Tauschringe

Lokale Tauschringe (im englischsprachigen Raum als Local Exchange Trading Systems, LETS, bekannt) können als Professionalisierung und Weiterentwicklung der Nachbarschaftshilfe gesehen werden. Einerseits erlauben sie den Mitgliedern, sich auch ohne Geld gegenseitig Wünsche zu erfüllen. Andererseits spielen neben den materiellen Vorteilen auch ideelle und soziale Komponenten eine große Rolle. Der Zweck der zumeist ehrenamtlich oder von Vereinen betriebenen Tauschringe ist die Bildung sozialer Netzwerke auch über Generationen hinweg. Tauschringe können und sollen gemeinschaftsbildend wirken, die Wertschätzung der eigenen und fremden Leistungen steigern und Selbsthilfe und Selbstverantwortung ermöglichen. Auch eine gewisse Unabhängigkeit vom Arbeitsmarkt gehört häufig zur Philosophie. Tauschringe können die kulturelle und soziale Integration fördern, denn durch den Verzicht auf Euro-Liquidität bei den Transaktionen spielen Status und finanzielle Situation der Teilnehmer kaum eine Rolle.

Zahlreiche Tauschringe definieren Zeiteinheiten (Minuten oder Stunden) für die Verrechnung, womit sie zugleich die Wertigkeit menschlicher Arbeit in die Diskussion bringen. Hier ist die Grenze zur Zeitbank oder Pflegewährung fließend, siehe unten.

Steuerlich gelten Tauschring-Angebote als Nachbarschaftshilfe, solange sie nicht professionell (im Hauptberuf) angeboten werden und eine vom Gesetzgeber vorgegebene Einkommensgrenze nicht überschreiten. Die Verantwortung und Beweispflicht für die korrekte Versteuerung hat der Anbieter.

In einem nachbarschaftlichen Tauschring kann die Praxis zum Beispiel so aussehen:

Thomas benötigt Hilfe bei der Installation eines Betriebssystems auf seinem Laptop. Innerhalb der Tauschkreis-Plattform ist er auf Sabine aufmerksam geworden. Sie erledigt dies in zwei Stunden und Thomas lässt von seinem Verrechnungskonto die dafür veranschlagten Verrechnungseinheiten auf Sabines Konto gutschreiben. Der Saldo auf Thomas Konto verringert sich entsprechend. Thomas kann dies tun, weil er entweder einen ausreichenden Überziehungsrahmen hat oder zuvor z.B. Englisch-Nachhilfe für einen anderen Teilnehmer gegeben und dafür Guthaben erhalten hat. Sabine freut sich über die Gutschrift von Thomas, denn ein anderer Teilnehmer ist bereit, das bei ihr unbeliebte Fensterputzen für sie zu übernehmen.

Der gebürtige Schotte Michael Linton wird von einigen als „Erfinder“ der nichtkommerziellen Tauschringe angesehen. Er hatte 1982 in Courtney, im kanadischen Comox Valley auf Vancouver Island, den ersten Tauschring konzipiert, der als LETS bekannt geworden ist und vielen späteren Initiatoren, vor allem in den englischsprachigen Ländern, als Blaupause diente.

Anders als in anderen Ländern hat sich die Tauschringszene in Deutschland lange Zeit klar von der Regiogeld-Bewegung abgegrenzt, weil Tauschringe nach eigener Auffassung eine „nicht geldvermittelte Wirtschaftsweise“ praktizieren würden, so der ehemalige Hauptorganisator des Bundestreffens der Tauschringbewegung, Klaus Gräff.

Tauschringe sind meist ehrenamtlich in Vereinen oder genossenschaftlich organisiert. Tauschringe können wie Lokal- und Regionalwährungen nachbarschaftlich oder regional organisiert sein, häufig sind sie darüber hinaus auch überregional vernetzt, damit Mitglieder auch auf Angebote an anderen Orten zugreifen können (z.B. private Übernachtungen). Manche Tauschringe sind an Regionalwährungen angeschlossen, wie der Talente-Tauschkreis Vorarlberg (www.talentiert.at). Andere haben Schnittstellen zu kommerziellen Barter-Clubs und schaffen so noch mehr Flexibilität und Möglichkeiten. So arbeitet die österreichische GIT Trading mit dem Tauschkreis Graz zusammen und verbindet so den Unternehmerhandel mit dem Privattausch. Auch mit dem Verkauf der Verrechnungseinheiten gegen Euro wird vereinzelt experimentiert.

Zeitbanken

Die Popularität von Zeitbanken in den USA geht auf Dr. Edgar Cahn zurück, der mit Hilfe von Zeitbanken die Qualität und Effektivität von sozialen Dienstleistungen verbessern möchte. Er ist auch Gründer der 1995 etablierten TimeBanks USA, eine Dachorganisation, die Zeitbank-Initiativen auf vielfältige Weise unterstützt und weiterentwickelt. Auch hier ist die „Währung“ Zeit, welche für soziales Engagement verdient werden kann. Später kann man diese im Tausch für Dienstleistungen einlösen. Cahn sah eine Notwendigkeit darin Zeitbanken zu fördern, um dem Abbau von Sozialleistungen durch den Staat entgegenzuwirken. Von Bedeutung ist der Begriff Koproduktion, der Menschen nicht bloß zu passiven Empfänger von sozialen Dienstleistungen macht, sondern sie als Teil davon versteht. Diese Teilnehmer können die sozialen Dienstleistungen mitgestalten. TimeBanks USA, welches ein Netzwerk von mehr als 200 Zeitbanken in den USA betreut, definiert folgende 5 Kernprinzipien für ihr Zeitbankensystem:

  • Bereicherung: Jeder Mensch ist ein Gewinn und wir alle haben die Fähigkeit etwas Wertvolles beizutragen.
  • Neubewertung von Arbeit: Der Preis für viele Tätigkeiten liegt jenseits marktwirtschaftlicher Prinzipien.
  • Reziprozität: Geben und auch der Wille eine Gegenleistung für angenommene Hilfe zu erbringen liegt in der menschlichen Natur.
  • Respekt: Jeder hat es verdient, gehört zu werden, denn jeder zählt. Wir sind füreinander verantwortlich.
  • Gemeinschaft: Wir bilden ein soziales Netzwerk, denn wir brauchen einander. Gemeinsam können wir mehr erreichen, als alleine.

Während sich in den USA Zeitbanken dank Dr. E. Cahn in den 80er Jahren durchsetzten, wurden Zeitbanken in Großbritannien in den 90er Jahren populär. Unterstützt wurde dies unter anderem von David Boyle und der New Economic Foundation (NEF), einem Think-Tank der sich für eine sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Wirtschaft einsetzt. Timebanking UK spricht derzeit von ca. 300 Zeitbanken, die sie betreut. Die NEF ist Partner der Spice Zeitbank, welche das System Zeitbank weiterentwickelt hat, indem es staatliche Organisationen mit einbezieht. Erweitert wurde die Spice Zeitbank mit Hilfe der „Community Currencies in Action“ ein mehrjähriges, von der EU mitfinanziertes Projekt zur Etablierung und Erweiterung von alternativen Geldsystemen. Bei Spice verdienen Teilnehmer „time credits“ durch verschiedene gemeinnützige Tätigkeiten. Diese können bei Spice-Netzwerk Partnern ausgegeben werden. Im Gegensatz zu konventionellen Zeitbanken steht bei Spice eine gemeinnützige Organisation oder staatliche Einrichtung als Empfänger der Dienstleistung gegenüber. Die verdienten Zeiteinheiten werden zum Beispiel für den Besuch diverser Wellness-Einrichtungen, Museen, kulturellen Einrichtungen uvm. ausgegeben. Die „Gegenleistung“, die Freiwillige beim Verbrauch ihrer Zeiteinheiten erhalten, erscheinen den Betreibern günstig, da es sich häufig um nicht verkaufte oder freie Kapazitäten handelt.

Ein besonderes Anwendungsfeld für Zeitbanken sind Pflegewährungen wie z.B. das Japanische Fureai Kippu System und die Zeitvorsorge Stiftung der Stadt St. Gallen, Schweiz.

Steuerliche Behandlung

Zeitbanken sind in den USA von der Steuer befreit. Finanzämter grenzen Zeitbanken von kommerziellen Barter-Systemen ab, welche besteuert werden. Man erkennt die gemeinnützigen Absichten und besteuert diese Systeme daher nicht, was angesichts schwacher Sozialsysteme in den USA nicht verwunderlich ist. Auch in Großbritannien werden Zeitbanken und Tauschringe auf privater Ebene als gemeinnützig angesehen. In Deutschland hingegen gelten die üblichen steuerrechtlichen und gewerberechtlichen Bestimmungen. Tauschringe und Zeitbanken sind trotz ihrer gemeinnützigen Ziele nicht von der Steuer befreit. Den Teilnehmern wird pauschal die Erzielung von geldwertenVorteilen unterstellt.

Abgrenzung von Tauschringen und Zeitbanken

Viele nachbarschaftlich organisierte Zeitbanken sind von Tauschringen kaum zu unterscheiden. Zeitbanken hingegen haben häufig die Absicht, auch die Möglichkeit des Sparens z.B. zur Altersvorsoge einzubeziehen. Außerdem stellen Zeitbanken häufig soziale Aspekte deutlicher in den Vordergrund, weshalb auch die Einbindung von öffentlichen und sozialen Einrichtungen wie z.B. bei „Spice“ Sinn macht. Viele Studien haben gezeigt, dass Zeitbanken sozial förderliche Effekte aufweisen: Menschen lernen ihre Fähigkeiten einzuschätzen, denn Zeitbanken bieten Möglichkeiten Stärken zu finden und als Gegenleistung für Hilfe anzubieten. Auch die Stärkung von Gemeinschaften, Erweiterung sozialer Kontakte, Aufbau von Netzwerken und der Respekt füreinander sind Werte, die man in Geld nicht messen kann. Genau diese Werte sollen durch Zeitbanken gestärkt werden. Im Zusammenhang mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft können Zeitbanken ein Instrument sein, zivilgesellschaftliches Engagement zu Stärken und zu Fördern. Gerade darin wird häufig großes Potential gesehen – solange es nicht um bloße Kostenreduktion bisheriger Systeme, sondern um positive Impulse für neue Wege geht, die sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig sind. wo es jedoch weniger um die unmittelbare Verrechnung geht, sondern vielmehr um ein Ansparen von Sozial- und Pflegestunden für den späteren eigenen Betreuungsbedarf.

Software

Viele Organisationen setzen Online-Software zur Mitgliederverwaltung und Abwicklung der Verrechnungsgeschäfte ein, wie zum Beispiel die von der niederländischen Entwicklungshilfe-Organisation STRO entwickelte, open source Software Cyclos oder die in 34 Ländern verbreitete Tauschplattform CES von Ashoka Fellow Timothy Jenkins (Südafrika). Manche Tauschringe nutzen Software-Eigenentwicklungen, wie beispielsweise das Tauschnetz Elbtal.

Weiterführende Links:

LETSystem Design Manual: http://www.tauschwiki.de/wiki/LETSystem_Design_Manual
LETSLink UK: http://www.letslinkuk.net

Time Banks USA: http://timebanks.org
Time Banking UK: http://www.timebanking.org

SPICE Innovations Ltd, UK: http://www.justaddspice.org

Zeitvorsorge Stiftung der Stadt St. Gallen, Schweiz: http://www.zeitvorsorge.ch

Fureai Kippu: MONNETA Artikel: Pflegewährungen in Japan

Hayashi, M. (2012) ‘Japan’s Fureai Kippu Time-banking in Elderly Care: Origins, Development, Challenges and Impact’ International Journal of Community Currency Research 16 (A) 30-44

Euro, Dollar, Pfund und Yen stehen in der Kritik: Die Währungen haben den Bezug zur Realwirtschaft verloren und nehmen keinerlei Rücksicht auf die Endlichkeit von Ressourcen und regionale Besonderheiten. Über die Kreditgeldschöpfung sind Wachstumsnotwendigkeiten und die Maximierung von Renditen vorprogrammiert. Energiewährungskonzepte versuchen dem gezielt etwas entgegen zu setzen: Wertmedien, die der Struktur erneuerbarer Energien entsprechenden, die zum Beispiel langfristig wert- und kaufkraftstabil sind, die dezentral emittiert werden und eine nachhaltige (Regional-)Entwicklung oder Investitionen in die Erneuerbaren aktiv befördern.

Die Idee einer mit Energien gedeckten Währung ist nicht neu. So waren die ersten Gelder in der Antike „solare Biomasse-Währungen“. Schekel-Münzen im alten Babylon dienten beispielsweise als „Quittung“ und Einlöseberechtigung für die in Kornspeichern eingelagerten Getreidereserven. Auch während der Währungskrisen im 20. Jahrhundert waren vereinzelt Währungen mit Bezug zu Energie in der Diskussion, bis heute jedoch noch nirgends in Form eines (gesetzlichen) Zahlungsmittels realisiert.

Angesichts zunehmender Ressourcenkonflikte, moderner energietechnischer Innovationen und wachsender Bekanntheit von Komplementärwährungen werden Energiegelder wieder vermehrt diskutiert. Jüngere Konzepte für Energiewährungen bedienen sich häufig aus bereits vorhandenen Puzzelteilen wie Crowdfunding und Bürgerbeteiligungsgesellschaften, Energiezertifikaten, Smart Metering mit intelligenten Stromzählern, digitalen Konten- und Zahlungssystemen und Blockchain-Technologie.

Ein aktuelles Beispiel für eine Währung, die über CO2-Effekte mit Energie zusammenhängt, ist der „Klimabonus„, entwickelt von unserem Netzwerkexperten Christian Gelleri und gefördert durch die Nationale Klimaschutz Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Belohnungssystem fördert CO2-Einsparungen.

 

Weiterführende Literatur:

Tony Greenham, Josh Ryan-Collins, Ludwig Schuster: Energising Money Report. New Economics Foundation, 2013 http://www.neweconomics.org/publications/entry/energising-money

Im Juni 2014 hat die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals einen Zinssatz unter 0% gesenkt. Diese „negativen Zinsen“ erhebt sie auf Übernacht-Einlagen der Geschäftsbanken – und sie ist damit nicht die erste und einzige Bank. Die Zentralbanker wollen damit erreichen, dass die Geschäftsbanken Kredite an die Realwirtschaft vergeben, anstatt überschüssiges Geld bei der Zentralbank zu lagern. In der Folge sanken auch die Zinssätze, die die Banken untereinander erheben, unter die Nulllinie und einzelne Banken führten Geldhaltegebühren auf Tagesgeldkonten von Großkunden ein.2

2 http://www.heise.de/tp/artikel/43/43378/1.html

Bonussysteme für nachhaltiges Verhalten

NuSpaarpas war ein von 2000 bis 2002 laufendes Projekt, bei dem für Umweltaktivitäten Bonuspunkte gesammelt wurden: Mülltrennen, Einkaufen bei 100 lokalen Geschäften oder beim Kauf umweltfreundlicher oder fair gehandelter Waren. Das Projekt war eine Kooperation zwischen Stadtverwaltung Rotterdam, Rabobank und Qoin (das damals noch Barataria hieß).

Das Projekt Umweltkarte ist ein Belohnungsystem, das Bürger dafür belohnen soll, dass sie etwas Richtiges tun wie  mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, zu einem Ökostromtarif wechseln, in erneuerbare Energien investieren, regionale ökologische Lebensmittel kaufen, Müll sortieren, Handys zum Recycling geben, energiesparende Geräte kaufen etc.  Die gesammelten Umweltbonuspunkte können wiederum nur für umweltfreundliche Produkte und Leistungen ausgegeben werden, wie z. B. Carsharing, Energieberatungen oder LED-Leuchtmittel. Das Projekt hat 2012 den Bürgerideenwettbewerb in Hamburg gewonnen ( Zukunftscamp Hamburg 2030 ). Etwas Ähnliches funktioniert schon in Belgien: In der Provinz Limburg gibt es das Belohnungssystem „E-Portmonnee“.

Investitionsgutscheine/Innovationsgutscheine

Mit Investitions- oder Innovationsgutscheinen lenken und fördern meist staatliche Institutionen die Investitionen von Unternehmen. Unternehmen stellen Anträge auf solche Gutscheine, die je nach politischer Zielstellung den Kauf von Forschungsdienstleistungen oder Investitionsgütern erlauben. Somit lenkt der Gutschein die Investitionen der Unternehmen dorthin, wo staatliche Stellen die Entwicklung fördern wollen.

Carbon Currencies – Kohlenstoffwährungen – Emissionshandel

„Kohlenstoffwährungen“ könnten als eine Art Anreiz- und Limitierungshilfe dienen. Bereits heute existiert in Europa der Emissionshandel mit Emissionszertifikaten. Jedes Zertifikat steht dabei für das Recht, eine bestimmte Menge Kohlendioxid freizusetzen, die z.B. auch pro Kopf festgelegt werden könnten. Um Produkte und Dienstleistungen zu kaufen, könnte eine bestimmte Menge „Kohlenstoffguthaben“ notwendig sein, wodurch die Nutzung fossiler Energieträger teurer wird und Anreiz entsteht, auf kohlenstoffarme Produktionsweisen umzuschwenken. Die bewusste Limitierung der vorhandenen Kohlenstoff-Währungseinheiten bildet die begrenzte Aufnahmekapazität der Atmosphäre ab und integriert sie in das wirtschaftliche Handeln. Die europäischen Erfahrungen könnten dabei Ausgangspunkt für ein globales Kohlenstoffwährungssystem sein.

siehe: wikipedia: EU-Emissionshandel

siehe auch: Energiewährungen

Bildungswährungen

Bildungswährungen bauen auf der Idee auf, dass jeder am meisten lernt, wenn er anderen etwas beibringt. Mit Hilfe einer Bildungswährung könnten jüngere Schüler die Nachhilfe älterer Schüler „einkaufen“. Ältere Schüler könnten dafür die Ausbildung an einer Universität kaufen, womit die Bildungswährung wieder beim Herausgeber angekommen wäre: Beim Bildungsministerium. Eine ausgefeilte, aber noch nicht umgesetzte Projektidee ist der Saber für Brasilien.

Reputationswährungen

Betrachtet man Währungen nicht nur als „Geldeinheiten, die den Besitzer wechseln können“, sondern fasst die Definition weiter als „Symbolsysteme“, sind auch andere Währungen denkbar. So spricht man in der Wissenschaft oft von Zitierungen als „Währung der Wissenschaft“. Hier gilt: Wissenschaftliche Arbeiten, die oft zitiert werden, werden als wertvoll empfunden und ihr Autor erlangt Reputation, also: Anerkennung. Zitate in wissenschaftlichen Arbeiten lassen sich nicht „austauschen“, wie man Geldeinheiten austauscht, aber sie zeigen an, wie wichtig eine wissenschaftliche Arbeit für den Wissenschaftsbereich ist.

Ende der 1990er definierte Georg Franck eine weitere Währung in diesem Sinne: Die Währung der Aufmerksamkeit und mit ihr verbunden: Die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Gezahlt wird mit „persönlicher Zeit“ schreibt er (in Telepolis 20.03.1996) und meint damit die Aufmerksamkeit, die beispielsweise eine Zeitung von ihren Lesern erhalten kann.

Währungen in diesem weiteren Sinne erweitern auch unser Verständnis für Ökonomie. Der Wert von etwas kann sehr viel höher sein als sein reiner Marktwert, also die Summe an Geld, die man für den Produktverkauf bekommt. Die Arthur-Brock-Prezi „Transitioning to the New Economy“ erinnert beispielsweise daran, dass Honig nicht nur den Preis wert ist, den man bei seinem Verkauf bekommt. Honig ist das kleinere Endprodukt der Bestäubungsleistung der Bienen – und ohne sie gäbe es kein Obst und kaum Gemüse, weil das Nektarsammeln zu viel größeren Ergebnissen führt, die sich monetär nicht wirklich beurteilen lassen.

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Die Idee ein Geldsystem anders als mit positiven Zinsen zu konstruieren, geht zurück auf den deutsch-argentinischen Kaufmann Silvio Gesell und den französischen Ökonomen Maurice Allais. Gesell beobachtete das Auf und Ab der Wirtschaft, in der er seine Geschäfte machte und entwickelte die Idee, dass ein schwankender Geldumlauf auch die wirtschaftlichen Aktivitäten schwanken läßt. Läuft das Geld schnell um, setzt ein Boom oder Inflation ein, verlangsamt es seine Umlaufgeschwindigkeit werden weniger Umsätze und Investitionen getätigt. Wirtschaftskrisen und Deflation sind die Folge. Eine zentrale Ursache sah Gesell darin, dass man Geld dem Wirtschaftskreislauf entziehen kann: Physisch, indem es unters sprichwörtliche Kopfkissen wandert; oder modern, indem es sich an spekulativen Märkten bewegt, die mit der Realwirtschaft wenig zu tun haben. In beiden Fällen steht es nicht unmittelbar zum Kauf der produzierten Waren zur Verfügung, die in der Zeit veralten, verrosten oder verrotten – sprich: an Wert verlieren, während das Geld seinen Wert zunächst behält.

Anstatt Geldbesitzer durch hohe Zinsen für ihren „Konsumverzicht“ zu belohnen, schlug er vor, ihnen umgekehrt für das Zurückhalten von Geld Gebühren aufzuerlegen. Der Begriff der „Demurrage“ ist heute noch in der Schifffahrt gebräuchlich: Wenn beim Beladen oder Löschen eines Frachtschiffes die vereinbarte Dauer überschritten wird, wird das „Demurrage“ genannte „Liegegeld“ fällig. Dasselbe Prinzip wollte Gesell auch auf Bargeld anwenden. Um die „Durchhaltekosten der Bargeldhaltung“ zu vermeiden, würde der Geldbesitzer seine flüssigen Mittel durchaus auch zu einem Zinssatz von 0% bereitstellen – so die Überlegung. Da dieses Geld dann überwiegend zinsfrei verliehen würde, nannte er sein Geld-Konzept „Freigeld“.

Während der Gesell’sche Reformansatz innerhalb der Wirtschaftswissenschaften weitgehend unbekannt und höchst umstritten ist, erfährt er inzwischen durch die Praxis vermehrt Anerkennung. In mehreren Ländern haben Zentral- und Geschäftsbanken das Instrument in ihren Werzeugkoffer übernommen und begonnen, auf Sichteinlagen Negativzinsen oder „Guthabengebühren“ zu erheben. Sie versprechen sich davon, deflationäre Wirtschaftskrisen abzuwenden ohne durch Geldmengenausweitung Inflationsrisiken zu schüren.

Praktische Anwendung fand das Freigeld-Konzept bis dahin vor allem in lokalen Notgeldern und Zweitwährungen. So emittierte der Bürgermeister der Tiroler Kleinstadt Wörgl während der Weltwirtschaftskrise 1932 sogenannte „Arbeitswertscheine“, auf die ein monatliches Liegegeld zu zahlen war und führte seine Gemeinde bis zum Verbot durch die Notenbank aus der ärgsten Krise. In den USA wurden in den 30er Jahren unzählige Notgelder emittiert, mit teils exorbitant hohen Umlaufgebühren. Viele Regiogelder, allen voran der bekannte „Chiemgauer“, tragen ebenfalls eine Geldhaltegebühr und wollen so den Geldumlauf vor Ort beschleunigen und die regionale Wirtschaft ankurbeln. Doch auch in kommerziellen Bereichen wird von diesem Ansatz Gebrauch gemacht: Beim Online-Telefoniedienst skype (TM) schwindet das einmal gekaufte Guthaben, wenn es nicht regelmäßig benutzt wird.

In der Münzgeschichte findet sich ein ähnliches Modell: Die „Brakteaten“ waren ein dünnes Blechmünzgeld, welches in einigen Regionen gültig war und regelmäßig verrufen wurde. Beim Zwangsumtausch der alten in neue Münzen wurde ein Abschlag einbehalten, der als Steuer gedacht war, zugleich aber zu einem anderen Umgang mit dem Geld führte. Statt die Münzen zu horten, die an einem unbestimmten Tag wertlos werden sollten, gaben die Menschen das Geld lieber heute als morgen wieder aus oder investierten es langfristig und verstetigten so den Geldumlauf. Auch dieses Prinzip findet sich bis heute, z.B. bei Gutscheinen oder Guthabenkarten und -Konten von Unternehmen mit zeitlich begrenzter Gültigkeit. Das Prämienprogramm der Lufthansa wurde so konzipiert, dass Flugmeilen normallerweise nach 36 Monaten verfallen – unter anderem um zu verhindern, dass die Lufthansa wegen ihres Prämienprogramms in Konkurs geht, was bei dem erfolgreichen Kundenbindungsprogramm passieren würde, wenn z.B. plötzlich alle Kunden ihre gesparten Flugmeilen einlösen würden.

 

Irving Fisher veröffentlichte vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1935 einen Vorschlag zum 100%-Geld, das heißt zu einer hundertprozentigen Deckung der Bankguthaben durch Zentralbankgeld (Fisher 1935; zur Entstehung des Vorschlags und Fishers politisches Vorgehen vgl. Allen 1993). Dieses Vorhaben ist auch als Chicago-Plan bekannt, da es von mehreren Chicagoer Ökonomen vertreten wurde. Banken müssen gemäß dem Plan dauerhaft Barreserven in Höhe von 100 Prozent für die Sichtguthaben ihrer Kunden halten. Aus diesem Grunde wird der Ansatz auch Full Reserve Banking genannt. Geldschöpfung sollte demzufolge nicht mehr durch Kreditvergabe der Privatbanken erfolgen, womit den Geschäftsbanken die Möglichkeit zur Geldschöpfung entzogen wird. Das Privatbankengeschäft würde sich entsprechend auf die Funktion als Geldvermittler konzentrieren. Banken könnten Kredite nur in Höhe der ihnen zur Verfügung gestellten Sparguthaben sowie des Zentralbankgeldes, das sie vorab von der Zentralbank erhalten, vergeben (Allen 1993: 705).

Ausgangspunkt dieses Konzepts ist die Feststellung, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr bei Zahlungen überwiegt. Zum größten Teil, zu Fishers Zeiten von ihm bereits auf 90 Prozent geschätzt, bestehen Zahlungsmittel nicht aus Zentralbankgeld, sondern aus „Scheckbuchgeld“ (Buchgeld, über das jederzeit verfügt werden kann = Giralgeld). Der Staat hat keinen umfassenden Einfluss auf die Schöpfung des Buchgeldes, denn Geschäftsbanken können im Rahmen ihrer Kreditgewährung einen Anspruch auf Zentralbankgeld einräumen, welcher wiederum selbst zu Geld wird. Geschäftsbanken sind so zur multiplen Geldschöpfung auf Basis geringer Reservevorschriften fähig. Das Buchgeld ist zum vorrangigen Zahlungsmittel geworden, obwohl es nicht durch entsprechende Mengen an Bargeld bzw. Zentralbankgeld gedeckt ist.

In der schnellen Vernichtung von Giralgeld (Buchgeld) sah Fisher die Hauptursache der Weltwirtschaftskrise. Der Zusammenbruch der Geldversorgung, der zwischen 1929 und 1933 auftrat, hätte Fisher zufolge mit einem Full-Reserve-Banking-System verhindert werden können (Bordo/Rockoff 2011: 40). Fisher nennt verschiedene Vorteile des 100%-Plans (vgl. Benes/Kumhof 2012: 5f.). So würden plötzliche Anstiege oder Zusammenbrüche des Kreditangebots von Banken verringert. Dadurch würde auch die Gefahr einer Inflation oder Deflation sinken und das System insgesamt stabilisiert. Der zweite Vorteil liege in der Verhinderung von Bankenstürmen und der Verringerung von Bankenpleiten. Insgesamt führe es zur Abschwächung von Boomphasen und Depressionen und zu einer stärkeren realwirtschaftlichen Rückbindung des Geldes. Als dritten Vorteil sieht er die außerordentliche Reduzierung öffentlicher Schulden, da Geld nicht mehr durch öffentliche Kreditaufnahme geschöpft würde. Somit könnte der Staat Geld direkt emittieren, anstatt zu verzinsende Kredite bei Banken aufnehmen zu müssen. Da Geld grundsätzlich nicht mehr über Kreditschöpfung entstehen würde, könnte darüber hinaus auch die private Verschuldung zurückgeführt werden.

In ihrer Modellierung kommen die beiden IWF-Analytiker Benes und Kumhof jüngst zu dem Schluss, dass der Chicago-Plan in der Tat die von Fisher genannten Vorzüge aufweise (Benes/Kumhof 2012). Zu den Befürwortern von Full Reserve Banking gehört auch Milton Friedman mit seinem Programm für monetäre Stabilität (Milton Friedman 1961: insbesondere 65–75). Eine vollständige Reservedeckung verhindere jeden Bankensturm, da 100 Prozent der Einlagen gedeckt sind und somit an die Kunden mit Sparguthaben in bar ausgegeben werden können. In jüngster Zeit liefert Binswanger konkrete Überlegungen zu einer Umsetzung des 100%-Geldes (Binswanger 2012). So könnte den Geschäftsbanken im Rahmen einer Übergangsfrist bei der Rückzahlung von Krediten Zentralbankgeld in Höhe der vorherigen Kreditsumme zur Verfügung gestellt werden, sodass sie dann neue, nun voll gedeckte Kredite vergeben können.

Zu den Zielen des Full Reserve Banking gehören neben einer Stabilisierung der Geldmenge und somit einer Glättung von Konjunkturzyklen auch die Verringerung von Staatsschuld durch Gewinne durch die Herausgabe von Geld und langfristig die Reduzierung privater Verschuldung. Befürworter des Konzepts sehen im Vergleich zum jetzigen System eine verbesserte Erfüllung dieser Funktionen, da Kreditgeldmengenschwankungen, Inflation und Deflation reduziert werden können. Kritiker des Ansatzes vermuten, dass die strikte Regulierung der Buchgeldschöpfung dazu führen könnte, dass andere Finanzprodukte oder Assets Geldfunktionen übernehmen würden. Es würden somit Ausweichmöglichkeiten gesucht und die staatliche Steuerungsfähigkeiten weiterhin untergraben (vgl. Allen 1993: 716).

(frei zitiert aus: Philipp Degens (2013): Alternative Geldkonzepte, MPIfG Discussion Paper 1/13, mit freundlicher Genehmigung des Autors – Literaturhinweise bitte bei Degens nachsehen.)

Vollgeld ähnelt dem 100%-Geld, indem Geld und Kredit voneinander gelöst werden und die Geldschöpfungskompetenzen ausschließlich bei der Zentralbank liegen. Ausgehend von der Annahme, dass „die Geldordnung unmissverständlich ein Teil der öffentlichen Rechtsordnung ist“ und nicht einfach „privatrechtlich ausgeübten Geschäftsinteressen“ folge (Huber 1998: 14), soll private Geldschöpfung verhindert werden. (…)

Ein Unterschied liegt darin, dass Vollgeld ohne Reservepflichten auskommt, da Vollgeld selbst Zentralbankgeld darstellt und nicht als mit 100 Prozent Reserve gedecktes Geschäftsbankengeld entsteht. Im 100%-Geld-System stellen Kundenkonten bei der Bank damit weiterhin Ansprüche auf Zentralbankgeld dar, während sie im Vollgeldsystem selbst vollwertiges Geld sind. Für Huber entspricht der Vollgeld-Ansatz deshalb einer Wiederherstellung des „staatlichen Geldregals“. Buchgeld wird dem Bargeld gleichgesetzt:

Vollgeld bedeutet vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel, das als allgemeines reguläres Zahlungsmittel zu benutzen und zu akzeptieren ist. Vollgeld wird von der unabhängigen staatlichen Zentralbank oder einem vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Organ herausgegeben. (Huber 2012: 39)

Im Wesentlichen argumentieren Befürworter des Vollgeldes, dass die durch das System staatlicher Zentralbanken eingeführte Kontrolle der Geldsteuerung durch die technischen Entwicklungen der Buchgeldschöpfung nicht mehr funktionsfähig sei. Dies erfordere eine Anpassung an heutige Gegebenheiten. „Um die Geldschöpfung wirksam steuern zu können, muss die Zentralbank daher von Anfang an die Geldschöpfung kontrollieren können“ (Binswanger 2012: 24). Insbesondere müsse eben eine Form unbaren Geldes, nämlich die Sichtguthaben bei Banken, dem Bargeld gleichgestellt werden. Ziel ist es, „[d]em Giralgeld der Geschäftsbanken ein Ende [zu] setzen zugunsten von Zentralbankgeld, sinngemäß analog den Reformen des 19. Jahrhunderts, als private Banknoten durch Zentralbanknoten ersetzt wurden“ (Huber 2012: 37).

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Vorbild für ein nachhaltiges Geldsystem jenseits eines Wachstumszwangs?

Mit dem Ziel, eine zinslose Wirtschaft zu ermöglichen, bietet die JAK-Bank in Schweden seit 1965 Bankdienstleistungen auf der Grundlage eines zinslosen Spar- und Darlehenssystems an. Die über 38.000 Mitglieder der Genossenschaftsbank sparen auf zinslosen Sparkonten und können sich Geld aus dem Gemeinschaftstopf deshalb zu Verwaltungskosten leihen. Das Prinzip ist einfach: Wer als Sparer auf Zinsnahme verzichtet, der spart sich als Kreditnehmer ebenfalls die Zinsen. Nach diesem Prinzip sind Sparen und Leihen im JAK-System gemeinschaftlich verbunden, was die JAK-Bank zudem über einen aktiven Dialog unter den Mitgliedern fördert.

Der exponentielle Mechanismus des Zinseszinseffekts, der von vielen Geldkritikern als eine der maßgeblichen systemischen Ursachen von Umverteilung und Wachstumszwängen gesehen wird, wird von der JAK Bank auf einzigartige Weise umgangen. Ihr Geheimrezept: An die Stelle der Zinsen tritt das Prinzip ergänzender „Savings-Points“, ein von der JAK Bank ausgeklügeltes und inzwischen mehrfach weiterentwickeltes Verfahren der Liquiditäts- und Fristenplanung.

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Das Spar- und Leihmodell der JAK-Mitgliedsbank: Ansparen, Leihen, Amortisieren, Nachsparen – alles ohne Zinsen.

In den 1930er Jahren, inmitten der „Großen Depression“ wurden in Dänemark die ersten konkreten Schritte in Richtung des JAK Bank Modells unternommen, 1970 hat sich die JAK Bank schließlich auch in Schweden erfolgreich etabliert und besteht dort bis heute. Inzwischen gibt es Nachahmer in Finnland, Italien und Spanien. Auch in Deutschland, wo sich die Wurzeln dieser Idee bis auf das in der Weimarer Republik entwickelte Modell der „Ausgleichskassen“ zurück verfolgen lassen, gibt es mit der OZB Stuttgart und der neu gegründeten ZLS Freiburg immerhin zwei Initiativen. Dennoch ist das JAK Bank Modell hierzulande kaum bekannt.

Da das Zinsnehmen (und Zinsgeben) im Islam verboten ist, wird das JAK-Modell in Schweden offenbar gern von gläubigen Muslimen genutzt, die im zinslosen JAK-Banking eine glaubenskompatible Möglichkeit sehen, sich am modernen Geldwesen zu beteiligen.

 

Weiterführende Informationen:

JAK Bank-ähnliche Modelle in Deutschland:

Ähnliche Modelle in anderen Ländern:

 

Modern Money Theory (Moderne Geldtheorie) nimmt für sich in Anspruch, die erste empirisch gestützte Darstellung der Funktionsweise des modernen Fiat-Geldsystems zu liefern. Unbare Kredite der Geschäftsbanken sind ihr zufolge Zahlungsversprechen, die als solche naturgemäß keiner Geldvorratsbeschränkung unterliegen. Staatsausgaben werden immer durch Geldschöpfung der Zentralbank getätigt , während Steuerverbindlichkeiten die Akzeptanz der Währung erzeugen. Steuerzahlungen entfernen staatliches Geld aus dem Kreislauf.

Die von MMT vertretene Auffassung zur Funktionsweise des Kreditmechanismus ist inzwischen durch Veröffentlichungen der Bank of England und der Deutschen Bundesbank bestätigt. Damit erweist sich die herkömmliche Geldvorratstheorie, wonach Geschäftsbanken zur Kreditvergabe auf Sparguthaben oder Zentralbankguthaben angewiesen sind, wleche sie im Zuge der Kreditvergabe „verleihen“, als überholt.

Anders als Geschäftsbanken ist die Zentralbank zur Erfüllung ihrer Zahlungsversprechen grundsätzlich immer in der Lage, da sie als Monopolistin der Währung diese unabhängig von der Frage des Eigenkapitals schöpft und sich ihr Zahlungsversprechen auf das durch sie selbst nach Bedarf herzustellende Zentralbankgeld bezieht. Zentralbankgeld, welches auch als Reserven bezeichnet wird, kann von Banken in Bargeld getauscht werden und umgekehrt.

Als Eigentümer der Zentralbank ist der Staat über seine Ausgaben für die dauerhafte Geld- und Kaufkraftversorgung des Privatsektors zuständig. Staatsausgaben erzeugen Reserven und – via Bankensystem – Giralgeld. Steuerzahlungen sind daher MMT zufolge logischerweise nichts anderes als Rückflüsse des vorher ausgegebenen staatlichen Gelds an den Staat. Dabei wird auch Giralgeld in gleicher Höhe vernichtet. Da modernes Geld eine Steuergutschrift ist, ist Geld im Besitz des Staates kein Geld mehr. Ähnlich wie ein Schuldschein im Besitz des Ausstellers ist eine Steuergutschrift im Besitz des Staates keine Steuergutschrift und verliert damit ihren „geldlichen” Charakter. Dies erfolgt analog zur Eintrittskarte für das Kino, die zum Besitzer des Kinos zurückkehrt. Sie stellt für diesen kein Vermögen da und ist komplett wertlos. Für die Ausgabe weiterer Eintrittskarten ist die Anzahl der eingesammelten Eintrittskarten nicht von Bedeutung.

Da die Benutzung von Geld entgegen der herrschenden Volkswirtschaftslehre das zentrale Merkmal moderner Wirtschaftssysteme bildet, sind staatliche Defizite für die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung unerlässlich. Anderenfalls würde mit den Steuerzahlungen mehr Geld an den Staat zurückfließen als er ausgegeben hätte – ein staatlicher Überschuss bedeutet ein privates Defizit. Dies gilt nicht für Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen, wo das Schuldenproblem ins Ausland verlagert wird. Bei ausgeglichenem Außenhandel und fehlender Neuverschuldung im Privatsektor führt daher etwa eine Politik der schwarzen Null (Versuch des Einfrierens der Verschuldung) zwingend zur Stagnation/Rezession der Volkswirtschaft.

Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank führt dazu, dass Staatsanleihen als risikofrei wahrgenommen werden. Investoren können sie immer an die Zentralbank verkaufen und sehen daher kein Risiko.

Der „MMT-Hauptsatz“ lautet daher: Ein Staat ist in seiner eigenen Währung stets solvent.

Eine gute Einführung (auf Deutsch) bieten der Artikel von Dirk Ehnts, der bei uns unter Fachwissen zu finden ist sowie sein Buch „Modern Monetary Theory„. Eine Einführung auf Englisch bietet der Vortrag von Prof. Stefanie Kelton: „The Public Purse – A Government Budget is not a Family Budget“, zu finden auf der Webseite der British Library.

 

 

Islamic Banking bezeichnet Bankgeschäfte nach islamischen, sharia-konformen Prinzipien. Zu den Besonderheiten des Koran-konformen Bankwesens gehören nicht nur das Zinsverbot, sondern auch der Verzicht auf Spekulationsgeschäfte und unethische Investitionen von Kundengeldern z.B. in Alkohol, Tabak und Pornographie.

Islamic Banking beinhaltet darum einerseits die Vergabe zinsfreier Kredite und anderseits den Vertrieb von Investment- und Finanzprodukten, die zwar eine Rendite erlauben, aber keinen risikofreien Anlagezins versprechen. Auch zeitlich gestreckte Darlehen sind unzulässig, wenn eine Bank für die Laufzeit Zinsen aufschlagen muss. Um dies zu umgehen, erwerben islamische Banken zu finanzierende Objekte wie Häuser zunächst selbst und geben sie anschließend gegen einen Gewinnaufschlag weiter.

In Großbritannien öffnete die Islamic Bank of Britain als erste Bank nach islamischen Prinzipen im September 2004 ihre Pforten (jetzt Alrayan Bank). Im Jahr 2012 hat in Deutschland der erste Vermögensverwalter den Betrieb von Sharia-konformen Finanzprodukten gestartet (Bericht im Deutschlandfunk). Erst im März 2015 hat die Bafin der Kuveyt Türk Bank AG als erster Sharia-konformer Bank im Deutschen Markt eine Lizenz erteilt, wie u.a. die ZEIT berichtete.