Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine Idee und eine Bewegung. Die Gemeinwohl-Ökonomie möchte in einem demokratischen, partizipativen und ergebnisoffenen Prozess ein Wirtschaftssystem etablieren, in dem das Gemeinwohl an oberster Stelle steht. Geld und Wirtschaften sollen Mittel zum Zweck sein und nicht Selbstzweck.

Die zugrunde liegenden Werte:

  • Menschenwürde
  • Solidarität
  • Mitbestimmung und Transparenz
  • Soziale Gerechtigkeit
  • Ökologische Nachhaltigkeit

Die Eckpunkte von Christian Felber:

  1. Die Gemeinwohl-Ökonomie beruht auf denselben Verfassungs- und Grundwerten, die unsere Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gelingende Beziehungen das, was Menschen am stärksten motiviert und am glücklichsten macht.
  2. Der rechtliche Anreizrahmen für die Wirtschaft wird umgepolt von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation. Unternehmen werden für gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit belohnt. Kon(tra)kurrenz ist möglich, bringt aber Nachteile.
  3. Wirtschaftlicher Erfolg wird nicht länger mit an den Mitteln des Wirtschaftens gemessen (Geld, Kapital, Finanzgewinn), sondern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Lebensqualität, Gemeinwohl). Auf der Makroebene (Volkswirtschaft) wird das BIP als Erfolgsindikator vom Gemeinwohl-Produkt abgelöst, auf der Mesoebene (Unternehmen) der Finanzbilanz eine Gemeinwohl-Bilanz vorangestellt; auf der Mikroebene (Investition) werden alle Kreditansuchen einer Gemeinwohl-Prüfung unterzogen.
  4. Die Gemeinwohl-Bilanz wird zur Hauptbilanz von Unternehmen. Je besser die Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnisse der Unternehmen in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt. Unternehmen mit guten Gemeinwohl-Bilanzen erhalten rechtliche Vorteile: niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite, Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei Forschungsprogrammen et cetera. Dadurch werden ethische, ökologische und regionale Produkte und Dienstleistungen billiger als unethische; und ethische Unternehmen setzen sich auf dem Markt durch.
  5. Die Finanzbilanz wird zur Mittelsbilanz. Finanzgewinn wird vom Zweck zum Mittel und dient dazu, den neuen Unternehmenszweck (Beitrag zum allgemeinen Wohl) zu erreichen. Bilanzielle Überschüsse dürfen verwendet werden für: reale Investitionen (mit sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rücklagen in einem begrenzten Ausmaß; begrenzte Ausschüttungen an die MitarbeiterInnen sowie für zinsfreie Kredite an Mitunternehmen. Nicht verwendet werden dürfen Überschüsse für: Investitionen auf den Finanzmärkten (diese soll es gar nicht mehr geben), feindliche Aufkäufe anderer Unternehmen, Ausschüttung an Personen, die nicht im Unternehmen mitarbeiten sowie Parteispenden. Im Gegenzug entfällt die Steuer auf Unternehmensgewinne.
  6. Da Gewinn nur noch Mittel, aber kein Ziel mehr ist, können Unternehmen die aus ihrer Sicht optimale Größe anstreben. Sie müssen nicht mehr Angst haben, gefressen zu werden und nicht mehr wachsen, um größer, stärker oder profitabler zu sein als andere. Alle Unternehmen sind vom allgemeinen Wachstums- und wechselseitigen Fresszwang erlöst.
  7. Durch die Möglichkeit, entspannt und angstfrei die optimale Größe einzunehmen, wird es viele kleine Unternehmen in allen Branchen geben. Da sie nicht mehr wachsen wollen, fällt ihnen die Kooperation und Solidarität mit anderen Unternehmen leichter. Sie können ihnen mit Wissen, Know-how, Aufträgen, Arbeitskräften oder zinsfreien Krediten helfen. Dafür werden sie mit einem guten Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnis belohnt – nicht auf Kosten anderer Unternehmen, sondern zu deren Nutzen. Die Unternehmen bilden zunehmend eine solidarische Lerngemeinschaft, die Wirtschaft wird zu einer Win-win-Anordnung.
  8. Die Einkommens- und Vermögensungleichheiten werden in demokratischer Diskussion und Entscheidung begrenzt: die Maximal-Einkommen auf zum Beispiel das Zehnfache des gesetzlichen Mindestlohns; Privatvermögen auf zum Beispiel zehn, zwanzig oder dreißig Millionen Euro; das Schenkungs- und Erbrecht auf zum Beispiel 500 000 Euro pro Person; bei Familienunternehmen auf zum Beispiel zehn Millionen Euro pro Kind. Das darüber hinaus gehende Erbvermögen wird über einen Generationenfonds als „Demokratische Mitgift“ oder „negative Erbschaftssteuer“ an alle Mitglieder der Folgegeneration verteilt: gleiches „Startkapital“ bedeutet höhere Chancengleichheit. Die genauen Grenzen sollen von einem Wirtschaftskonvent demokratisch ermittelt werden.
  9. Bei Großunternehmen gehen ab einer bestimmten Größe (zum Beispiel 250 Beschäftigte) Stimmrechte und Eigentum teil- und schrittweise an die Beschäftigten und die Allgemeinheit über. Die Öffentlichkeit könnte durch direkt gewählte „regionale Wirtschaftsparlamente“ vertreten werden. Die Regierung soll keinen Zugriff/kein Stimmrecht in öffentlichen Unternehmen haben.
  10. Das gilt auch für die Demokratischen Allmenden, die dritte Eigentumskategorie neben einer Mehrheit (kleiner) Privatunternehmen und gemischt-besessenen Großunternehmen. Demokratische Allmenden (eine Form von „Commons“) sind Gemeinwirtschaftsbetriebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial-, Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationsbereich: die „Daseinsvorsorge“.
  11. Eine wichtige Demokratische Allmende ist die Demokratische Bank. Sie dient wie alle Unternehmen dem Gemeinwohl und wird wie alle Demokratischen Allmenden vom demokratischen Souverän kontrolliert und nicht von der Regierung. Ihre Kernleistungen sind sichere Vollgeld-Konten, Zahlungsverkehr, ethische Sparanlagen und Kredite sowie die Beteiligung an regionalen Gemeinwohl-Börsen. Der Staat finanziert seine Schulden primär über zinsfreie Zentralbankkredite. Die Zentralbank erhält das Geldschöpfungsmonopol („souveränes Geld“) und wickelt den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr ab, um Steuerflucht zu unterbinden. Die Finanzmärkte in der heutigen Form wird es nicht mehr geben.
  12. Nach dem Vorschlag von John Maynard Keynes wird eine globale Währungskooperation errichtet mit einer globalen Verrechnungseinheit („Globo“, „Terra“) für den internationalen Wirtschaftsaustausch. Auf lokaler Ebene können Regiogelder die Nationalwährung ergänzen. Um sich vor unfairem Handel zu schützen, initiiert die EU eine Fair-Handelszone („Gemeinwohl-Zone“), in der gleiche Standards gelten oder die Zollhöhe sich an der Gemeinwohl-Bilanz des Hersteller-Unternehmens orientiert. Langfristziel ist eine globale Gemeinwohl-Zone als UN-Abkommen.
  13. Der Natur wird ein Eigenwert zuerkannt, weshalb sie nicht zu Privateigentum werden kann. Wer ein Stück Land für den Zweck des Wohnens, der Produktion oder der Land- und Forstwirtschaft benötigt, kann eine begrenzte Fläche kostenlos oder gegen eine Nutzungsgebühr nutzen. Die Überlassung ist an ökologische Auflagen und an die konkrete Nutzung geknüpft. Damit sind Landgrabbing, Großgrundbesitz und Immobilienspekulation zu Ende. Im Gegenzug entfällt die Grundvermögenssteuer.
  14. Wirtschaftswachstum ist kein Ziel mehr, hingegen die Reduktion des ökologischen Verbrauchs / Fußabdrucks von Personen, Unternehmen und Staaten auf ein global nachhaltiges Niveau. Zu den politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen gesellen sich ökologische Menschenrechte: Das jährliche Geschenk des Planeten Erde an Bioressourcen wird auf alle Menschen aufgeteilt und als ökologisches Nutzungsrecht verteilt jährlich auf das Öko-Konto aufgeladen. Diese Rechte sind gleichzeitig Schutzrechte des Planeten. Gleiche ökologische Rechte für alle – ein liberaler und nachhaltiger Ansatz.
  15. Die Regel-Erwerbsarbeitszeit wird schrittweise auf ein mehrheitlich gewünschte Maß von zum Beispiel 20 bis 30 Wochenstunden reduziert. Dadurch wird Zeit frei für drei andere zentrale Arbeitsbereiche: Fürsorgearbeit (Kinder, Kranke, SeniorInnen), Eigenarbeit (Persönlichkeitsentwicklung, Kunst, Garten, Muße) sowie politische und Gemeinwesenarbeit. Infolge dieser ausgewogeneren Zeiteinteilung würde der Lebensstil konsumärmer, suffizienter und nachhaltiger.
  16. Jedes zehnte Berufsjahr ist ein Freijahr und wird durch ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert. Menschen können im Freijahr tun, was sie wollen. Diese Maßnahme entlastet den Arbeitsmarkt um zehn Prozent – die langfristig durchschnittliche Arbeitslosigkeit in der EU.
  17. Die repräsentative Demokratie wird ergänzt um Elemente direkter und partizipativer Demokratie und  weiterentwickelt zu souveräner Demokratie (lat. superanus = „über allem stehend“). Der Souverän erhält „Souveränsrechte“ wie zum Beispiel: die Verfassung schreiben und ändern; eine konkrete Regierung wählen,  abwählen und korrigieren; selbst Gesetze initiieren und beschließen, Grundversorgungsbereiche – Geld, Energie, Wasser – selbst kontrollieren; internationale Verträge in Auftrag geben und abstimmen.
  18. Alle zwanzig Bausteine der Gemeinwohl-Ökonomie sollen in einem breiten Basisprozess durch intensive Diskussion ausreifen, bevor sie in einen direkt gewählten Wirtschaftskonvent eingespeist und mit anderen Alternativen diskutiert werden. Der Konvent bereitet die Alternativen für die finale Entscheidung auf. Die finalen Varianten werden vom demokratischen Souverän systemisch konsensiert. Die angenommenen Vorschläge gehen als Wirtschaftsteil in die Verfassung ein. Die Verfassung kann – jederzeit – vom Souverän geändert werden. Zur Vertiefung der Demokratie können weitere Konvente einberufen werden: Bildungs-, Medien-, Daseinsvorsorge-, Demokratiekonvent …
  19. Um die Werte der Gemeinwohl-Ökonomie von Kind an vertraut zu machen und zu praktizieren, muss auch das Bildungswesen gemeinwohlorientiert aufgebaut werden. Das verlangt eine andere Form von Schule mit anderen Inhalte, z. B. Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde, Naturerfahrenskunde, Körpersensibilisierung und Kunsthandwerk.
  20. Da in der Gemeinwohl-Ökonomie unternehmerischer Erfolg eine ganz andere Bedeutung haben wird als heute, werden auch  andere Führungsqualitäten gefragt sein: Nicht mehr die rücksichtslosesten, egoistischsten und „zahlenrationalsten“ Manager werden gesucht, sondern Menschen, die sozial verantwortlich und -kompetent handeln, mitfühlend und empathisch sind, Mitbestimmung als Chance und Gewinn sehen und nachhaltig langfristig denken. Sie werden die neuen Vorbilder sein.

Die Strategie:

Auf gesellschaftlicher Ebene ist die Bewegung für eine Gemeinwohl-Ökonomie eine Initiative der Bewusstseinsbildung für Systemwandel, die auf dem gemeinsamen, wertschätzenden Tun möglichst vieler Menschen beruht. Die Bewegung gibt Hoffnung und Mut und sucht die Vernetzung und Befruchtung mit anderen alternativen Initiativen.

Auf politischer Ebene will die Bewegung für eine Gemeinwohl-Ökonomie rechtliche Veränderung bewirken. Ziel des Engagements ist ein gutes Leben für alle Lebewesen und den Planeten, unterstützt durch ein Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaftssystem. Menschenwürde, globale Fairness und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung sind dabei wesentliche Elemente. Die nötigen Veränderung sollen „bottom-up“ durch Wirtschaftskonvente herbeigeführt werden.

Auf wirtschaftlicher Ebene ist die Gemeinwohl-Ökonomie eine lebbare, konkret umsetzbare Alternative für Unternehmen verschiedener Größen und Rechtsformen. Der Zweck des Wirtschaftens und die Bewertung von Unternehmenserfolg werden anhand Gemeinwohl-orientierter Werte definiert. In der Gemeinwohl-Bilanz werden den Kernwerten 17 Einzelindikatoren zugeordnet, um die Gemeinwohl-Orientierung von Unternehmen, Einzelpersonen und Gemeinden zu erfassen, zu bewerten und vergleichbar zu machen. Die Bilanz wird von Auditorinnen geprüft. Sie besteht aus einem ausführlichen „Gemeinwohl-Bericht“ und dem „Testat“, das die Ergebnisse des Berichts in Form der Gemeinwohl-Matrix auf einer Seite zusammenfasst.

Die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie sieht perspektivisch vor, dass Gemeinwohl-bilanzierte Organisationen und Unternehmen wirtschaftliche Vorteile bekommen sollen, u.a. durch:

  • Steuererleichterungen
  • bessere Kreditkonditionen, z.B. bei der eigens dazu gegründeten Bank für Gemeinwohl und anderen ethisch-ökologischen Banken
  • Weitergabe von Preisvorteilen im Verbund der Gemeinwohl-Unternehmen.

Die Gemeinwohl-Währung:

Innerhalb der Gemeinwohl-Bewegung gibt es Überlegungen, eine eigene Gemeinwohl-Währung zu etablieren. Am 5. April 2014 wurde die AG Gemeinwohl-Währung eingerichtet und offiziell durch die Delegiertenversammlung bestätigt.

Ansprechpartner ist Roland Wiedemeyer.

Zur Entstehungsgeschichte:

Die Gemeinwohl-Ökonomie geht zurück auf Joachim Sikora, der 2001 gemeinsam mit Günter Hoffmann „Visionen einer Gemeinwohl-Ökonomie“ entwirft, auf Basis von Regiogeld, Schwundgebühr, leistungsorientiertem Grundeinkommen und Bodenreform. 2008 legt Christian Felber mit seinem Buch „Neue Werte für die Wirtschaft“ die Grobskizze einer neuen Wirtschaftsordnung vor, die im Schlusskapitel des Buches publiziert wurde. Auf das Buch hin meldete sich rund ein Dutzend UnternehmerInnen, die sich von der Alternative angezogen fühlten und anboten, die Grobskizze zu verfeinern und sich gemeinsam für die Umsetzung einzusetzen. Fast zwei Jahre brütete die Gruppe über dem Modell, bis im Mai 2010 das erste Energiefeld gegründet wurde und im August 2010 die „Gemeinwohl-Ökonomie“ „zur Welt kam“. 2011 wurde die Vereinsgründung auf den Weg gebracht.

Mehr zur Gemeinwohl-Ökonomie auf ihrer Webseite:https://germany.econgood.org/