliche Weiterentwicklung. Es erscheint unerlässlich zum richtigen Verständnis von Tauschringen und Regiogeld zu sein, sich das Gemeinsame und Trennende vor Augen zu führen.1

1. Bedeutung
Tauschringe sind in Deutschland weit verbreitet. Die bundesweite zentrale Adressverwaltung registriert über 200 Tauschringe (Stand November 2010). Allerdings dürfte die tatsächliche Anzahl weit höher liegen, denn die Adressmeldung ist freiwillig. Und der Regiogeldverband führt für den deutschsprachigen Raum 63 Regiogeld-Initiativen auf, davon sind 26 bereits aktiv (Stand November 2010). Daneben gibt es weitere Initiativen, die nicht Mitglied im Regiogeldverband sind.

2. Teilnehmer
Die Tauschringe haben vor allem private, aber auch gewerbliche Mitglieder. Sie kooperieren mit Vereinen, gelegentlich mit Kirchengemeinden und Kommunen. Die Mitgliederstruktur der Regiogeld-Initiativen sieht ein wenig anders aus: Neben den privaten Mitgliedern liegt der Schwerpunkt vor allem auf gewerblichen Mitgliedern, auf Freiberuflern und gemeinnützigen Einrichtungen. Noch selten gibt es Kooperationen mit der jeweiligen Kommune und dem Landkreis, öfter jedoch politische Unterstützung.

3. Träger
Die Tauschringe sind häufig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eingetragener Verein organisiert. Mittlerweile werden sie häufig als gemeinnützig anerkannt. Auch Regiogeld-Initiativen agieren als eingetragener Verein oder auch ohne Rechtsform, gelegentlich trägt eine Genossenschaft das Projekt. Ihre Gemeinnützigkeit ist in mehreren Fällen bereits anerkannt.

4. Ziele
Die Mitglieder von Tauschringen und Regiogeld-Initiativen verfolgen einige gemeinsame Ziele, vor allem die aktive Mitgestaltung des sozialen und wirtschaftlichen Geschehens. Sie möchten die Verteilungssituation ihrer Mitglieder verbessern, die wirtschaftliche Vielfalt erhalten und zu einem anderen, einem mehr kooperativen sozialen Miteinander kommen. Wichtig ist ihnen die Einbeziehung mittel- und langfristiger Aspekte durch nachhaltiges Wirtschaften, insbesondere aufgeklärter, umweltfreundlicher Konsum. Wichtig ist ihnen auch, den Umgang mit „anderem Geld“ zu erproben. Immer sollen dabei stabile Kreisläufe geschaffen werden, keinesfalls geht es bei den Projekten um die Generierung eines instabilen Schneeballsystems. All diese Ziele konkretisieren sich jedoch in jeweils spezieller Weise. Die Tauschringe verfolgen die verbesserte Versorgung ihrer Mitglieder über eine erweiterte Nachbarschaftshilfe und die Förderung des sozialen Miteinanders. Zentral wichtig ist den Mitgliedern, dass sie tun können, was ihnen Freude macht und der Umgang mit entknapptem Geld. Dagegen zielen die Regiogeld-Initiativen insbesondere auf eine Schließung der regionalen Wirtschaftskreisläufe und die Bindung der regionalen Kaufkraft. Dadurch sollen regional agierende kleine und mittlere Unternehmen und gleichzeitig gemeinnützige Institutionen und Projekte (etwa in Kultur und Sozialwesen) aus den erwirtschafteten Überschüssen gefördert werden. Mit anderen Worten: Die Gewinne werden sozialisiert. Insoweit stellen Regiogeld-Projekte eine Art Gegenentwurf zur herkömmlichen Wirtschaftsweise dar. Daneben sind sie ein erfolgreiches Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung sowie ein zur Landeswährung regional redundantes Zahlungssystem. Denn viele Initiativen wollen ganz bewusst ein Notfallsystem installieren, eine regionale Antwort auf die Finanzkrise.

5. Grundsätze
Dabei lassen sich Tauschringe und Regiogeld-Initiativen von gemeinsamen Grundsätzen leiten: von Freiwilligkeit und Gleichheit, von Gegenseitigkeit, Eigeninitiative und Selbsthilfe. Daneben fühlen sie sich den Prinzipien von Kooperation beziehungsweise Koexistenz und dem bürgerschaftlichen Engagement verpflichtet.

6. Angebot
Das Angebot der Tauschringmitglieder setzt sich überwiegend aus Gebrauchtwaren, aus Einzelanfertigungen und Spezialitäten sowie aus Dienstleistungen, die häufig auf sogenannten Jedermann- Qualifikationen, aber auch auf beruflichen Qualifikationen beruhen, zusammen. Dazu kommen Ausleihe oder gemeinsame Nutzung von Gegenständen. Teilweise sind auch gewerblich angebotene Leistungen zu finden. Beim Angebot in Regiogeld-Projekten geht es um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Gütern aus dem regionalen Einzelhandel, auch von regionalen Erzeugern und Versorgern. Daneben findet man regional angebotene Dienstleistungen, die regelmäßig auf beruflichen Qualifikationen beruhen, beispielsweise aus Handwerk, freiberuflichen Tätigkeiten und Gastronomie.

7. Währung
Gemeinsam ist beiden Formen, Tauschringen wie Regiogeld-Initiativen, dass es sich jeweils um eine Vereinbarung der Gemeinschaft handelt, komplementäres Geld als Zahlungsmittel in Ergänzung zum Euro zu benutzen. Die interne Verrechnungswährung in den Tauschringen ist dadurch gekennzeichnet, dass es
sich regelmäßig um eine Zeitwährung handelt, die auch als Buchgeld auftritt. Guthaben wie Schulden sind unverzinslich und in den meisten Tauschringen nach oben beziehungsweise nach unten begrenzt. Die Geldschöpfung erfolgt dezentral durch die Mitglieder selbst, indem sie sich gegenseitig Kredit einräumen. Dadurch können die Tauschring-Mitglieder das Geld selbst nach Bedarf schöpfen und entknappen, allerdings nur bis zu einer Obergrenze, denn die Zeit tritt als absolute Restriktion in Erscheinung. Mit anderen Worten: Im Unterschied zu den Landeswährungen kann eine Zeitwährung nicht völlig beliebig geschöpft werden, weil einerseits die Lebenszeit der Menschen begrenzt ist und andererseits auch die Arbeitszeit pro Tag eine natürliche Obergrenze hat. Dieses Geld, dessen Zahlungsmittelfunktion häufig noch mit einem Umlaufimpuls hervorgehoben wird, ist nicht gesetzliches Zahlungsmittel. Regiogeld-Initiativen geben Bargeld in Form einer Gutscheinwährung heraus. Die Gutscheine sind ebenfalls kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern dienen als ein internes Zahlungsmittel ausschließlich den Mitgliedern der Initiative. In der Regel sind die Scheine mit einem Umlaufimpuls versehen, der vierteljährlich 2 v.H. vom Nennwert beträgt. Die entsprechenden Wertmarken werden auf die Gutscheine aufgeklebt. Dieser Umlaufimpuls erhöht die Umlaufgeschwindigkeit der Gutscheine, stärkt ihre Zahlungsmittelfunktion und lässt sie als Wertspeicher unattraktiv werden. Die Regiogeld-Projekte unterscheiden sich im Währungsdesign voneinander: Viele Initiativen betreiben keine eigene Geldschöpfung, sie geben eurogedeckte Gutscheine heraus. Andere Initiativen decken dagegen die Gutscheinwährung mit den Leistungen ihrer gewerblichen Mitglieder, sie bringen die Gutscheine als Kredit zusätzlich in den Umlauf. Energiegedeckte Regiogelder befinden sich noch in der Planungs- und Erprobungsphase. Erste Initiativen bieten in Kooperation mit Finanzinstituten bereits einfache Finanzdienstleistungen wie Sparkonten und Mikrokredite an.

8. Arten
Es haben sich bei den Tauschringen zahlreiche Varianten ausgebildet, die sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Mitgliederkreis unterscheiden lassen: In privaten Tauschringen können nur private Haushalte oder Privatpersonen Mitglied werden, in gewerblichen Tauschringen oder Barter-Clubs nur Gewerbetreibende. Es gibt aber auch gemischte Tauschringe, die Privaten und Gewerbetreibenden offen stehen. Daneben gibt es zahlreiche spezialisierte Sonderformen, etwa Seniorengenossenschaften, Nutzungs- oder Bildungsgemeinschaften. Da sich der Teilnehmerkreis der Regiogeld-Initiativen auf Bewohner und Gewerbebetriebe einer ganzen Region verteilt, lassen sich die Regiogelder vor allem über die Art, wie sie gedeckt werden, unterscheiden in eurogedeckte, leistungsgedeckte und energiegedeckte Währungen.

9. Wirtschaftsform
Tauschringe funktionieren als eine lokal oder regional begrenzte Tauschwirtschaft mit mehrseitigem Tausch. Sie sind gleichzeitig eine Fähigkeitenwirtschaft, denn die Mitglieder können das gesamte Spektrum ihrer Fähigkeiten einbringen und nicht nur berufliche Qualifikationen. Regiogeld-Projekte erweitern dagegen in einer umschriebenen Region den marktlichen Austausch unter Konkurrenz. Sie sind als eine spezielle Geldwirtschaft einzuordnen.

10. Weiterentwicklung
Derzeit sind zahlreiche Neuerungen zu beobachten: Als wichtigste Weiterentwicklung der Tauschringe sind wohl Zeitbanken anzusehen, bei denen die Zeitguthaben angespart und zum Aufbau einer zusätzlichen Säule der Altersicherung verwendet werden können. Weiter kooperieren in einigen Regionen Tauschringe mit Regiogeld-Initiativen, so dass beide Währungen abgestimmt nebeneinander verwendet werden können. Auch Regiogeld-Initiativen betreiben ihre Weiterentwicklung aktiv, indem sie den Teilnehmerkreis vergrößern und zunehmend zur Leistungs- oder Energiedeckung übergehen wollen. Als wichtigste Neuerungen dürfen wohl die Einführung von Geldkarten und elektronischen Verrechnungssystemen gelten. Wichtig sind ferner neue Kooperationen z. B. mit Kommunen und Vereinen, mit Energie- und Wasserversorgern sowie mit Regionalbanken und privaten Spar- und Leihgemeinschaften.

11. Zusammenfassung
Komplementäre Wirtschaftsweisen setzen beidseitig an, auf der Güter- und der Geldseite der Wirtschaft. Damit können die häufig als Selbsthilfe- oder Selbsterfahrungsprojekte verstandenen Tauschringe trotz ihres kleinen Maßstabes zur besseren Versorgung und zur stärkeren sozialen Einbettung der Mitglieder dienen. Ihre internen Verrechnungswährungen sind ebenso wie die Regiogelder sehr stark sozial und real geankert. Als praktische Feldexperimente erlauben Regiogeld-Projekte den Teilnehmern, ihr wirtschaftliches und soziales Umfeld variantenreich mitzugestalten. Erfolgreiche Regiogeld-Initiativen stärken nachgewiesenermaßen die regionale Wirtschaft und das soziale Gemeinwesen: Regiogeld spannt eine Art semipermeabler Membran um die Region und hält auf diese Weise die Kaufkraft länger im regionalen Kreislauf.

1 Dieser Beitrag ist die erweiterte Ausformulierung eines Vortrages im Kommunalen Kino in Villingen-Schwenningen
am 20.6.2007.