Irving Fisher veröffentlichte vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1935 einen Vorschlag zum 100%-Geld, das heißt zu einer hundertprozentigen Deckung der Bankguthaben durch Zentralbankgeld (Fisher 1935; zur Entstehung des Vorschlags und Fishers politisches Vorgehen vgl. Allen 1993). Dieses Vorhaben ist auch als Chicago-Plan bekannt, da es von mehreren Chicagoer Ökonomen vertreten wurde. Banken müssen gemäß dem Plan dauerhaft Barreserven in Höhe von 100 Prozent für die Sichtguthaben ihrer Kunden halten. Aus diesem Grunde wird der Ansatz auch Full Reserve Banking genannt. Geldschöpfung sollte demzufolge nicht mehr durch Kreditvergabe der Privatbanken erfolgen, womit den Geschäftsbanken die Möglichkeit zur Geldschöpfung entzogen wird. Das Privatbankengeschäft würde sich entsprechend auf die Funktion als Geldvermittler konzentrieren. Banken könnten Kredite nur in Höhe der ihnen zur Verfügung gestellten Sparguthaben sowie des Zentralbankgeldes, das sie vorab von der Zentralbank erhalten, vergeben (Allen 1993: 705).
Ausgangspunkt dieses Konzepts ist die Feststellung, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr bei Zahlungen überwiegt. Zum größten Teil, zu Fishers Zeiten von ihm bereits auf 90 Prozent geschätzt, bestehen Zahlungsmittel nicht aus Zentralbankgeld, sondern aus „Scheckbuchgeld“ (Buchgeld, über das jederzeit verfügt werden kann = Giralgeld). Der Staat hat keinen umfassenden Einfluss auf die Schöpfung des Buchgeldes, denn Geschäftsbanken können im Rahmen ihrer Kreditgewährung einen Anspruch auf Zentralbankgeld einräumen, welcher wiederum selbst zu Geld wird. Geschäftsbanken sind so zur multiplen Geldschöpfung auf Basis geringer Reservevorschriften fähig. Das Buchgeld ist zum vorrangigen Zahlungsmittel geworden, obwohl es nicht durch entsprechende Mengen an Bargeld bzw. Zentralbankgeld gedeckt ist.
In der schnellen Vernichtung von Giralgeld (Buchgeld) sah Fisher die Hauptursache der Weltwirtschaftskrise. Der Zusammenbruch der Geldversorgung, der zwischen 1929 und 1933 auftrat, hätte Fisher zufolge mit einem Full-Reserve-Banking-System verhindert werden können (Bordo/Rockoff 2011: 40). Fisher nennt verschiedene Vorteile des 100%-Plans (vgl. Benes/Kumhof 2012: 5f.). So würden plötzliche Anstiege oder Zusammenbrüche des Kreditangebots von Banken verringert. Dadurch würde auch die Gefahr einer Inflation oder Deflation sinken und das System insgesamt stabilisiert. Der zweite Vorteil liege in der Verhinderung von Bankenstürmen und der Verringerung von Bankenpleiten. Insgesamt führe es zur Abschwächung von Boomphasen und Depressionen und zu einer stärkeren realwirtschaftlichen Rückbindung des Geldes. Als dritten Vorteil sieht er die außerordentliche Reduzierung öffentlicher Schulden, da Geld nicht mehr durch öffentliche Kreditaufnahme geschöpft würde. Somit könnte der Staat Geld direkt emittieren, anstatt zu verzinsende Kredite bei Banken aufnehmen zu müssen. Da Geld grundsätzlich nicht mehr über Kreditschöpfung entstehen würde, könnte darüber hinaus auch die private Verschuldung zurückgeführt werden.
In ihrer Modellierung kommen die beiden IWF-Analytiker Benes und Kumhof jüngst zu dem Schluss, dass der Chicago-Plan in der Tat die von Fisher genannten Vorzüge aufweise (Benes/Kumhof 2012). Zu den Befürwortern von Full Reserve Banking gehört auch Milton Friedman mit seinem Programm für monetäre Stabilität (Milton Friedman 1961: insbesondere 65–75). Eine vollständige Reservedeckung verhindere jeden Bankensturm, da 100 Prozent der Einlagen gedeckt sind und somit an die Kunden mit Sparguthaben in bar ausgegeben werden können. In jüngster Zeit liefert Binswanger konkrete Überlegungen zu einer Umsetzung des 100%-Geldes (Binswanger 2012). So könnte den Geschäftsbanken im Rahmen einer Übergangsfrist bei der Rückzahlung von Krediten Zentralbankgeld in Höhe der vorherigen Kreditsumme zur Verfügung gestellt werden, sodass sie dann neue, nun voll gedeckte Kredite vergeben können.
Zu den Zielen des Full Reserve Banking gehören neben einer Stabilisierung der Geldmenge und somit einer Glättung von Konjunkturzyklen auch die Verringerung von Staatsschuld durch Gewinne durch die Herausgabe von Geld und langfristig die Reduzierung privater Verschuldung. Befürworter des Konzepts sehen im Vergleich zum jetzigen System eine verbesserte Erfüllung dieser Funktionen, da Kreditgeldmengenschwankungen, Inflation und Deflation reduziert werden können. Kritiker des Ansatzes vermuten, dass die strikte Regulierung der Buchgeldschöpfung dazu führen könnte, dass andere Finanzprodukte oder Assets Geldfunktionen übernehmen würden. Es würden somit Ausweichmöglichkeiten gesucht und die staatliche Steuerungsfähigkeiten weiterhin untergraben (vgl. Allen 1993: 716).
(frei zitiert aus: Philipp Degens (2013): Alternative Geldkonzepte, MPIfG Discussion Paper 1/13, mit freundlicher Genehmigung des Autors – Literaturhinweise bitte bei Degens nachsehen.)