Die Idee ein Geldsystem anders als mit positiven Zinsen zu konstruieren, geht zurück auf den deutsch-argentinischen Kaufmann Silvio Gesell und den französischen Ökonomen Maurice Allais. Gesell beobachtete das Auf und Ab der Wirtschaft, in der er seine Geschäfte machte und entwickelte die Idee, dass ein schwankender Geldumlauf auch die wirtschaftlichen Aktivitäten schwanken läßt. Läuft das Geld schnell um, setzt ein Boom oder Inflation ein, verlangsamt es seine Umlaufgeschwindigkeit werden weniger Umsätze und Investitionen getätigt. Wirtschaftskrisen und Deflation sind die Folge. Eine zentrale Ursache sah Gesell darin, dass man Geld dem Wirtschaftskreislauf entziehen kann: Physisch, indem es unters sprichwörtliche Kopfkissen wandert; oder modern, indem es sich an spekulativen Märkten bewegt, die mit der Realwirtschaft wenig zu tun haben. In beiden Fällen steht es nicht unmittelbar zum Kauf der produzierten Waren zur Verfügung, die in der Zeit veralten, verrosten oder verrotten – sprich: an Wert verlieren, während das Geld seinen Wert zunächst behält.

Anstatt Geldbesitzer durch hohe Zinsen für ihren „Konsumverzicht“ zu belohnen, schlug er vor, ihnen umgekehrt für das Zurückhalten von Geld Gebühren aufzuerlegen. Der Begriff der „Demurrage“ ist heute noch in der Schifffahrt gebräuchlich: Wenn beim Beladen oder Löschen eines Frachtschiffes die vereinbarte Dauer überschritten wird, wird das „Demurrage“ genannte „Liegegeld“ fällig. Dasselbe Prinzip wollte Gesell auch auf Bargeld anwenden. Um die „Durchhaltekosten der Bargeldhaltung“ zu vermeiden, würde der Geldbesitzer seine flüssigen Mittel durchaus auch zu einem Zinssatz von 0% bereitstellen – so die Überlegung. Da dieses Geld dann überwiegend zinsfrei verliehen würde, nannte er sein Geld-Konzept „Freigeld“.

Während der Gesell’sche Reformansatz innerhalb der Wirtschaftswissenschaften weitgehend unbekannt und höchst umstritten ist, erfährt er inzwischen durch die Praxis vermehrt Anerkennung. In mehreren Ländern haben Zentral- und Geschäftsbanken das Instrument in ihren Werzeugkoffer übernommen und begonnen, auf Sichteinlagen Negativzinsen oder „Guthabengebühren“ zu erheben. Sie versprechen sich davon, deflationäre Wirtschaftskrisen abzuwenden ohne durch Geldmengenausweitung Inflationsrisiken zu schüren.

Praktische Anwendung fand das Freigeld-Konzept bis dahin vor allem in lokalen Notgeldern und Zweitwährungen. So emittierte der Bürgermeister der Tiroler Kleinstadt Wörgl während der Weltwirtschaftskrise 1932 sogenannte „Arbeitswertscheine“, auf die ein monatliches Liegegeld zu zahlen war und führte seine Gemeinde bis zum Verbot durch die Notenbank aus der ärgsten Krise. In den USA wurden in den 30er Jahren unzählige Notgelder emittiert, mit teils exorbitant hohen Umlaufgebühren. Viele Regiogelder, allen voran der bekannte „Chiemgauer“, tragen ebenfalls eine Geldhaltegebühr und wollen so den Geldumlauf vor Ort beschleunigen und die regionale Wirtschaft ankurbeln. Doch auch in kommerziellen Bereichen wird von diesem Ansatz Gebrauch gemacht: Beim Online-Telefoniedienst skype (TM) schwindet das einmal gekaufte Guthaben, wenn es nicht regelmäßig benutzt wird.

In der Münzgeschichte findet sich ein ähnliches Modell: Die „Brakteaten“ waren ein dünnes Blechmünzgeld, welches in einigen Regionen gültig war und regelmäßig verrufen wurde. Beim Zwangsumtausch der alten in neue Münzen wurde ein Abschlag einbehalten, der als Steuer gedacht war, zugleich aber zu einem anderen Umgang mit dem Geld führte. Statt die Münzen zu horten, die an einem unbestimmten Tag wertlos werden sollten, gaben die Menschen das Geld lieber heute als morgen wieder aus oder investierten es langfristig und verstetigten so den Geldumlauf. Auch dieses Prinzip findet sich bis heute, z.B. bei Gutscheinen oder Guthabenkarten und -Konten von Unternehmen mit zeitlich begrenzter Gültigkeit. Das Prämienprogramm der Lufthansa wurde so konzipiert, dass Flugmeilen normallerweise nach 36 Monaten verfallen – unter anderem um zu verhindern, dass die Lufthansa wegen ihres Prämienprogramms in Konkurs geht, was bei dem erfolgreichen Kundenbindungsprogramm passieren würde, wenn z.B. plötzlich alle Kunden ihre gesparten Flugmeilen einlösen würden.