Dieses Buch wirft einen ungewohnten Blick auf die rund 250-jährige Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter der Moderne und der sie prägenden ökonomischen Theorien. Aus der Perspektive der unkonventionellen Denkansätze einer Bodenrechts- und Geldreform zeigt es, dass die Marktwirtschaft noch nie wirklich ‚frei‘ und die bürgerliche Gesellschaft noch nie eine Gesellschaft von Freien und solidarisch verbundenen Gleichen war. Vielmehr waren der wirtschaftliche Wettbewerb auf den Märkten und auch die politische Demokratie von Anfang an durch Privilegien des privaten Geld- und Realkapitals einschließlich des privaten Bodeneigentums verfälscht. Diese Privilegien bewirkten eine fortwährende Akkumulation und Konzentration von wirtschaftlicher und politischer Macht. Die Monopolisierung der Märkte machte die Entwicklung einer egalitären bürgerlichen Gesellschaft, die die Humanisten und Aufklärer sowie die Klassiker der Ökonomie nach dem Ende des Feudalismus erwartet hatten, unmöglich. Stattdessen führte sie zur Entstehung einer hierarchisch geschichteten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Zu deren innerer sozialer Spaltung kam die Aufspaltung der Einheit von menschlicher Gesellschaft und Natur hinzu.
Die Anfänge dieser Fehlentwicklung haben die Klassiker der Ökonomie übersehen und die Frühsozialisten haben sie nicht korrigieren können. Marx & Engels haben zwar die Lohnabhängigkeit der Proletarier von konzentrierten Privatkapitalien angeprangert; aber mit ihrer Forderung nach einer Verstaatlichung der Produktionsmittel haben sie die Akkumulation und Konzentration von Kapital nicht rückgängig gemacht, sondern sie auf einer höheren proletarisch-staatlichen Ebene geradezu auf eine Spitze getrieben.
Im Gegensatz zur privat- und staatskapitalistischen Akkumulation und Konzentration von Kapital entwickelten Mill in England und Proudhon in Frankreich erste Ansätze einer Dezentralisierung von Kapital und einer Entmonopolisierung der Märkte. In diese Richtung dachten um die Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert auch weitere liberalsozialistische Reformer wie George in den USA,Oppenheimer und Gesell in Deutschland sowie Hertzka in Österreich-Ungarn. Sie blieben jedoch im Schatten der großen ökonomischen Orthodoxien der Klassik & Neoklassik und des Marxismus bzw. derjenigen Epigonen von Marx, die wie Hilferding und in gewissem Sinn auch Schumpeter an die demokratische Steuerbarkeit eines Organisierten Kapitalismus mit monopolkapitalistisch vermachteten Märkten glaubten.
Auch Keynes neigte zu einer staatlichen Globalsteuerung der kapitalistisch deformierten Marktwirtschaft; jedoch entwickelte er in Anlehnung an Gesells Geldreform auch Vorstellungen eines „wirtschaftspolitischen Gezeitenwechsels“ in die Richtung einer Dezentralisierung von Kapital und eines längerfristigen Übergangs in ein „quasi-stationäres Gemeinwesen“ mit gegen null sinkenden Geld- und Realkapitalrenditen.Dazu passten auch die Überlegungen der Ökonomen und Juristen des frühen Ordoliberalismus. Durch Reformen des Gesellschafts-, Haftungs-, Patent- und Markenrechts wollten Böhm und Eucken sowie Röpke und Rüstow eine rechtsstaatliche Rahmenordnung für eine monopolfreie „vollständige Konkurrenz“ schaffen. Jedoch versäumten sie es ebenso wie Keynes‘ Nachfolger, in diese Richtung weiterzudenken und auch die Privilegien des privaten Bodeneigentums und des Geld- und Realkapitals abzubauen. So gerieten die Postkeynesianer und die Ordoliberalen auf je eigene Weise in den Sog der weiteren Kapitalkonzentration und ließen der fortschreitenden Monopolisierung der angeblich ‚freien‘ Märkte bald ihren Lauf.
Indem sich die Nachfolger von Keynes von dessen geldreformerischen und wachstumskritischen Ambitionen entfernten, entwickelten sie ähnlich wie die Neoklassik Theorien, in denen den Menschen ein Goldenes Zeitalter eines immerwährenden krisenfreien Wirtschaftswachstums in Aussicht gestellt wurde. Diese Theorien beruhten auf dem Glauben, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft in konzentriertes Kapital und lohn- und gehaltsabhängige Arbeit durch eine beiderseitige Teilhabe an einem ständigen Wirtschaftswachstum überdeckt werden könne. Dagegen konnte sich die in den 1960er und 1970er Jahren von Kohr, Schumacher und Illich begründete „Small is beautiful“-Bewegung nicht durchsetzen. Wie schon dem frühen Ordoliberalismus fehlte auch ihr die Einsicht in die Notwendigkeit, Privilegien des privaten Bodeneigentums und Geld- und Realkapitals abzubauen, um die soziale Spaltung der Gesellschaft und ihre Abspaltung von der Natur überwinden zu können. In den ersten elf Kapiteln dieses Buches werden diese Theorieentwicklungen in der Ökonomie einschließlich ihrer unorthodoxen „Unterwelt“ (Keynes) und entsprechender Diskurse in der Soziologie aus der Perspektive der Bodenrechts- und Geldreform nachgezeichnet – bis hin zur neoliberalen Entfesselung der internationalen Finanzmärkte und des realwirtschaftlichen Wachstums auf monopolisierten, von Konzernen beherrschten Weltmärkten. Mittlerweile hat diese Fehlentwicklung in eine multiple, ökonomisch-sozial-ökologische Gesamtkrise von Mensch und Erde geführt.
Im zwölften Kapitel werden die derzeitige, historisch einmalige Krisensituation und die Notwendigkeit einer grundlegenden wirtschaftspolitischen Kurskorrektur behandelt. Unter anderem versucht es, die neuere Negativzinsentwicklung als Zwischenstadium in einem noch unübersichtlichen Übergang in eine „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ verständlich zu machen.
Das dreizehnte Kapitel führt zusammenfassend die Realutopie einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ vor Augen und skizziert das in ihr enthaltene Potenzial für eine Überwindung des hierarchischen Lohnarbeitsverhältnisses, der Geschlechterhierarchie und des Drangs zu permanentem Wirtschaftswachstum. Es werden Konturen eines auf Gegenseitigkeit und Fairness beruhenden Menschenbildes und einer dezentralen, nachkapitalistisch-bürgerlichen Marktgesellschaft sichtbar – ebenso ihre möglichen Auswirkungen auf die Einigung Europas und eine marktwirtschaftliche, aber nicht mehr kapitalistische Neuordnung des Welthandels. Zu mehreren Aspekten dieser Realutopie werden auch gegenwärtige Diskussionsstände und offene Forschungsfragen benannt. Abschließend werden im vierzehnten Kapitel mögliche Auswirkungen einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ auf die Entwicklung der Demokratie- und Transformationstheorien skizziert. Kann eine zukünftige „Marktwirtschaft und Demokratie ohne Kapitalismus“ mit den Mitteln der realexistierenden, von Machtinteressen deformierten Demokratie erreicht werden? Und birgt die gegenwärtige Corona-Krise neben Gefahren auch Chancen für die Herbeiführung einer großen Transformation von Wirtschaft und Politik in eine freiheitliche, gerechte, friedliche und naturverträgliche Ordnung des menschlichen Zusammenlebens?
Das Buch kann hier kostenlos auf der Webseite des Autors Werner Onken heruntergeladen werden.